THE OUTPOST – Bundesstart 17.09.2020
123 Soldaten schlugen diese in der nordamerikanischen Kriegsgeschichte historischen Schlacht, gegen geschätzt 300 Taliban im afghanischen Kamdesh nahe der Grenze zu Pakistan. 79 Angehörige der amerikanischen Streitkräfte, 42 afghanische und zwei litauische Soldaten. Zwölf wurden getötet, und 27 verwundet. Bei den Taliban sollen es 150 Gefallene gewesen sein. Ein echtes Heldenstück möchte man meinen, lag der Außenposten, später als Camp Keating bekannt, in einer Gebirgssohle von drei Seiten mit Höhenzügen umringt. Ein sehr offenes, vor Angreifern kaum zu schützendes Ziel. Das Camp an diesem Ort war maßgeblich die schwerwiegendste Fehlentscheidung in einer langen Kette von falschen Einschätzungen und strategischem Versagen. Der Film gibt andere Zahlen zu den Soldaten- und Angreiferstärken an, ist allerdings unerheblich weil nicht relevant. Die Zahlen beschönigen nichts und machen das Geschehen auch nicht heldenhafter.
Die als ‚heldenhafter Kampf‘ geführte Schlacht, war alles andere als das. Und das will Rod Lurie mit seinem Film auch ziemlich deutlich machen. Verfasst wurde THE OUTPOST nach dem Buch von Korrespondent Jake Tapper, der die Geschichte aus der Sicht von Staff Sergeant Clinton Romesha wiedergibt, welcher im Film von Scott Eastwood mit der stoischen Überlegenheit gleich seines Vaters verkörpert wird. Daraus haben Paul Tamasy und Eric Johnson eine sehr geradlinige Geschichte verfasst, die sich sehr intensiv auf das Wesentliche beschränkt, und das ist der Mensch hinter dem Soldat. Im Vordergrund steht der Alltag, der schmale Diskurs zwischen Dienstgraden und Freundschaften, und die absurde Routine in den täglichen Angriffen vereinzelter Taliban. Genau diese Routine rächt sich, als das weit überlegene Heer von Taliban anrückt, obwohl immer und immer von Verbündeten wieder davor gewarnt wurde.
Filme wie dieser haben selbstredend immer einen bitteren Beigeschmack. Auch wenn die Möglichkeit zur Heldenverehrung immer wieder danach schreit, lässt es die Regie gar nicht soweit kommen. Dennoch bleibt die Schwelle sehr fließend. Haben die US-Amerikaner eine gesellschaftlich vollkommen andere Einstellung zum Militär und ihren Streitkräften, bringt man in Europa dieser Art von selbstverständlichen Patriotismus sehr wenig Verständnis entgegen. So wird THE OUTPOST schon im Vorfeld in den deutschen Kinos einzig und allein Anhänger von soliden Actionfilmen finden. Aber selbst wenn es abschreckend klingen mag, darf man die Männer von Camp Keating aus der Schlacht von Kamdesh als Helden bezeichnen. Nicht weil eine Vielzahl mehr an Angreifern getötet wurden, als Opfer in den eigenen Reihen zu beklagen sind. Erst recht nicht weil sie sich selbstlos für ihre Kameraden eingesetzt haben. Es sind Helden, weil sie überlebt haben, und weil ihr eigentlicher Kampf erst viel später stattfinden wird. Wenn sie sich bewusst darüber werden, was sie tatsächlich durchgemacht haben, und wie leicht alles ganz anderes hätte verlaufen können.
Gleich in den ersten Szenen beginnt der Film die Schauspieler mit den realen Namen der von ihnen verkörperten Soldaten zu benennen. Man muss ehrlich sein und zugeben, dass man als Zuschauer auch irgendwann den Anschluss verliert, wie viele Namen bis zum Ende die Leinwand geziert haben. Wichtig ist, dass es diese Stimme gibt die diesen Menschen einen Namen gibt, und nicht zu Kollateralschäden für eine paar spektakuläre Action-Sequenzen macht. Und es vergehen auch keine zehn Minuten ohne eine dieser Action-Sequenzen. Wobei natürlich der Fokus auf der letzten Stunde liegt, wo die in Wirklichkeit zwölf Stunden dauernde Schlacht inszeniert ist. Man könnte meinen, dass in einem einstündigen Gewitter von Patronen, Granaten, Hilferufen und Todesschreien schnell die Orientierung verloren geht. Aber das würde man in diesem Fall ganz falsch annehmen. Denn Lurie inszeniert und choreografiert den Kampf sehr gewissenhaft und ausgeklügelt, ohne allerdings das Tempo zu verlangsamen oder einmal Luft zu holen. Es wird zu einer Tour de Force von exzellenter Action und bangender Anteilnahme, weil die alle gleichzeitig stattfindenden Ereignisse in einzelne Episoden aufgeteilt sind, wo das Schicksal einer Gruppe oder eines einzelnen Soldaten an einem Stück gezeigt wird. So behält der Zuschauer trotz nerven aufreibender Dynamik immer den Überblick bei den sich andauernd überschlagenden Geschehnissen.
Die rastlose Kamera von Lorenzo Senatore reduziert die Schnittrate auffallend. Viele Einstellungen, und mögen sie noch so hektisch erscheinen oder aufwendig inszeniert sein, sind am Stück gedreht. Das verleiht der Atmosphäre ein fast schon beklemmendes Gefühl der Unmittelbarkeit. Erfreulich ist, dass THE OUTPOST für den heutigen Standard extrem unblutig ausfällt. Was aber auch keinerlei Relevanz hätte, weil die dichte Inszenierung dem Zuschauer bereits ungewöhnliche viele Charaktere sehr nahe gebracht hat. Allerdings sticht dabei einer besonders heraus, und das ist Caleb Landry Jones als Specialist Ty Carter, der vom erwählten Pechvogel zum Lebensretter wird. Der echte Ty Carter wird im Abspann erklären, dass er keine Ahnung hatte was er da tut, und sein eigenes selbstloses Handeln auch im Nachhinein nicht wirklich erklären kann. Landry Jones‘ spielerische Bandbreite ist fast schon unheimlich und extrem mitreißend. Für alle die grandios inszenierte Action mit einer gehörigen Portion Hintersinn mögen, ist THE OUTPOST der Film schlechthin. Dieses mal ein Film der tatsächlich neben BLACK HAWK DOWN bestehen kann.
Und er hält sich auch nicht zurück berechtigte Kritik zu äußern. Denn die wirkliche Grundlage für die biografisch angehauchte Erzählung von Jake Tapper sind falsche Entscheidungen der Militärführung, Selbstüberschätzungen in den Kommandohierarchien, und kameradschaftliches Fehlverhalten.
Eine sehr prekäre Prämisse, die den meisten Kriegsfilmen vollkommen fremd ist, oder ganz falsch dargestellt wird. Hier hat man das Gefühl, dass alles richtig gemacht wurde. Ein plumper Versuch von falschem Hurrapatriotismus ist THE OUTPOST auf keinen Fall.
Die Besprechung basiert auf der amerikansichen VOD-Fassung
Darsteller: Scott Eastwood, Caleb Landry Jones, Orlando Bloom, Jack Kesy, Taylor John Smith, Jacob Scipio, Milo Gibson u.a.
Regie: Rod Lurie
Drehbuch: Paul Tamasy, Eric Johnson
Kamera: Lorenzo Senatore
Bildschnitt: Michael J. Duthie
Musik: Larry Groupé
Produktionsdesign: P. Erik Carlson
USA – Bulgarien / 2020
123 Minuten