A HIDDEN LIFE – Bundesstart 30.01.2020
Er ist ein Mensch in der Geschichte, von dem man noch nie gehört hat, und auf einmal jeder glaubt zu kennen. Eigentlich ist Franz Jägerstätter eine traurige Figur. Denn sein Schicksal erfährt man nur, weil man Interesse am Kino hat, weil Terrence Malick wieder einmal einen Film gemacht hat, weil die Kunst dieser beiden Komponenten lockt. Aber Franz Jägerstätter wollte auch keine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens sein, wollte kein Zeichen setzen, wollte nicht überzeugen. Er wollte einfach nur er selbst bleiben, sein eigenes Leben leben, weil er zufrieden war und einig mit sich selbst. Terrence Malick erzählt nun diesen entscheidenden Abschnitt in Jägerstätters Dasein, stellvertretend für all die, welche in einer brutalen Zeit des kollektiven Irrsinns weiterhin ein verborgenes Leben führten.
Auch wenn der Ausnahme-Regisseur Malick, nach drei psychedelisch anmutenden Bilderorgien mit vernachlässigter Struktur, wieder zum linearen Erzählen gefunden hat, bleibt auch EIN VERBORGENES LEBEN eine echte Herausforderung. Selbst wenn sich die Namen an den führenden Kreativabteilungen wie Kamera und Bildschnitt geändert haben, mit denen Malick sonst gearbeitet hat. Eigentlich ist es irrelevant, wer an der Kamera steht, oder sich mit dem Regisseur den Schneidraum teilen muss, weil jedes Bild, jede Szene, jede Komposition die unverkennbare Handschrift von Malicks letzten Filmen trägt. Und diese Handschrift ist manchmal schwer zu lesen.
Stehende Einstellungen haben ganz selten den Weg in die fertige Schnittfassung gefunden. Scheinbar ununterbrochen bewegt sich die Kamera, meist verfolgt sie die Figuren, nähert sich teilweise unangenehm nahe an, und entfernt sich wieder. Muster und Motivationen sind dabei kaum erkennbar. Und der komplette Film wurde in extremen, meist unwirklich verzerrenden Weitwinkelaufnahmen gedreht. Manchmal intensiviert es die Atmosphäre, aber meist verwirrt es nur, weil die Referenz zum natürlichen Sehen abhanden kommt. Ganz in Terrence Malicks Absicht, ist an dieser Stelle die optische Reizüberflutung lange nicht an ihre Grenzen gekommen. Denn in einer gewöhnlichen filmischen Erzählung steht das Bild im Einklang mit dem Schnitt, aber hier bricht der Schnitt mit dem Fluss der ohnehin schon provokanten Perspektivverzerrungen. Nicht eine Sequenz bleibt von Jump-Cuts verschont. Innerhalb der Szenen springen die Einstellungen immer zeitlich aus der Kontinuität. Unentwegt wird ein Konflikt unterbrochen, und die Handlung setzt unvermittelt in einem der nachfolgenden Ereignisse ein, um dann wieder zurück zu springen.
Als einziger in seinem Dorf verweigert sich Franz Jägerstätter dem auflebenden Nationalsozialismus. Sein Verhalten ist dabei weder prätentiös, noch aufrührerisch. Er will weder aufklären noch sich erklären müssen. Seine Aussage ist so schlicht, wie sein schlichtes Leben. Er findet es einfach nicht richtig.
Für die im Dorf, welche die Unaufhaltsamkeit der Entwicklungen pragmatisch sehen, wird der sonst so beliebte Jägerstätter Franz zum undurchsichtigen Quertreiber. Die daraus resultierenden Konflikte, kann man nur erahnen. Verständliche Dialoge gibt es keine. Durch die eigenwillige Schnittweise, kann man nie einschätzen, ob es sich um mehrere immer wieder stattfindende Anfeindungen von Seiten der anderen Dorfbewohner handelt, oder die eine große Konfrontation ständig immer nur vorausschauend oder rückblickend durch andere Ereignisse unterbrochen wird. Genauso verhält es sich, wenn der einfache Bauer auf die Schergen des neuen Regimes trifft. Ob nun Jägerstätter des Öfteren den Demütigungen der Soldaten ausgesetzt ist, oder eine geschlossene Szene immer wieder von weiterführenden oder vorangegangenen Szenen unterbrochen wird. Die Dramaturgie lässt sich dabei nicht durchschauen, und vermittelt den Eindruck, dass Kontinuität und Verlauf der Ereignisse dem Empfinden des Betrachters obliegen.
Die eigentlichen Dialoge sind kaum verständlich, werden von Umgebungsgeräuschen oder Musik überdeckt. Vereinzelt sind Satzfetzen zu hören, wenn sie relevant für die Spannung innerhalb der Situation sind. Aber weiterführende, oder die Handlung erklärende Texte gibt es nicht. Verständlich hört man Franz und seine Frau nur aus dem Off. Es sind Gebete und ihre Gedanken, die genauso aus dem Kontext gerissen sein könnten. Keiner von beiden rechtfertigt sich, aber über diese erweiterte Ebene fordern sie den Zuschauer noch mehr. So poetisch EIN VERBORGENES LEBEN anmuten mag, so frei und losgelöst er sich gibt, unaufdringlich, ohne reißerische Momente, dürfte dies Terrence Malicks radikalster Film sein. Die Darsteller spielen keine Figuren, sondern es sind sie selbst, weil die Kamera einfach solange bei ihnen blieb, bis ein natürlicher, nicht gestellter Moment entstand, der den Weg in den Film fand. EIN VERBORGENES LEBEN ist eine echte Herausforderung, in die man sich einfach fallen lassen muss. Manchmal wird es dann träumerisch, oft sehr spannend, aber dann immer wieder sehr anstrengend.
Darsteller: August Diehl, Valerie Pachner, Karin Neuhäuser, Maria Simon, Tobias Moretti, Ulrich Matthes, Matthias Schoenaerts, Bruno Ganz u.a.
Drehbuch & Regie: Terrence Malick
Kamera: Jörg Widmer
Bildschnitt: Rehman Nizar Ali, Joe Gleason, Sebastian Jones
Musik: James Newton Howard
Produktionsdesign: Sebastian T. Krawinkel
Deutschland – USA / 2019
178 Minuten