Apple TV+: ON THE ROCKS

On The Rocks 1 - Coypright A24 - APPLE TV+ON THE ROCKS
– Bundesstart limited 01.10.2020
– APPLE TV+ 23.10.2020

„Er ist ein Mann. Es ist seine Natur. Er ist gezwungen zu kämpfen, zu dominieren, und alle Frauen zu befruchten.“ – Felix
So wie Felix denkt, denken alle Männer. Alle. Denkt Felix. Es hat kaum eine sexistischere Hauptrolle in einem massenkompatiblen Film gegeben, wie Bill Murrays Figur, dem ihn Sofia Coppola auf den Leib geschrieben hat. Aber es ist schwer auszumachen, was diesen Typ dennoch so… ja, liebenswert macht. Für die junge Coppola war es ganz klar, weil sie sonst nicht damit durchgekommen wäre. Felix ist Bill Murray. Doch trotz aller Stärken mit denen sich ON THE ROCKS erzählerisch behaupten kann, mutet es dennoch sehr eigenartig an, wie fokussiert hier Buch, Film, und Publikum auf einen Charakter sein kann.

Wer die Karriere von Sofia Coppola verfolgt hat, und welcher Kinoliebhaber und Cineast hat das nicht, den überrascht die ehrgeizige Filmemacherin nur mit ihren immer wieder konsequenten Charakteristika. Selbst in ihrem Regiedebüt VIRGIN SUICIDE hatte der kollektive Selbstmord der Mädchen eine versöhnliche Stimmung. Nicht das verständnislose Entsetzen herrschte vor, sondern eine gelassene Intimität. Ob die zweifache Mutter Laura in ON THE ROCKS nun von ihrem Gatten Dean betrogen wird, ist weniger spannend, als der Weg dorthin.

Wie das Ende zeigt, war Sofia Coppola am Ausgang der Geschichte auch weniger interessiert. Das passt gut zu ihren Attributen, ein notwendiges Übel auch als solches dem Beobachter zu präsentieren. Vierzehn Jahre und fünf Filme ist die Allgemeinheit immer noch bemüht die Regisseurin auf LOST IN TRANSLATION zu reduzieren. In ihrer Karriere war dieser ja nicht nur ein Kritiker- und Publikumsliebling, sondern ein finanzieller Ausreißer. Warum sollte sie von dieser Wertschätzung nicht profitieren, selbstverständlich nur rein hypothetisch, und in diesem Sinne ihren Erfolg versuchen zu wiederholen.

Es ist der Alltagstrott und eine daraus resultierende Schreibblockade, welche Laura in ihren täglichen Gedanken zur Welt und ihren persönlichen Empfindungen ein ebenso alltägliches Hirngespinst nährt. Könnte ihr Mann eine Affäre haben? Was Laura leicht abtun möchte, weckt spontan und vehement den Jagdtrieb des Lebemanns und Kunsthändlers Felix, ihrem Vater. Wenn wir als Beobachter das Leben von Laura kennenlernen, ihre Routinen, die harmlosen Auf und Nieder, hat der Film noch etwas authentisches. Er fühlt sich echt an, sogar vertraut. Coppola unterstreicht das mit vielen kleinen unaufdringlichen Momenten, die jeder nachfühlen kann.

Mit einer ehrlichen Gelassenheit zeigt sich Rashida Jones im besten Modus von Natürlichkeit und greifbarer Nähe. ON THE ROCKS ist an dieser Stelle keine Komödie, eher lockeres Alltagsabbild zum Schmunzeln.
Erst mit dem ersten Auftritt von Murray, der verhältnismäßig spät erfolgt, schaltet der Film zwei Gänge höher, verliert aber auch jede Authentizität. Nachvollziehbar sicherlich, aber handlungstechnisch nicht mehr realistisch. Aber die Erzählung besticht nicht durch die banale Handlung, sondern durch die kleinen unscheinbaren Momente und Intentionen, auf denen sie ruht.

On The Rocks 3 - Coypright A24 - APPLE TV+

Als Prädikat wäre man geneigt zu sagen, ON THE ROCKS wäre ein sanftes Drama mit leicht komödiantischen Einschlägen. Richtig lautstarke Lacher gibt es lediglich bei Felix‘ sexistischen Äußerungen, die man niemanden wirklich verzeihen würde. Nur bei Bill Murray gewinnen diese auf absonderliche Weise einen nicht nachvollziehbaren Grad an vermeintlicher Gültigkeit. Was selbstverständlich grotesk ist. Das macht aber nicht allein das stoisch gerade Spiel des Hauptdarstellers, sondern wie selbstverständlich und gelassen Laura damit umgeht. Hier scheint immer wieder die Regie von Coppola weit außen vor, die sehr präzise mit der Besetzung kalkuliert hat.

Aber unter dem Deckmantel der leichten Unterhaltung ist da noch etwas Tieferes, etwas wirklich Essenzielles. Selbst der absurde Begleiter, dass Felix in jedem Stadtteil, oder Restaurant, aber auch in anderen Ländern, immer vertraute Menschen trifft, hat eine weiter greifende Bedeutung. Felix hat viel weniger Interesse den Ehemann tatsächlich als Betrüger zu entlarven, als die Nähe zu seiner Tochter zu finden. Die Einzige, wie es der Handlungsverlauf nach und nach aufdeckt, vor der sich der Vater nicht verstellen muss, weil er es gar nicht könnte.

So bedarf es auch nicht ständiger Erklärungen für eigentümlich anmutende Verhaltensmuster. Wie das Pfeifen, das Vater und Tochter unentwegt üben. So etwas ist Teil ihres Lebens, Rituale die aus ihrer Verbindung zueinander entstanden sind. Wir Zuschauer werden es nicht in Erfahrung bringen, weil sie in persönlichen Bereichen manifestiert sind, wo wir keinen Zutritt haben sollen. Auch ein Punkt, der wie mit den anderen zusammen genommen, ON THE ROCKS nicht genauso gut wie Sofia Coppolas zweiten Film macht, aber er muss sich in keinem Moment dahinter verstecken.

„Ich erinner mich an den ersten Moment, der Moment, als ich dich das erste Mal als Person wahrgenommen habe. Wir waren auf dem Land. Du warst neun Monate alt, saßt auf dem Boden, und ich hab dich hoch gehoben. Deine Windel war durchtränkt von Schmutz und Wasser, und wir haben uns angesehen und zu lachen angefangen. Und da warst du. Ich sah wer du warst.“ – Felix

On The Rocks 2 - Coypright A24 - APPLE TV+

 

Darsteller: Rashida Jones, Bill Murray, Marlon Wayans, Jenny Slate, Jessica Henwick, Barbara Bain u.a.
Regie + Drehbuch: Sofia Coppola
Kamera: Philippe Le Sourd
Bildschnitt: Sarah Fleck
Musik: Phoenix
Produktionsdesign: Anne Ross
USA / 2020
96 Minuten

Bildrechte: A24 / APPLE TV+
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