BIRDS OF PREY:
And The Fantabulous Emancipation
Of One Harley Quinn
– Bundesstart 06.02.2020
So richtig in Schwung kommen wollte das DCEU nicht. MAN OF STEEL wurde nicht sehr freundlich aufgenommen, das Casting von Ben Affleck als Batman wurde nach der Darbietung von Christian Bale eher feindselig kommentiert. Zudem lag immer ein scheinbar übermächtiger Comic-Mitbewerber im Nacken, der fast alles richtig gemacht hatte, und dessen Konzept DC allzu plump und unoriginell kopierte. Die Geduld des alles verschlingenden Kinokonsumenten ist eben auch nur endlich. Das dann ausgerechnet die filmische Mittelmäßigkeit AQUAMAN der finanziell erfolgreichste Film in der bisherigen DC-Reihe wurde, spricht nicht für die Verlässlichkeit des Publikums. Dieser zeigte sogar dem vermeintlichen Geniestreich SUICIDE SQUAD den Dreizack. Noch ist man sich scheinbar sicher, dass es nur einer Initialzündung bedarf, dass der Zuschauer endlich den Kessel zum Ende des Regenbogens füllt. Und ausgerechnet die Schauspielerin Margot Robbie ist dafür eine enthusiastische Unterstützerin.
Es war aber auch vermessen zu glauben, man könnte Heath Ledgers Joker Interpretation noch etwas entgegen setzen. Auf jeden Fall keine Punk-Version mit undefinierten Charakterzügen. Margot Robbie wollte ihre Rolle der Harley Quinn allerdings nicht aufgeben, tat ihre Wünsche kund, und produzierte gleich mit Anteilsmehrheit, um die Sicherung des Projektes zu gewährleisten. SUICIDE SQUAD sollte demnach den ersten Teil einer Trilogie bilden, wo die Hauptprotagonistin nun in der Fortsetzung mit den verletzten Gefühlen der Trennung vom Joker hinterher jammert. Dabei gliedert sich der Film selbst in drei Teile. Im Ersten verarbeitet Harley Quinn ihren Trennungsschmerz und führt durch ihren Alltag, in dem unentwegt ihre ehemaligen Opfer versuchen Rache zu nehmen. Auf diesem Weg lernt sie vier Frauen kennen, welche die Überleitung zum zweiten Akt bilden, welcher in Rückblenden die Werdegänge dieser Grazien erzählt. Bis sie sich für den letzten Abschnitt zusammen tun, um den sadistischen Unterweltboss Roman Sionis zur Strecke zu bringen. Comiclesern wird er auch als Black Mask bekannt sein.
Mit Autorin Christina Hodson und Cathy Yan im Regiestuhl ist die Speerspitze von starken und unabhängigen Frauen wenigstens für BIRDS OF PREY ziemlich weit vor gedrungen. Obwohl mit so gut wie keiner Erfahrung im Action-Genre, beweist Yan ein sehr beherztes Gespür für Dynamik und treibenden Rhythmus. Mit allen Finessen des modernen Kinos kommt die Handlung kaum zum Stillstand. Extreme Entschleunigung, Zeitraffer Szenenwechsel, reißende Schärfeverlagerungen, suggestive Kameraeinstellungen, freie Schnittfolgen, und die Tonspur überlagernde Musik. Der optische Effekt steht immer über dem Inhalt einer Szene. An der Stelle muss man großen Respekt an die Stunt-Leute aussprechen, die offensichtlich zu Höchstleistungen angetrieben wurden. Allerdings hat sich der Gimmick sehr schnell erschöpft, wenn in jeder Szenenfolge ein Mann in Zeitlupe Salto schlagend zu Boden geht. Und spätestens vierzig Minuten im Film wünscht man sich sehnlichst eine neue Choreographie. Und dann gibt es im Showdown eine Action-Einlage auf Rollschuhen, die noch vor ein paar Jahren eine echte Sensation gewesen wäre. Im Hier und Heute verpufft der Effekt durch die Möglichkeit von Computeranimation, womit sich der Stunt automatisch in Frage stellt.
So unterhaltsam und aufregend sich BIRDS OF PREY auch gibt und mit Tempo und rücksichtslosen Logikbrüchen sich seinem Konzept unterwirft, hat er doch eine gewaltige Schwachstelle. Und die ist der fragwürdige Charakter der titelgebenden Figur. Harley Quinn ist einfach nicht liebenswert, sie hat nichts Sympathisches. Unter starken und selbstbewussten Frauen stellt man sich einfach etwas anderes vor. Anarchie mag etwas befreiendes haben. Sich von allen Konventionen loszulösen ist sicherlich ein Traum vieler. Aber unentwegt auf Unbeteiligte und Unschuldige einzuschlagen, auf sie zu schießen, oder zu demütigen, ist eher fragwürdig als unterhaltend. Black Canary, The Huntress und Officer Montoya, die am Ende des Films als die ‚Raubvögel‘ im Titel hervorgehen, werden von einer nachvollziehbaren Motivation getrieben. Wer bei ihnen auf der Strecke bleibt, hat es in der Einfachheit der Prämisse auch unreflektiert verdient.
Ob der Charakter Harley Quinn nach der Comic-Vorlage gut oder schlecht getroffen ist, mögen die Comic-Leser und Kenner beurteilen. Für einen unbedarften Quereinsteiger ist sie befremdlich und unangenehm. Selbst auf das Nötigste reduzierte Geschichten sollten sich gewissen Regel und Codecs unterwerfen, weil nur so das anarchische Chaos einen befreienden Unterhaltungswert erreichen kann. Dabei hat der Film selbst in Stil und Umsetzung soviel zu geben. Da seien auch noch die verspielten und expressionistischen Kulissen erwähnt, die Anklänge an Tim Burtons Phantasien finden, welcher seine Vorbilder selbst in den Anfängen des deutschen Kinos sah. Margot Robbie hat diesen Film als den mittleren einer Trilogie bezeichnet. Der geneigte Zuschauer darf also gespannt sein. Ob es dem DC Extended Universe zugute kommt, am Ende sogar den lang erhofften Befreiungsschlag mit sich bringt, wird sich heraus stellen.
Darsteller: Robbie Margot, Mary Elizabeth Winstead, Rosie Perez, Jurnee Smollett-Bell, Ella Jay Basco, Ewan McGregor, Chris Messina u.a.
Regie: Cathy Yan
Drehbuch: Christina Hodson
Kamera: Matthew Libatique
Bidschnitt: Jay Cassidy, Evan Schiff
Musik: Daniel Pemberton
Produktionsdesign: K.K. Barrett
Großbritannien – USA / 2020
109 Minuten