Als Hank Moody seinen gefeierten Roman GOD HATES US ALL geschrieben hat, befand er sich bereits in einem Seelenzustand der ihn lange nicht loslassen wollte. Der Erfolg führte bei dem Mann ohne Lebensplan umgehend zu einer Schreibblockade. Moody hatte mit SOUTH OF HEAVEN und SEASONS OF THE ABYSS bereits zwei Romane veröffentlicht, einschließlich GOD HATES US ALL nach Alben der Trash-Metal-Band Slayer benannt. Der unerwartete Erfolg stellte ihn auf eine Höhe mit dem Generationenverständnis eines Douglas Coupland und man betrachtete Moodys dritten Roman als moderne Variante von J.D. Salingers FÄNGER IM ROGGEN. Tief im Herzen ist Hank Moody ein von den Möglichkeiten des Lebens sehr eingeschüchterter Mensch, dessen er sich auch bewusst ist. Genau deswegen geht er keinen Schwierigkeiten aus dem Weg, kann keiner Versuchung widerstehen, und verweigert sich gerne seinen Verantwortungen.
Das es GOD HATES US ALL zu lesen gibt, ist natürlich Moody zu verdanken. Aber Hank Moody hat GOD HATES US ALL eben nicht in Buchform gebracht. Genauso wenig wie FUCKING AND PUNCHING von Mia Lewis geschrieben wurde, das war nämlich Hank Moody. Wer verwirrt ist, sollte zumindest die erste Staffel von CALIFORNICATION mit David Duchovny sehen. Eine 84 Teile umfassende Serie um einen selbstbezogenen, verantwortungslosen Lebemann, den der Erfolg weniger interessiert, als irgendeine Frau irgendeines Alters. Lediglich die Ex-Freundin genießt seine Zuneigung, mehr noch die gemeinsame Tochter. In dieser Welt von ungezügeltem Sex, ungehemmten Trinkexzessen und der Leidenschaft für seine verpasste Familie, gibt es den gefeierten Roman GOD HATES US ALL. Als CALIFORNICATION wider Erwarten ein größerer Erfolg wurde, größer als Schöpfer Tom Kapinos selbst glauben wollte, gab es einen Mythos, der lediglich als Titel existierte.
Über kurze Umweg fand man einen willigen Autor für die gewünschte Auftragsarbeit. Jonathan Grotenstein ist eigentlich professioneller Poker-Spieler, und hat zuvor gerade einmal mit einem befreundeten Profi-Spieler einen Leitfaden über Poker als Buch verfasst. Grotenstein hatte beim Schreiben alle Freiheiten, weil in keiner Folge irgendetwas über einen eventuellen Inhalt von GOD HATES US ALL bekannt wird. Ihm blieben vier Monate Zeit, eine Geschichte zu entwerfen, die man mit einem Hank Moody tatsächlich in Verbindung bringen könnte.
Auf 208 Seiten der englischen, und 256 Seiten der deutsche Fassung wird aufgezeichnet, was wie ein Abriss aus Hank Moodys prägenden Weg aus der Jugendphase wirkt. Episodenhaft, ohne eine wirkliche Handlung erzählt der Roman vom jungen Moody, der auch hier noch wenig Ahnung vom Leben hat und keinen Plan für die Zukunft. Obwohl aus gut situiertem Haus, verschlägt es ihn in ein heruntergekommenes Hotel, umgeben von allerlei schrägen Typen. Kaum überraschend. Sein Geld verdient er sich als Drogenkurier und zu seiner destruktiven, impulsiv gefährlichen Ziehschwester unterhält er eine unzerstörbare Freundschaft. Es ist ein Sammelsurium an eigenwilligen Figuren und absurden wie abstrusen Erlebnissen. Jonathan Grotenstein hat Charaktere und Ereignisse aus seiner eigenen Vergangenheit, oder nach Hörensagen verarbeitet. Alles bunt gemischt, manchmal eins zu eins, dann wieder diverse Wesenszüge auf eine Person vereint.
Tatsächlich ließt sich Grotensteins Buch wie von Coupland inspiriert, allerdings ohne den Zeitgeist zu treffen. Allerdings muss man auch sehr nachsichtig sein, weil man nicht einfach aus der Hand geschüttelt einen Roman schreiben kann, der auf der Prämisse aufgebaut ist Kult zu sein. Wahrscheinlich auch ein Grund, warum man in der Serie darauf verzichtet hat, irgendetwas über Form und Inhalt von Moodys Erfolg zu verlautbaren. In der Absicht, der Serie mit diesem Buch eine zusätzliche Ebene über den filmischen Charakter hinaus zu verleihen, ist dieses Anliegen selbstredend verpufft. Aber Grotenstein ist kein Douglas Coupland, und auch kein J.D. Salinger. Selbst die lesbaren Anleihen an Bukowski hinterlassen keinen Eindruck. Was spürbar bleibt, ist die Bemühung den Geist von CALIFORNICATION und das Wesen von Hank Moody zu erfassen.
Wo die Serie durchweg unbefangen und unkonventionell bleibt, liest sich GOD HATES US ALL eher bemüht und verkrampft, wirkt also der Erwartung eines möglichen Fans entgegen. Aber auch ein unvoreingenommener Leser wird darin kaum tiefgreifende Literatur finden. Allzu gerne und allzu oft wird vögeln und blasen geschrieben, kaum ein Dialog der ohne angestrengt sexuelle Anspielung auskommt, auch wenn es um ganz andere belanglose Themen geht. Dazu wird allen Figuren die exakt gleiche Sprech- und Ausdrucksweise in den Mund gelegt. So absurd, aber vielleicht auch real einzelne Szenen sein mögen, es fehlt ihnen an origineller Auflösung, so wie den Personen einnehmender Tiefgang verwehrt bleibt. Zudem bringt man den abgeklärten Hauptprotagonisten und seine gerade einmal 21 Jahre einfach nicht zusammen. Es mag ein harsches Urteil sein, aber GOD HATES US ALL ist wenigstens lesbare Strandlektüre, oder angenehmer Zeitvertreib bis der Pizzalieferdienst klingelt.