– THE EMPTY MAN –

Empty Man 1 - Copyright 20th CENTURY FOXTHE EMPTY MAN
– Bundesstart 29.10.2020
nur bis 01.11.2020 im Kino

Er war der Hoffnungsträger für alle Genre-Freunde des gepflegten Unbehagens. Verständlich in einem Kinojahr, in welchem es, bescheiden ausgedrückt, ziemlich homöopathisch mit Veröffentlichungen zuging. Die Mainstream-Freaks hatten ihren TENET, die Arthouse-Intelligenz wollte ihren BERLIN ALEXANDERPLATZ, und der Horror-Junkie des gehobenen Anspruchs setzte seine Hoffnung auf THE EMPTY MAN. Die von Cullen Bunn geschriebene und Vanesa R. Del Rey gezeichnete Reihe an Graphic Novels hatte Begehrlichkeiten geweckt. Die filmische Umsetzung hatte, wie viele erfolgreiche Publikationen in diesem Genre, bereits im Vorfeld einen gesicherten Publikumsstamm. Dann noch etwas Mundpropaganda und Social-Media-Wirbel, es hätte ein vielversprechender Filmherbst werden sollen.

Wer mit der Graphic Novel nicht vertraut sein sollte, könnte denken er sitzt im falschen Film. Zwei junge Paare auf Rucksack-Tour in Bhutan. Tag Eins: Ein Unfall, eine seltsame Höhle, eine einsame Hütte. Titel zählen für den Zuschauer die Tage, und am Dritten ist es dann vollbracht. Der zwanzig minütige Einstieg verspricht genau das, was man sich erhofft hat zu finden. Der Einstig ist lang, aber nicht langweilig. Die durch starke Schneesturme hellen, fast überstrahlenden Bilder verschaffen tatsächlich ein unheimliches Setting. Die unendlich weite und offene Landschaft, und doch gefangen in einer verlassenen Holzhütte.

Empty Man 4 - Copyright 20th CENTURY FOX

Das hat sehr viel unheimliche Atmosphäre, weil der Schrecken sich langsam aufbaut. Die Einsamkeit, die Hoffnungslosigkeit, und immer das Gefühl, dass der Schutz der Hütte nur ein Trugschluss ist. Aber die Kamera von Anastas Michos kann nur soviel Stimmung erzeugen, wie es das beliebige Set und die konventionelle Inszenierung zulässt. Es wird schnell klar, dass dies nicht das Monster aus der Nachbarschaft werden wird. THE EMPTY MAN hat größere Ambitionen. Der epische Anfang lässt daran keinen Zweifel, auch wenn Regisseur und Autor David Prior nicht das volle Potential von Darsteller und Setting auszuschöpfen vermag. Der Zähler wird zurückgesetzt.

– Tag Eins: Von Bhutan in den Mittleren Westen der Vereinigten Staaten einige Jahre später. Der traumatisierte Ex-Cop James Lasombra soll als Freundschaftsdienst für eine sehr gute Bekannte, deren vermisste Tochter auffinden. Was sich für Lasombra wie ein Kleinstadt Drama ausnimmt, wächst sich aus zu einer Bedrohung überirdischen Ausmaßes. Das Gefühl von H.P. Lovecraft trügt nicht. Buch und Inszenierung nehmen unmissverständliche Anleihen beim Meister des psychologischen und mythologischen Horrors. Und THE EMPTY MAN ist mit 137 Minuten zirka 30 Minuten länger als Mainstream typische Horrorfilme.

In einer seiner ganz wenigen Hauptrollen kann James Badge Dale als durch das Schicksal gebrochener Held kann ganz eindeutig mit seiner charismatischen Präsenz beweisen, einen Film dieser Größenordnung zu tragen. Und das fast im Alleingang. In seiner nicht gerade großen Rolle kann sich noch der stets hintersinnige Stephen Root behaupten. Als fanatischer Sektenführer, kann er mit seinem energischen Enthusiasmus nicht nur die Anhänger des Kultes überzeugen, sondern lässt mitunter auch den Zuschauer hellhörig werden. Leider fallen nach Dale und Root die schauspielerisch überzeugenden Qualitäten stark ab. Oder Regisseur Prior weiß sie nicht entsprechend zu nutzen, wie bei Sasha Frolova, von deren Amanda man durchaus mehr sehen möchte.

Empty Man 3 - Copyright 20th CENTURY FOX

– Tag Zwei: THE EMPTY MAN kann auf viele Versatzstücke des klassischen Horrorfilms verzichten. Seine ruhige, nie überhastete Erzählweise bedeutet aber selten für das Publikum einen ruhigen und entspannten Handlungsverlauf. Aber so richtig stimmig bekommt David Prior seinen Film am Ende doch nicht. Schon alleine deswegen nicht, weil er sich immer wieder in vielen Szenen mit ausgebrannten Versatzstücken zufrieden gibt. Und das der im Film heraufbeschworene Empty Man als überirdische Wesenheit die Menschen vernichten möchte, wird selten als Auflösung behandelt. Vielmehr dienen die meisten Szenen als Erklärung dafür, was der Zuschauer schon von selbst in Erfahrung bringen konnte.

David Prior kann nicht abstreiten, dass ihm etwas Großes mit epischer Tragweite im Sinn stand, mit dem die Handlung das Ende der Zivilisation heraufbeschwören sollte. In wenigen Ansätzen funktioniert das, da bleibt der Film gerne immer wieder kryptisch, legt Spuren, verwirft diese wieder, und erzeugt dabei eine gruselig unheimliche Stimmung, die dem eigentlichen Ansinnen des Films Rechnung trägt. Aber genauso oft verliert sich Prior dann auch in seinem ehernen Absichten, als ob er seinem eigenen Buch nicht so recht trauen würde. Das Wechselbad von subtilem Horror und handelsüblichem Genrekino verhindert immer wieder einen konstanten Spannungsverlauf.

Aus dem vielversprochenen Kinoherbst ist auch mit THE EMPTY MAN nichts geworden. Allein seine im Vorfeld prognostizierte Offenbarung entpuppt sich als ansehnliches aber in zu wenig Szenen atmosphärisches Gruselstück. – Tag Drei: Der Kinoerfolg wurde zudem auch noch von etwas Größerem dahin gerafft.

Empty Man 2 - Copyright 20th CENTURY FOX

 

Darsteller: James Badge Dale, Marin Ireland, Stephen Root, Ron Canada, Robert Aramayo, Joel Courtney, Samantha Logan u.a.
Regie & Drehbuch: David Prior
nach der Graphic Novel Reihe von Cullen Bunn
Kamera: Anastas N. Michos
Bildschnitt: Andrew Buckland
Musik: Brian Williams (als Lustmord), Christopher Young
Produktionsdesign: Craig Lathrop
Großbritannien – Südafrika – USA / 2020
137 Minuten

Bildrechte: 20th CENTURY FOX
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