WILD ROSE – Bundesstart 12.12.2019
Ein Jahr lang hat Rose-Lynn Harlan gesessen. Wegen des Versuchs Drogen in den Knast zu bringen. Da muss man sagen, dass man mit soviel Dummheit so eine Strafe erst recht verdient hat. Aber die 23-Jährige kommt nicht geläutert aus dem Gefängnis. Frech, respektlos, unverantwortlich, aber dynamisch, träumt sie ihren Traum als Country-Sängerin in Nashville Karriere zu machen. Auch wenn zwei vaterlose Kinder zuhause warten, um die sich Rose-Lynns Mutter Marion in der Zwischenzeit gekümmert hat. So schlängelt sich Nicole Taylors Drehbuch durch die Höhen und Tiefen einer altbekannten Geschichte, die selbst Gelegenheitskinogänger mühelos nebenher aufsagen können. Genau diese abgenutzten Versatzstück versucht sich WILD ROSE eigen zu machen.
Schon von den ersten Minuten an wird niemand daran zweifeln, dass Rose-Lynn am Ende auf der Bühne der ‚Grand Ole Opry‘ in Nashville stehen und singen wird. Und ist schon der erste Punkt, der den bekannten Handlungsablauf gegen den Strich bürstet. Rose-Lynn ist aus Glasgow, bekanntlich in Schottland, und man würde sie unter der Definition von ‚White Trash‘ einordnen. Eigentlich wie geschaffen, für die typische Erfolgsgeschichte des weit gefallenen Underdog. Aber da will Regisseur Tom Harper dann doch mehr gegen die Klischees inszenieren, als die Story hergibt. Dabei verfängt er sich in einer sich wiederholenden Erzählstruktur, welche die Dramaturgie auf der Stelle treten lässt.
Das so ein Film überhaupt in irgendeiner Form funktionieren kann, liegt natürlich an den Darstellern. In diesem Fall auf Jessie Buckley konzentriert. Zum einen spielt Buckley verdammt gut, sie ist authentisch. Ihre Verletzlichkeit schwingt immer mit. Selbst mit ihren Energie geladenen Ausbrüchen in den Musikstücken, oder wenn sie ihr eigenes Unvermögen als Schuld der anderen kommentiert. Ihr strotzendes Selbstbewusstsein ist eine schwer aufrecht zu erhaltende Mauer für ihre eigentliche Unsicherheit. Und zum anderen kann Jessie Buckley einfach verdammt gut singen und die für sie geschriebenen Lieder tatsächlich zu ihren eigenen machen. Soweit man das als nicht Fachmann bewerten kann. Gegen das einnehmende Charisma von Buckley kommt lediglich Julie Walters als ihre Mutter an, die sich allein durch ihre Präsenz schon behauptet, und selbst in dramaturgisch wichtigen Szenen ohne Dialoge auskommt. Da hat es Sophie Okonedo als Rose-Lynns Mentorin Susannah nicht so einfach, die neben der Hauptdarstellerin immer verloren wirkt und in keiner Szene die wenigstens einmal erforderliche Oberhand gewinnt
Je mehr man über die Schwächen der Geschichte hinwegsehen möchte, desto auffälliger wird ein eminentes Manko in WILD ROSE, und das ist der Charakter von Rose-Lynn. Sie ist keine liebenswerte Person, sie erweckt als Mensch jenseits der Musik keine Sympathien. Konsequenterweise verstärkt sich das natürlich durch Buckley intensives Spiel. Der Zuschauer findet keinen Zugang zu ihr, in manchen Szenen wirkt sie sogar etwas abstoßend. Das Buch hat schlichtweg vergessen, dem Charakter einen sich wandelnden Werdegang zu geben. Regisseur Harper bringt drei magische Momente mit Rose-Lynn auf die Leinwand, die wirklich für die Figur sprechen, und in denen man gewillt ist an den Charakter zu glauben. Aber als Mutter, sowie als Tochter versagt sie. In nur einer Szene wird der Eindruck erweckt, dass Rose-Lynn ihre Leben in den Griff bekommen möchte. Doch dieser Moment verflüchtigt sich wieder sehr schnell, und sie bleibt sich eben wieder selbst am nächsten. Als Zuschauer eine Verbindung zu dieser Figur aufzubauen fällt sehr schwer. Als Elternteil könnte es sogar noch schwieriger werden.
Aber angelegt als gut gemeinter und in weiten Strecken auch passabel inszenierter Feel-Good-Film, funktioniert WILD ROSE schon mit gehobenen Unterhaltungswert. In bester Erinnerung dürfte die Musiknummer bei der Hausarbeit zu Hank Snows ‚I’m Moving On‘ bleiben. Zudem ist es eine Wohltat, dass die Musikauswahl an Country-Songs altbekannte oder gängige Lieder vermeidet. So wird der Grundtenor noch verstärkt, sich in diesem Film nicht mit maßen tauglicher, sondern bodenständiger, ehrlicher Countrymusik auseinander zu setzen. Gegen Ende wird Rose-Lynn den Weg von Glasgow nach Nashville gegangen sein, und auf der Bühne der Grand Ole Opry stehen. Ja, ja, Spoiler. Aber das ist noch nicht das Ende des Films, und das muss man den Machern hoch anrechnen.
Darsteller: Jessie Buckley, Julie Walters, Craig Parkinson, Sophie Okonedo u.a.
Regie: Tom Harper
Drehbuch: Nicole Taylor
Kamera: George Steel
Bildschnitt: Mark Eckersley
Musik: Jack Arnold
Produktionsdesign: Lucy Spink
Großbritannien / 2018
101 Minuten