THE BEACH HOUSE
– Bundesstart 22.10.2020
Die Besprechung liegt der Amzon Prime / Shudder Fassung zugrunde.
Sieht man sich die Spielfilmdebuts der letzten Jahre so an, definieren sich die meisten über Horrorfilme. Es mag den Anschein haben, dass es das am leichteste zu stemmende Genre wäre, und dies aus trefflichen Gründen. Der Horrorfilm verzeiht am ehesten. Das könnte man nun so stehen lassen, und könnte oberflächlich betrachtet vielleicht sogar Recht zugesprochen bekommen. Dabei ist es grundlegend falsch. Banalitäten und Belanglosigkeit werden schon geraume Zeit nicht mehr verziehen. Die Ausrede vom puren Popcorn-Kino ist an andere Genre weiter gereicht. Originalität in der Handlung und Raffinesse in der Inszenierung sind nun unerbittliche Gradmesser. Und Jeffrey A. Brown hat offensichtlich alles daran gesetzt, diese Erwartungen zu erfüllen.
Bemerkenswert ist in erster Linie, wie selbstsicher und geschickt Brown aus der finanziellen Not eine kunstvolle Tugend macht. Vier Darsteller, drei Statisten, zwei Sprecher. Das Ferienhaus am Meer liegt idyllisch inmitten einer Siedlung von ebenso leerstehenden Häusern. Es herrscht Vorsaison bedingte Ruhe, welche die Lebensaspiranten Emily und Randall nutzen wollen, um sich über eine gemeinsame Zukunft klar zu werden. Doch ein anderes Pärchen, der makellose Strand, die Natur und ein bisschen Drogen setzen dem eigentlichen Vorhaben ein jähes Ende.
Worauf Brown mit seiner Erzählung hinaus will, lässt er für die ersten dreißig der ohnehin nur 88 Minuten Laufzeit im Unklaren. Und auch im zweiten Drittel wird er nicht konkret. Was Brown allerdings gelingt, ist den anfänglich stets strahlenden Settings eine undefinierte Unbehaglichkeit abzuringen, und ein sich anbahnendes Unheil zu inszenieren, ohne tonale oder Bild verfremdende Mittel einsetzen zu müssen. Allerdings ist eine unheimlich Grundstimmung schon deswegen gegeben, weil wir genau wissen, weswegen wir diesen Film ausgewählt haben.
Das ältere Ehepaar Jane und Mitch ist in einem Alter um die Eltern der Jungen sein zu können. Aus mysteriösen, als unheimlich angedachten Gründen verbringen die vier einen Abend zusammen. Sie reden viel und ehrlich. Emily und Randall hauptsächlich über ihre Lebensentwürfe. An dieser Stelle beginnt man hellhörig zu werden. Noch ungewiss was die Handlung bereithält, rechnet man mit Relevanz. Vielleicht ein sozialgesellschaftlicher Aspekt, für den die Geschichte zu einer analytischen Metapher wird. Viele zum Klassiker gewachsene Horrorfilme bekamen ihr Gütesiegel nicht allein aus den unheimlichen Momenten, sondern aus einem beklemmenden Mix von aktuellen und intellektuellen Bezügen zu diesen Momenten.
Später wird Emily als Studentin von Chemie und Biologie dem älteren Paar erklären, wie wir Menschen die Natur negativ beeinflussen, und dass diese sich zu auch zu wehren wüsste. Was als nebensächlicher Dialog inszeniert sein soll, kann allerdings nicht den wahren Charakter dieser Abhandlungen verleugnen. Es ist die eindeutige Exposition von dem was folgend wird. Und weil es auch noch so aufdringlich auf uns einwirkt, geht die anfänglich aufgebaute Spannung schnell in eine Abfolge von nebulösen Szenen über, die Spannung und Gänsehaut versprechen, aber keinerlei Überraschungen mehr.
Wenn die letzte Szene von THE BEACH HOUSE gelaufen ist, bleiben viele Fragen offen. Aber der Film fordert das Rätselraten geradezu heraus. Jeffrey A. Brown hat sehr viel Andeutungen und Szenen ohne Auflösung in sein Drehbuch gepackt, dass die Interpretation der Geschichte auch vielfältig ausgelegt werden kann. Das Problem ist nur, dass seine Darsteller, zumindest Liana Liberato und Noah Le Gros, entweder nicht schauspielern können, oder der Regisseur die Schauspielführung vollkommen außer Acht gelassen hat. Das ist schwer nachzuvollziehen. Aber die spannende Atmosphäre und unheimlichen Ereignisse werden immer wieder unterbrochen. Davon dass die Darsteller entweder dumme Dinge tun, vollkommen irrational reagieren, oder nicht klar ist, was das Gesehene überhaupt für einen Bezug hat. Und manchmal auch alles zusammen.
Diese inkonsistente Inszenierung ist immer nah dran, sehr wirkungsvolle Gruselmomente ihrer Bedeutung zu berauben. Die Szenen am Strand zum Beispiel, als einer der Protagonisten das strahlend blaue Wasser genießen möchte. Oder der Showdown mit den Sauerstoffflaschen. Brown hat zumindest in Ansätzen gewusst, was er tut, und was er erreichen wollte. Aber eine exzessive Feinabstimmung am Drehbuch und seiner Charakterzeichnungen wäre dringend notwendig gewesen. Denn THE BEACH HOUSE führt durchaus das Potential vor Augen, wie man mit kaum Geld, unglaublich effektiv arbeiten könnte.
Sicherlich verzeiht der Horrorfilm am ehesten. Samstagabend, die erste Verabredung, der Junge kann den harten Kerl probieren, das Mädel markiert die Schutzsuchende, und dann ist es letztendlich doch egal, weil beide ständig nur daran denken, wie dieser Abend enden wird. Dieses Szenario war einmal festes Ritual in der Kinonostalgie, ist aber schon lange überholt. Nur haben die meisten Filmemacher und viele Produzenten noch nicht verinnerlicht. Horrorfilme werden in ihrer quantitativen Produktion nicht weniger werden, nur die Regisseure und Produzenten werden sich bei Genre-Freunden ins Gedächtnis brennen. Da muss sich Jeffrey A. Brown mit seinem nächsten Film mächtig ins Zeug legen, um wirklich bleibenden Eindruck, und in Metapher seines eigenen Filmes sprechend, Oberwasser zu gewinnen.
Darsteller: Liana Liberato, Noah Le Gros, Jake Weber, Maryann Nagel, Michael Brumfield, Matt Maisto u.a.
Regie & Drehbuch: Jeffrey A. Brown
Kamera: Owen Levelle
Bildschnitt: Aaron Crozier
Musik: Roly Porter
Produktionsdesign: Paul Rice
USA / 2019
88 Minuten