In unregelmäßigen Abständen werden hier Filme für das Wochenende vorgestellt, die vielleicht die ein oder andere Erinnerung wecken, oder als Inspiration für einen gemütlichen Abend dienen können. Wie der Titel der Reihe schon andeutet, werden hier selten kulturhistorische Filme besprochen, sondern Werke, die ihre Berechtigung dort fanden, wo das Autokino seiner Bestimmung nachging.
CONVOY – Bundesstart 10.08.1978
Mitten in der Hochphase des CB Funkphänomens, da zeigte ein kleiner, feiner und lustiger Film, wie man damit auf Highways mit Tempolimit dennoch ordentlich Spaß haben konnte. Diesen Machern und Darstellern bot man daraufhin auch umgehend an, einen ähnlichen Film mit ausschließlich Lastwagen zu machen. Hal Needham und Burt Reynolds vom AUSGEKOCHTEN SCHLITZOHR lehnten ab. Das Projekt ging an andere verheißungsvolle Künstler, die eine Welle heraufbeschworen, die ihres Gleichen suchte. In allen Jugendzimmern, Billardräumen, oder Partykellern gab es ein, aber meist mehrere Poster imposanter Trucks. Meist MACs mit ihren ausladenden Motorschnauzen, und nicht die langweiligen MANs von den deutschen Straßen. Nein, die Faszination ‚Helden der Landstraße‘ galt den amerikanischen Truckern und ihrer absolut verklärten Freiheit.
Es gab schon viele Filme, die Songs berühmt machten, oder nach bekannten Liedern betitelt wurden. Viel seltener gibt es Filme, die tatsächlich auf einem Song und seinem Text basieren. Wie ALICE’s RESTAURANT des Neuen Hollywood Mitbegründers Arthur Penn, nach Arlo Guthries Lied. Oder der inspirierende Text von Springsteens ‚Highway Patrolman‘, aus dem Schauspieler und Filmemacher Sean Penn seinen INDIAN RUNNER formte. Im Zuge der CB Funk-Euphorie und dem Erfolg von SMOKEY AND THE BANDIT (Schlitzohr), war man sehr schnell an C.W. McCalls Nummer-eins-Hit ‚Convoy‘ interessiert. Es war klar, dass mit Sam Peckinpah ein sehr schwieriger Mann in den Regiestuhl gesetzt werden würde, aber der Ausnahmeregisseur wäre durchaus in der Lage gewesen, aus der eher belanglosen Vorlage etwas Besonderes zu machen.
Die immer währende Fehde zwischen dem Fernfahrer Rubber Duck und Sheriff Lyle Wallace, eskaliert eines Tages in einem Truck-Stop. Duck und seine Kollegen Pig Pen und Spider Mike flüchten mit ihren Tonnen schweren Lastzügen Richtung Staatsgrenze, in der Hoffnung, dem Arm des Gesetzes zu entgehen. Je mehr Sheriff Wallace daran setzt, Rubber Ducks schwarzen Truck zu stoppen, desto mehr Trucks schließen sich den Flüchtenden an. Es wird ihr Protest gegen Beamten-Willkür und Schikane durch überholte Arbeitsbedingungen. Als der Konvoi hunderte von Trucks umfasst, muss der Gouverneur von Arizona handeln. Es ist Wahljahr. Der Einzelgänger Duck ist unvermittelt auf einer Route in seinem Leben, die er nie fahren wollte.
Man kann es offen sagen, CONVOY ist kein wirklich guter Film. Es hakt an seinen oberflächlich naiven Dialogen, und Chip Davies‘ sehr eigenartigen, meist gegen die Dramaturgie arbeitenden Musikkompositionen. Es fehlt das Gespür für Witz, und Garth Craven und John Wrights Schnitt haben Peckinpahs Markenzeichen von Zeitlupenaufnahmen Ad Absurdum geführt. Und dennoch ist Sam Peckinpahs CONVOY einer der besten Vertreter des Neo-Westerns. Der Regisseur hat mit Western wie WILD BUNCH und BRING MIR DEN KOPF VON ALFREDO GARCIA Filmklassiker geschaffen. Und so stellt er letztendlich auch Rubber Duck und seine Kumpels in Szene, als Cowboys die ihre Pferde eingetauscht haben und durch Lobbyisten sowie immer weiterreichender Restriktionen durch die Regierung ihre Freiheit verloren haben. Loyale Menschen, denen Gerechtigkeit über alles geht, und deswegen vom gefragten Cowboy, zum prinzipientreuen Outlaw gedrängt werden.
Das ist natürlich alles extrem kitschig und verklärt, aber mit einer verbissenen Ernsthaftigkeit inszeniert. Vielleicht ist hier die Faszination für das Wesen des einsamen Fernfahrers und seinem nur scheinbar freien Lebensstil zu finden. CONVOY stellt nichts in Frage, was Charaktere und Gruppen anbelangt, ist er von vorne bis hinten in Schwarzweiß gehalten. Und man kommt nicht umhin, die majestätische Kraft der Bilder zu bewundern, die jeden John Ford Western die Schau stehlen. Das beginnt mit den beeindruckenden Wüstenbildern zu Beginn, hin zu den atemberaubenden Aufnahmen der Highways mit einer Schlange von Trucks bis zum Horizont. Und natürlich die Aufstellung der LKWs, bevor sie eine Stadt in Grund und Boden fahren. Hier funktioniert die Magie des Kino mit gewaltiger Intensität, denn tatsächlich wird bei der Befreiung von Spider Mike aus dem Gefängnis, weit weniger zerstört, als man wahr zu nehmen glaubt. Gepaart mit dem beindruckenden Beben der Motoren und der einzig sehenswerten Schnittfolge von Craven und Wright, sind diese atemberaubenden Bilder noch immer der absolute Höhepunkt.
Peckinpah war zu Beginn der Dreharbeiten nur noch der Schatten seiner selbst. Er mochte Bill Nortons Drehbuch nicht, und ließ seine Schauspieler die Dialoge improvisieren. Was sich bisweilen auch sehr danach anhört. Um seine Karte für die Regie-Gewerkschaft zu bekommen, arbeitete Schauspieler James Coburn als Regie-Assistent der Second-Unit bei CONVOY. Er war es, der immer einsprang, wenn Sam Peckinpah nicht aus seinem Wohnwagen kam. Und das war die meiste Zeit. Coburn erzählte in einem Interview nach STEINER – DAS EISERNE KREUZ, den er mit Peckinpah gedreht hatte, dass der Regisseur bereits bei diesem Film eine Routine von vier Flaschen Schnaps täglich hatte. Zu dem Dreh von CONVOY hatte sich das nicht geändert, die gesundheitlichen Folgen waren allerdings schon katastrophal bemerkbar. Am Ende gab es eine Rohfassung von 220 Minuten, bei der Peckinpah außer auf den Titel gebenden Song vollkommen auf Musik verzichtete. Das Studio nahm ihm natürlich den Film ab, und fertigte selbst die endgültige Kinofassung.
CONVOY hätte ein wesentlich besserer Film werden können, dass spürt man. Doch wenn er heute keine neuen Zuschauer mehr von der Rückbank vor locken wird, werden ältere Semester noch immer der Faszination verfallen, wenn Kris Kristofferson mit Sonnebrille und Unterhemd neben seinem 1977er MAC steht, motorisierte Ungetüme durch den Wüstenstaub pflügen, oder ein endlos scheinender Konvoi über flimmernden Asphalt auf einen zufährt. So we crashed the gate doing ninety-eight / I says „Let them truckers roll, 10-4“
Darsteller: Kris Kristofferson, Ali MacGraw, Ernest Borgnine, Burt Young, Madge Sinclair, Franklyn Ajaye, Brian Davies, Seymour Cassel, Cassie Yates u.a.
Regie: Sam Peckinpah (mit James Coburn)
Drehbuch: Bill Norton
nach ‚Convoy‘, von Chip Davies und C.W. McCall, gesungen von C.W. McCall
Kamera: Harry Stradling Jr.
Bildschnitt: Garth Craven, John Wright
Musik: Chip Davies
Produktionsdesign: Fernando Carrere
USA / 1978
110 Minuten
Bildrechte: UNITED ARTISTS / Kino LORBER / UNIVERSUM FILM