THE WAY BACK
– Bundesstart 23.07.2020
Besprechung nach der amerikansichen Blu-ray Fassung.
In einem sehr tief gehenden Interview mit der New York Times, hat Ben Affleck sehr offen über sein Problem mit Alkohol und den letzten Entzug gesprochen, seinen Dritten. Für den Achtundvierzigjährigen war die Arbeit an diesem Film fast schon ein therapeutischer Exkurs, erzählt er freimütig. Es war aber auch ein Grund, warum aus dem vormaligen Titel des ‚abgehalfterten Ehemaligen‘ HAS-BEEN, die persönlichere Überschrift THE WAY BACK wurde. Darüber wie dumm, kompliziert und überflüssig der Titel für den deutschen Markt gehandhabt wurde, braucht man gar nicht erst zu reden. Man kann also sagen, dass mit diesem Film sehr viel Gutes bewirkt wurde, wahrscheinlich verbunden mit sehr viel Seelenschmerz und notwendiger Selbstkonfrontation. Das die Dreharbeiten eine fantastische Gelegenheit mit sehr viel Herzblut für Affleck waren, bedeutet noch lange nicht, dass THE WAY BACK automatisch ein guter Film wurde.
Einst war Jack das Wunderkind der Basketballmannschaft seiner katholischen Uni. Nach über 30 Jahren kommt die Schulleitung auf ihn zurück, um das mittlerweile miserable Team für die Schulmeisterschaften zu trainieren. Das Kind verstorben, die Ehe geschieden, dem Alkohol verfallen, gefällt sich Jack in der selbst auferlegten Opferrolle eigentlich sehr gut. Doch das Angebot bringt ihn zum Nachdenken. Und wer das nicht erwartet hätte, der hat noch nie ein Hollywood-Psychogram über eine süchtige Hauptfigur gesehen. Denn was Brad Inglesbys Drehbuch vorgibt, ist eine Eins-zu-eins-Blaupause für ein Abhängigkeitsdrama. Tatsächlich überrascht Gavin O’Connors Inszenierung in nur einem Punkt. Da Jack hauptberuflich als Bauarbeiter in luftiger Höhe arbeitet, zielt mancher Szenenaufbau immer wieder darauf ab, dass sein läuternder Absturz in doppeldeutigem Sinn hier stattfinden wird. Aber auch dieses kleine Spiel mit den Erwartungen entlässt den Film nicht aus seinen dramaturgischen Versatzstücken, die immer wieder in die unbändigen Spurrinnen des allzu vorhersehbaren rutschen.
Vielleicht wäre das Offensichtliche besser zu handhaben gewesen, hätte sich O’Conner für seinen Film entscheiden können, ob er Sportfilm, Drogendrama, oder Psychogram sein soll. So liefert er von allem etwas, vernachlässigt aber gleichzeitig jeden dieser Ansätze. Das Psychogram will nicht funktionieren, weil Afflecks Figur einfach nach emotionalem Standard handelt. Das Drogendrama zerfällt an seinem obligatorischen Muster, wo die Regie keine innovativen Einfälle wagt. Und der Sportfilm, mit seinen spannenden Spielverläufen, wird nur nach Bedarf handlungsrelevant. Dabei sind die Spielszenen bei den Meisterschaften hervorragend choreographiert, gefilmt und geschnitten. Hier verzichtet der Film auf eine überhöhte Inszenierung, sondern gibt dem Zuschauer das Gefühl realistische Spiele zu sehen. Nur zwei Spieler werden stellvertretend für die Mannschaft weiter herausgehoben. Melvin Gregg und Brandon Wilson verleihen dem Team greifbare Figuren. Ihre leider nur knapp angerissenen Hintergründe und Schicksale stehen aber dramaturgisch in keinerlei Verbindung mit Jacks Geschichte. Genauso verkommt Al Madrigal als Co-Trainer Dan lediglich zum Stichwortgeber.
Es ist auffallend, dass ausgerechnet die offensichtlich zu kurz gekommenen Charaktere, dass größere Interesse wecken. Was man ebenfalls so deuten könnte, dass vielleicht zugunsten von Jacks Geschichte, andere Handlungsteile ungeschickt gekürzt wurden. Ohne Zweifel spielt Ben Affleck ausgezeichnet, zudem ist er ja ein Typ der durch charismatische Präsenz auffällt. Aber bei dieser schwach ausgearbeiteten Geschichte und unoriginellen Inszenierung, kann auch der beste Schauspieler nicht unbedingt gegen anspielen. Das THE WAY BACK aber sehr viel Potential hat, merkt man allein daran, dass man sich als Zuschauer immer wieder wünscht, irgendetwas würde jetzt nicht nach Schema-F passieren. Man ärgert sich auch, wenn eine Situation genau so eintritt, wie solche Situationen in unzählig vielen anderen Filme bereits abgehandelt wurden. So paradox es klingen mag, wünscht man sich am Ende die Einsicht, ein gar nicht so schlechtes Drama gesehen zu haben. Doch diese Einsicht wird ausbleiben, denn THE WAY BACK bleibt hinter den Erwartungen und weit hinter seinen Möglichkeiten.
Darsteller: Ben Affleck, Al Madrigal, Michaela Watkins, Janina Gavankar, Glynn Turman, Todd Stashwick, Brandon Wilson, Charles Lott u.a.
Regie: Gavin O’Connor
Drehbuch: Brad Ingelsby
Kamera: Eduard Grau
Bildschnitt: David Rosenbloom
Musik: Rob Simonsen
Produktionsdesign: Keith P. Cunningham
USA / 2020
108 Minuten