Apple TV+: GREYHOUND

Greyhound 1, Copyright SONY PICTURES / Apple TV+GREYHOUND
– Apple TV+ seit 10.07.2020

Wie alle amerikanischen Kriegsfilme, die eine Erfolgsgeschichte aus dem Zweiten Weltkrieg erzählen, wird auch dieser als selbstgerechter Propagandamist beschimpft werden. Das macht man so in Deutschland. Vielleicht möchten die über allem erhabenen Leerredner eine deutsche Erfolgsgeschichte aus Deutschland jener Tage sehen, die gibt es ja auch, sind aber zu Recht verboten. GREYHOUND ist weder Propagandaschinken, noch selbstherrliches Soldatenepos. Sondern eine gar nicht uninteressante, sehr spannende, und ehrliche Abhandlung über eine der gefährlichsten und unberechenbarsten Schlachten welche die Alliierten zu schlagen hatten. Der Kampf im Atlantik, wo in großen Schiffkolonnen Truppen und Versorgungsgüter von Kanada und den USA nach Europa gebracht wurden. Von einem dieser vielen Konvois erzählt GREYHOUND, wo vier leichte Kampfschiffe 37 Truppentransporter und Frachtschiffe begleiten. Der gefährlichste Abschnitt für die Verbände war stets die ‚Schwarze Falle‘, ein Korridor der von der Luftunterstützung weder von Westen noch von Osten erreicht werden konnte. Dort lauern die deutschen U-Boote, Wolfsrudel genannt. Ohne Begleitschutz aus der Luft, sind die Frachter und Kriegsschiffe relativ leichte Beute.


Captain Krause ist der älteste, somit befehlshabende Kapitän der vier Begleitschiffe. Aber es ist Krauss erster maritimer Einsatz. Entsprechend stark ist seine Anspannung. Kaum dass die kanadischen Flieger mit ihren U-Boot-Zerstörer der Kanadier den Umkehrpunkt erreicht haben, und zurück fliegen müssen, beginnt auch schon der erste deutsche Angriff. Die realen Dokumente geben für die Durchquerung der ‚Schwarzen Falle‘, oder ‚Black Pit‘, mit drei Tagen an. Das Presseheft gibt der U.S.S. Keeling im Film fünf Tage. Nach dem ersten Angriff und relativ geringen Verlusten, bleiben dem Verband noch 36 Stunden ohne Luftunterstützung. Das deutsche Wolfsrudel hat ziemlich schnell die Keeling, Funkname Greyhound, als Leitschiff ausgemacht, und stellt Captain Krause vor eine ununterbrochene Herausforderung an taktischem Geschick und seiner Führungskompetenz.

Greyhound 4, Copyright SONY PICTURES / Apple TV+
Was GREYHOUND auszeichnet, ist der Verzicht auf eine epische Erzählung. Mit 91 Minuten Bruttolaufzeit ist der Film sogar auffallend kurz. Die Geschichte ist auf das Wesentliche konzentriert, als emotionaler Bezugspunkt dient ausschließlich Tom Hanks als Krause. Das Hanks auch das Drehbuch geschrieben hat, muss damit nicht zwangsläufig etwas zu tun haben. Es gibt keine heldenhaft Gesten, keine selbstlosen Einsätze, kein Manöver wider jeder Logik. Dennoch ist jeder Befehl und deren Ausführungen immer eine spontane Eingebung der nicht vorhersehbaren Ereignisse und Angriffsstrategien. Aaron Schneider inszeniert alles mit einer fast schon kühlen Disziplin, und er inszeniert schnell. Trotz der fehlenden Versatzstücke wie rebellierender Dienstgrade, heldenhafter Selbstaufgabe, oder selbst der beliebten Rettung in letzter Sekunde, ist GREYHOUND ein ungemein spannender Film. Vielleicht ist es aber auch genau das, eben nicht das klassische Erzählmuster zu bedienen. Selbst die seemännischen Taktiken werden nicht filmtechnisch erklärend aufgearbeitet, sondern muss der Zuschauer für sich erschließen.

Wie faktisch und unprätentiös der Film tatsächlich aufgebaut ist, fällt erst mit einem der ganz wenigen emotionalen Dialoge auf, als sich ein Matrose über die getöteten „Bastarde“ freut, und der Captain ihn eindringlich mit dem Wort „Seelen“ korrigiert. Die vorbehaltlose Beziehung mit dem ersten Offizier Cole, beruht auf militärischem Vertrauen, wo nichts in Frage gestellt, und keinem mit Misstrauen begegnet wird. Das GREYHOUND sich auf Krause als einzigen emotionalen Bezugspunkt konzentriert, macht die Geschehnisse noch eindringlicher. Er ist keine strahlender entschlossener Held. Man sieht Hanks die Zweifel im Gesicht stehen. Sollte sich Hanks die Rolle tatsächlich eigennützig selbst auf den Leib geschrieben haben, dann zu Recht. Er verkörpert Unsicherheit ohne schwach zu wirken, und Führungsanspruch ohne jeden Pathos. Und wer ein bisschen nachblättert, der wird schnell fündig, dass die gezeigten strategischen Manöver und taktischen Angriffe keine überzogenen Filmphantasien sind. Auch wenn dieser Konvoi, mit diesem Schiff und diesem Captain nicht gegeben hat, beruhen die gezeigten Ereignisse auf den Aufzeichnungen der realen Schlachten.

Apple TV+ gibt vor, dass GREYHOUND das bisher beste Startwochenende für den Streamingdienst hatte. Seine Zuschauerzahlen, so die +Presseabteilung, würden denen eines Blockbusters bei einer Kinoauswertung gleichen. Wegen GREYHOUND hat es 30 Millionen neue Abonnenten gegeben. Da Apple TV+ genauso wenig greifbare Zahlen herausgibt, wie sich jeder andere Streamingdienst auch gerne in Schweigen hüllt, sind die Marketing Äußerungen eigentlich relativ wertlos und uninteressant. GREYHOUND hat Sony in der Produktion 50 Millionen Dollar gekostet, nach dem weltweiten Einbruch wegen der bekannten Krise, hat Apple TV+ 70 Millionen Dollar für die Erstauswertung gezahlt. Da muss jedes Marketing einiges schön reden und Aufmerksamkeit erregen. Der Film selbst hätte es nicht nötig, weil er für sich selbst sehr gut sprechen kann. Man darf ihn durchaus auch als Muss für Freunde des Spannungskinos und von Kriegsfilmen bezeichnen. Dabei ist er trotzdem nicht der selbstgerechte Propagandamist, was ihm bestimmt dennoch viele unterstellen möchten.

Greyhound 5, Copyright SONY PICTURES / Apple TV+

 

Darsteller: Tom Hanks, Stephen Graham, Matt Helm, Craig Tate, Rob Morgan & Elizabeth Shue u.a.
Regie: Aaron Schneider
Drehbuch: Tom Hanks nach C.S Foresters ‚Good Sheperd‘
Kamera: Shelly Johnson
Bildschnitt: Mark Czyzweski, Sidney Wolinsky
Musik: Blake Neely
Produktionsdesign: David Crank
Kanada – USA – China / 2020
91 Minuten

Bildrechte: SONY PICTURES / Apple TV+
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