BOMBSHELL – Bundesstart 13.02.2020
Als Medienmogul Rupert Murdoch sich entschloss 1996 einen eigenen Nachrichtensender zu etablieren, konnte er keinen besseren Geschäftsführer als Roger Ailes dafür engagieren. Ailes war erzkonservativ, und ernsthaft überzeugt, die Demokraten wollten den Sozialismus in Amerika einführen. Unbeirrt, mit eiserner Faust, gegen jeden Anstand und mit der Erfindung von alternativen Fakten, führte er mit unglaublicher Geschwindigkeit Fox News an die Spitze aller Nachrichtensender. Ungebrochen liegen die Einschaltquoten auch heute noch weit über allen Mitbewerbern. 20 Jahre lang war Roger Ailes unantastbar, verhalf sogar maßgeblich Donald Trump zur Präsidentschaft, obwohl sie sich nicht ausstehen konnten. Aber es ging einfach darum, dem vermeintlich aufkeimenden Sozialismus entgegen zu treten. Make America great again, war keineswegs die Erfindung des zurzeit amtierenden Präsidenten. Doch dann kamen die blonden Granaten, und ließen die Bombe platzen. Die Doppeldeutigkeit des Wortes Bombshell.
Megyn Kelly und Gretchen Carlson waren die weiblichen Aushängeschilder des Senders, von Ailes handverlesen. Beide wurden auch zum optischen Prototyp der Mehrzahl von nachfolgenden Frauen bei Fox News. Obwohl sich dieser Typus Frau bis heute im amerikanischen Fernsehen größtenteils gehalten hat, wirken Nicole Kidman und Charlize Theron stets eine Spur überzeichnet. Was für die Inszenierung merklich beabsichtigt war. So ist Theron als Megyn Kelly in ihrem privaten Umfeld tatsächlich optisch wesentlich mehr sie selbst, während sie in ihrer geschäftlichen Umgebung den verstärkten Eindruck einer Kunstfigur macht. Die Makeup- und Maskenbildnerinnen haben erschreckend exzellente Arbeit geleistet, auch wenn man allzu oft zum Beispiel Therons Nasenprothese erkennen kann. Aber das macht das Spiel mit den Realitäten, oder alternativen Fakten nur noch interessanter und fügt sich so hervorragend in den sarkastischen, teilweise bitterbösen Erzählton.
Jay Roach lässt seine Figuren immer wieder einmal das Publikum direkt ansprechen. Sie erklären ihren Arbeitsplatz, die Strukturen, eine scheinbar in sich geschlossene Welt. Das lockert ungemein auf, und nimmt gleich eine verbissene Ernsthaftigkeit aus dem Lauf der Geschichte, die an anderer Stelle von anderen Machern inszeniert worden wäre. Ob das dem Thema zuträglich ist, muss allerdings der Zuschauer für sich selbst entscheiden. Es geht schließlich, und da wird man wohl nichts vorweg nehmen, um sexuelle Belästigung und ungebührliche Vorteilnahme bei Abhängigkeiten gegenüber Frauen. Aber vorrangig geht es gar nicht darum, das Übel und die Demütigungen an den Pranger zu stellen, dieses tut es von ganz allein, ohne im ständigen Fokus zu stehen. Es geht darum ein von Männern bestimmtes und aufgebautes System zu entlarven, und gegebenenfalls zu bestätigen. Das funktioniert bis zu einem gewissen Punkt ziemlich gut, und in dem dargebotenen Zynismus macht der Film durchaus sprachlos. Aber Regisseur Jay Roach, der im politischen Thriller mit satirischen Noten vertraut ist, kann dieses anfängliche Gebilde von bitteren und zynischen Kommentaren nicht halten.
In seiner Erzählform vermengt der Film sehr geschickt ein filmisches Konstrukt und reale Restriktionen. Da die Hauptfiguren Kelly und Carlson durch Stillschweigeerklärungen sich nicht selbst zu ihren Erfahrungen mit Roger Ailes äußern durften oder sollten, erklären sie einfach das System im allgemeinen. Und das machen Theron und Kidman mit diebischer Freude und einem stets hintergründigen Blick direkt in die Augen des Publikums. Wer das Ausmaß und den Eindruck von der sexuellen Belästigung vermittelt ist eine Kunstfigur, als eine Zusammenfassung für die über 20 Frauen die letztendlich Klage gegen Ailes erhoben hatten. Doch ausgerechnet diese Kayla Pospisil ist durch die Darstellung von Margot Robbie das schwächste Glied in der Kette eines herausragenden Ensembles. Wo ihre Mitstreiterinnen mit einem einzigen perfekt gesetzten Blick agieren können, wird Kayla Pospisil durch eine sich stets wiederholende Abfolge von mimischer Betroffenheit und Unbehaglichkeit verwässert.
BOMBSHELL ist ein Film mit Schwächen gerade in der zweiten Hälfte, wo er doch ein wenig zu verbissen seinen Standpunkt zu vermitteln versucht, wo sich eigentlich alles von selbst erklärt. Er bleibt ein unbestritten starker Film, der auch nicht davor zurück schreckt, eine gewisse Passivität bestimmter Frauen in dieser von Männern dominierten und bestimmten Welt aufzuzeigen. Allerdings kommt zu keinem Zeitpunkt, eine eventuelle Mitschuld zur Sprache oder auch nur zur Andeutung. Buch und Regie sind und bleiben unbeirrt auf der richtigen Seite. Worin der Film seine bittere Ironie selbst am Ende nicht verliert, ist mit der abschließenden Erkenntnis, dass sich im Wesen einer vermeintlich aufgeklärten, emanzipierten Welt bis heute nichts, aber auch gar nichts geändert hat.
Roger Ailes war, zumindest in Amerika, der erste Mann von derart einflussreicher Größe, scheinbar unantastbarer Macht und unreflektiertem Geschick, der wegen seinen unentschuldbaren Fehlverhaltens vom Sockel gestoßen wurde. Ein weiterer zynischer Einblick, dass dazu nicht eine Frau, auch nicht zwei Frauen dies vollbracht hätten. Erst mit zusammengefassten Klagen von über zwanzig Missbrauchsopfern konnte das durch Ignoranz geduldete Gefüge aufgerissen werden. Wesentlich intensiver und ein wenig beängstigender ist die prämierte siebenteilige Serie THE LOUDEST VOICE mit Russell Crowe und Naomi Watts, welche die Ereignisse um Roger Ailes und die Situation bei Fox News viel ausführlicher behandelt konnte. Aber Jay Roach hat mit BOMBSHELL einen etwas anderen Ansatz für die Geschichte gefunden, der allemal sehenswert ist, trotz bekannter Geschichte spannend bleibt, und mit einem der schönsten und passendsten Schlussbilder seit langem endet.
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Darsteller: Charlize Theron, Nicole Kidman, John Lithgow, Malcolm McDowell, Margot Robbie, Allison Janney, Kate McKinnon, Connie Britton u.a.
Regie: Jay Roach
Drehbuch: Charles Randolph
Kamera: Barry Ackroyd
Bildschnitt: Jon Poll
Musik: Theodore Shapiro
Produktionsdesign: Mark Ricker
Kanada – USA / 2019
109 Minuten