3 ENGEL für CHARLIE

Charlies Angels 1, Copyright SONY PICTURES RELEASINGCHARLIE’S ANGELS – Bundesstart 02.01.2020

Elizabeth Banks macht in ihrer Version von 3 ENGEL FÜR CHARLIE ziemlich viel falsch. Nicht das der Film ein einziges Desaster wäre, auf keinen Fall. Aber einzelne Sequenzen, kurze Dialoge, Charakterzeichnungen, und besonders Reminiszenzen laufen immer wieder aus dem Ruder. Was sich dann im Verlauf des Filmes ansammelt, häuft sich zu einem ständig begleitenden bitteren Beigeschmack. Schon in den ersten zehn Minuten werden Figuren mit Rollenklischees belegt, die selbst in einem billigen 1980er Actionfilm unzeitgemäß waren. Überhebliche, selbstüberschätzte, gönnerhafte Männer die wehrlose, unschuldige Frauen korrumpieren, deren einzige Waffe ihr Geschlecht bleibt. Bei der einen weiß man schon mit dem ersten Bild, dass sie sich mit weit vorhersehbaren Finessen wehren wird. Die andere möchte man ob ihrer unterirdischen Naivität einfach nur ohrfeigen. Es ist kein guter Start für einen Film der soviel Potential hat, über den netten Zeitvertreib hinaus bestens zu unterhalten.

Als Produzentin, Autorin, Regisseurin und gleichbedeutendes Ensemblemitglied hat sich Elizabeth Banks einiges aufgeladen. Und anstatt Ballast abzuwerfen, hat sie ihre Fracht Stück für Stück ins Ziel gebracht. Das soll heißen, dass viele Elemente im Konzept einfach nicht harmonisieren, oder stimmig sind. Banks wollte kein Reboot, Remake, oder Neuinterpretation, sondern eine Weiterführung der eigentlichen Marke, was die Original-Serie und die zwei Filme von McG einschließt. Da ist dann unvermittelt eine Bildkollage zu sehen, mit dem neuen Bosley, auffallend schlecht inmitten der Engel von 1976 bis 2003 ge’photoshopped‘. Für ein junges Publikum vollkommen irrelevant und nichtssagend, für den Zuschauer erster Stunde eine Peinlichkeit. Das Titelthema von Jack Elliott & Allyn Ferguson, für 2000 von Apollo 440 meisterlich zeitgemäß neuinterpretiert, klingt in dieser Fassung nur kurz und leicht verspielt an. Die Melodie untermalt einen Schwenk durch einen Garderobe voller Glitzerklamotten und extravaganten Kleidern. Eine Assoziation für die ursprüngliche Serie, wie sie eigentlich nicht unangebrachter sein könnte. Zeichnete sich das Frauenbild damals als sehr emanzipiert und befreit von weiblichen Stereotypen. Es sei denn für den Auftrag war es von Vorteil.

Die Engel von 2019 sind entweder unterwürfige Figuren, oder scheinen sich immer und immer wieder beweisen zu müssen. Banks inszeniert Kristen Stewart und mehr sogar Ella Balinska als überhöhten Gegenentwurf zur bösartigen Männerwelt. Da sind dann schon immer wieder Stunts umgesetzt, die keineswegs zweckdienlich sind, sondern ins Publikum schreien, dass die Mädels nicht nur cool, sondern auch physisch an erster Stelle stehen. Es könnte wirklich Spaß machen, wäre es nicht so aufdringlich inszeniert. In McG überbordenden Umsetzung waren diese Übertreibungen das eigentliche Konzept. Hier ist es aufgesetzt. Was immer die Engel tun, machen sie perfekt geschminkt, und immer in den denkwürdigsten Posen. Aber grundsätzlich gibt sich der Film viel zu bodenständig, als dass er diese Überzeichnungen auch selbstironisch genug verwenden könnte.

Es sind tatsächlich immer nur Kleinigkeiten, über die man hinwegsehen könnte, schließlich will man sich auch sinnbefreit unterhalten wissen. Doch über eines kann man nicht hinwegsehen, und das ist der grandios missratene Schnitt. Ganz offensichtlich entpuppt sich alles schnell als Konzept, was sich Alan Baumgarten und Mary Jo Markey allerdings dabei gedacht haben, wird ein rätselhaftes Ärgernis bleiben. Gerade die Action-Szenen, aufregend choreografiert und aufwendig inszeniert, verpuffen in Schnittfolgen die jeder Beschreibung spotten. Fast nur Jump-Cuts und keinerlei Fluss in den Abfolgen. Man gewinnt den Eindruck, und wird auch im weiteren Verlauf keines besseren belehrt, dass jede Einstellung für sich, ohne Übergang und Anschluss gedreht, und das Ganze einfach unmotiviert zusammengehängt wurde. Da sprintet Kristen Stewart über den Rasen und sitzt im nächsten Bild unvermittelt auf einem Pferderücken, der vorher noch nicht zu sehen war. Oder Ella Balinska rutscht ein Förderband hinunter und hängt auf einmal einhändig an der Stahlkonstruktion besagten Bandes. Und CHARLIEs ANGELS ist reich an solch aufregend gedachten Action-Sequenzen. Dieses optische Dilemma und die ernüchternde Spannungslosigkeit zieht sich also durch den gesamten Film. Dabei hat Ella Balinska noch darauf bestanden ihre Stunts selbst zu machen, dumm nur, wenn es im Schnitt so aussieht, als wäre sie sich für wirklichen körperlichen Einsatz zu schade gewesen.

Charlies Angels 4,  Copyright SONY PICTURES RELEASINGAls strahlender Lichtblick bleiben Kristen Stewart und Patrick Stewart. Mit Sabina hat Stewart den dankbarsten und originellsten Charakter. Da kommen Einzeiler und respektlose Dialog am laufenden Band. Mit ihrer quirligen und rastlosen Art schafft es Stewart einen echten und ehrlichen Charakter zu zeigen. Das hätte schnell ins alberne abrutschen können und aufgesetzt cool verstanden werden, wäre da nicht der grob fahrlässig unterschätzten Schauspielerin ihr charismatischen Wesen, das jeder Überspitzung auf ein glaubwürdigen Maß herunter bricht.  Anders ist es bei Patrick Stewart als Charlies Stellvertreter Bosley, der immer mit einem verschmitzten Lächeln und einer ungewöhnlich lockeren Attitüde auftritt, bei der eine sehr schüchterne Art mitschwingt. Leider gönnt ihm Drehbuch und Regie nicht diesen Charakter in diese Richtung weiter auszubauen, sondern er zerfällt letztendlich auch in ein abgetragenes Rollenklischee ohne besonderen Reiz.

Das Elizabeth Bank vornehmlich an einem jungen Publikum interessiert ist, merkt man aber auch an der eintönigen und uninspirierten Musikauswahl eingängiger Pop und R&B Stücke. Auch wenn es sich allein schon aus seiner Prämisse heraus nicht vermeiden lässt, verzichtet CHARLIEs ANGELS merklich bewusst auf selbstreflektierenden Humor und der Überzeichnung angemessenen Ironie. Da wird der Gastauftritt eines Erzengels am Ende zu einem unschönen Schlag ins Gesicht, aber eben auch nur für gealterte Fans. Irrelevant für das Zielpublikum. Dabei hatte 3 ENGEL FÜR CHARLIE durchaus alle Zutaten und Möglichkeiten, um einen uneingeschränkten Spaßfaktor auf die Leinwand zu bringen. Man kann es sehen, auch ein wenig spüren, und was man an Schauwerten bekommt nimmt man nur allzu gerne an. Wenn nur nicht so viel ablenkende Details wären.

Charlies Angels 5,  Copyright SONY PICTURES RELEASING

Darsteller: Kristen Stewart, Naomi Scott, Ella Balinska, Elizabeth Banks, Patrick Stewart, Djimon Hounsou, Sam Claflin, Jonathan Tucker u.a.
Regie & Drehbuch: Elizabeth Banks
nach einer Story von Evan Spiliotopoulos & David Auburn
Kamera: Bill Pope
Bildschnitt: Alan Baumgarten, Mary Jo Markey
Musik: Brian Tyler
Produktionsdesign: Aaron Haye
USA / 2019
118 Minuten

Bildrechte: SONY PICTURES RELEASING
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Kino gesehen abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar