VICE – Der Zweite Mann

Vice-1, Copyright Annapurna PicturesVICE – Bundesstart 21.02.2019

Hinter jedem starken Mann, steht eine starke Frau. Für Richard Bruce Cheney ist es die gleichaltrige Lynne Vincent. Sie heirateten mit 23 Jahren, und es wurde eine Ehe mit fast schon manischer Hingabe. Lynne wusste immer was ihr Mann in seiner Karriere wollte. Sobald er zögerte, ins straucheln kam, oder auch einmal die Blickrichtung verlor, da war Lynne und stellte ihm die Spur neu ein. Für die Öffentlichkeit war Dick Cheney der Unscheinbare, einer der besser agieren konnte, wenn er nicht so sehr Aufsehen erregte. Innerhalb von Regierungskreisen, da blieb Lynne die Unscheinbare, eine die nicht auffallen wollte, um ebenfalls besser und freier agieren zu können. Mit VICE hat sich Regisseur und Autor Adam McKay dieser zweifelhaften Figur der amerikanischen Politik angenommen. Eine Politik, die weltweite Konsequenzen mit sich brachte. Und betrachtet man allein die Regie-Vita von McKay, hat es schon etwas Selbstverständliches, das er genau der Richtige für diese Biografie ist, die sich gleichzeitig als Krimi, Drama und Komödie vorstellt.

McKay hat mit seinem Drehbuch viele Risiken auf sich genommen, und weiß diese selbstständig zu umgehen, in dem er jedwede Kritik erst gar nicht an seine Interpretation des Lebenslaufes von Dick Cheney kommen lässt. Da sind zum einen die Fakten, auf welche sich McKay durch Cheneys eigene Biografie berufen kann. Dann ist da der Anspruch auf Satire. Und Präsident Trump erfährt gerade selbst, wie weit man ins Hintertreffen kommt, wenn man sich mit Satirikern anlegt, speziell SATURDAY NIGHT LIVE.

An nur wenigen Punkten weicht die Handlung von ihrer geradlinigen Erzählung ab. Man könnte dies als herkömmlich bezeichnen, oberflächlich betrachtet sogar als einfallslos. Sind doch gute Biografien heute darauf ausgelegt, sich der Figur durch nur ein prägnantes Ereignis in ihrem Leben anzunähern. Aber die Komplexität von Cheneys Aufstieg und Schaffens würde der Person nicht gerechnet, die ihn am Ende als einer der unbeliebtesten Politiker in Amerika auszeichnete. Sein Spitzname im Kongress war „Darth Vader“, und das ein Käfer nach Cheney benannt wurde, hatte auch wenig mit Respekt oder Wertschätzung zu tun.

Adam McKays Drehbuch und seine Umsetzung überraschen mit außergewöhnlichen Schnitten, die Hank Corwin kongenial umgesetzt hat. Dazu gehören auch die sehr ungewohnten Abkürzungen jedes Lebensabschnittes welche Cheneys Karriere nachvollziehen. Und Abkürzung ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen. Sobald sich eine Szene dem Zuschauer erklärt hat, wechselt die Handlung mit sanfter Abblende oder hartem Schnitt in das nächste Kapitel. So behält McKay den Zuschauer bei der Geschichte. Selten hat man während eines Films ständig das Gefühl, das man genau von dieser Situation gerne mehr gesehen hätte. Doch da hat das Publikum diesen Mann auf der Leinwand längst durchschaut und weit genug kennengelernt, als das man auf nur ermüdende Dialoge setzen müsste. Eine ungewohnte Entscheidung, noch dazu eine etwas riskante, war es dennoch. Bleibt aber letzten Endes eines der besten künstlerischen Herangehensweisen in VICE.

Erzählt wird uns der Lebenslauf von Dick Cheney von Kurt, ein Jedermann aus der unteren Mittelschicht. Und das Kurt nicht einfach nur Erzähler ist, wird schnell klar. Und so glaubt man mit jeder neuen Eingabe und Entscheidung, die der Politiker auf den Weg bringt, auch das Schicksal von Kurt zu erahnen. Immer wieder scheint es so naheliegend, und doch lässt McKay den Zuschauer nicht von der Hand. Bis zur großen Überraschung. Kurt wird zum Gegenpol der Allmachtsphantasien, nicht nur von Cheney, sondern aller Politiker. Er ist dieser Mann aus dem Vorort, der letztendlich nur das Beste für seine Familie möchte, auf dessen Leben allerdings alles abgewälzt wird, was in Washington Beschluss gefasst hat.

Sieht man auf die Leinwand und dann auf alle die Namen der Künstler, die Makup und Perücken schufen, dann wundert die immense Vielzahl von Beteiligten kein bisschen. Schauspieler wie Carrell, Rockwell, Perry, oder Bill Camp als Gerald Ford, sind kaum wieder zu erkennen. Nur bei Christian Bale kommt leider immer noch zu viel Bale durch das Makeup. Soll nicht heißen, dass man die anderen Darsteller bis zu Unkenntlichkeit zugekleistert hätte. Die Masken setzen lediglich wenige, dafür die richtigen Akzente. Sam Rockwell als W. Bush kommt seinem Ebenbild dabei so erschreckend nahe, wie kein anderer aus dem Ensemble. Umso ärgerlicher ist es, dass ausgerechnet Bale immer wieder gegen sich selbst anspielen muss. Was trotz allem seiner Fähigkeit als Charakter-Darsteller keinen Abbruch tut.

VICE ist eigentlich ein filmisches Gesamtkunstwerk, in dem sich alles ineinander fügt, ohne das ein Gewerke sich dem anderen unterstellen muss. Fantastische Darsteller, die aus dem wahren Leben gegriffen scheinen. Ein erstklassiges Erzähltempo, das sich nur an wirklich wichtigen Punkten der Geschichte ein wenig mehr Zeit lässt. Erstklassige Makeup- und Maskenkunst, die in jeder Hinsicht überzeugt, ja, trotz allem auch bei Christian Bale.

Gleichzeitig ist VICE aber auch ein Film, der nicht jedermanns Geschmack treffen wird. Es ist ein zutiefst amerikanisches Thema, selbst wenn Cheneys Verantwortungen und Entscheidungen sich noch immer auf globaler Ebene auswirken. Der Europäer hat eben ein anderes Verständnis von Demokratie und differenziertere Ansichten über politische Handhabungen. Es wird immer die Frage im Raum stehen, was jenseits des Atlantik die Entscheidungsträger von den unseren wirklich unterscheidet. Man könnte zumindest argumentieren, das amerikanische Filmemacher wesentlich geschickter und kompromissloser mit solchen speziellen Themen umzugehen wissen. Und einen guten Film, kann man sich doch auch einfach Mal gönnen.

Vice-2, Copyright  Universum Film (UFA)

Darsteller: Christian Bale, Amy Adams, Steve Carrell, Sam Rockwell, Eddie Marsan, Tyler Perry und Jesse Plemons u.a.
Regie, Drehbuch: Adam McKay
Kamera: Greig Fraser
Bildschnitt: Hank Corwin
Musik: Nicholas Britell
Makeup: Gina Bateman, Jamie Kelman, Kenny Myers, Adrien Morot, Ann Pale u.a.
Perücken, Haar-Stilisten: Justin Stafford, Karen Asano-Myers, Stacy Butterworth, Alyson Black-Barrie u.a
Prostethisches Makeup: Greg Cannom, Brian Wade
Produktionsdesign: Patrice Vermette
USA / 2018
132 Minuten

Bildrechte: Annapurna Pictures, Universum Film (UFA)

Hinter jedem starken Mann, steht eine starke Frau. Für Richard Bruce Cheney ist es die gleichaltrige Lynne Vincent. Sie heirateten mit 23 Jahren, und es wurde eine Ehe mit fast schon manischer Hingabe. Lynne wusste immer was ihr Mann in seiner Karriere wollte. Sobald er zögerte, ins straucheln kam, oder auch einmal die Blickrichtung verlor, da war Lynne und stellte ihm die Spur neu ein. Für die Öffentlichkeit war Dick Cheney der Unscheinbare, einer der besser agieren konnte, wenn er nicht so sehr Aufsehen erregte. Innerhalb von Regierungskreisen, da blieb Lynne die Unscheinbare, eine die nicht auffallen wollte, um ebenfalls besser und freier agieren zu können. Mit VICE hat sich Regisseur und Autor Adam McKay dieser zweifelhaften Figur der amerikanischen Politik angenommen. Eine Politik, die weltweite Konsequenzen mit sich brachte. Und betrachtet man allein die Regie-Vita von McKay, hat es schon etwas Selbstverständliches, das er genau der Richtige für diese Biografie ist, die sich gleichzeitig als Krimi, Drama und Komödie vorstellt.

 

McKay hat mit seinem Drehbuch viele Risiken auf sich genommen, und weiß diese selbstständig zu umgehen, in dem er jedwede Kritik erst gar nicht an seine Interpretation des Lebenslaufes von Dick Cheney kommen lässt. Da sind zum einen die Fakten, auf welche sich McKay durch Cheneys eigene Biografie berufen kann. Dann ist da der Anspruch auf Satire. Und Präsident Trump erfährt gerade selbst, wie weit man ins Hintertreffen kommt, wenn man sich mit Satirikern anlegt, speziell SATURDAY NIGHT LIVE.

 

An nur wenigen Punkten weicht die Handlung von ihrer geradlinigen Erzählung ab. Man könnte dies als herkömmlich bezeichnen, oberflächlich betrachtet sogar als einfallslos. Sind doch gute Biografien heute darauf ausgelegt, sich der Figur durch nur ein prägnantes Ereignis in ihrem Leben anzunähern. Aber die Komplexität von Cheneys Aufstieg und Schaffens würde der Person nicht gerechnet, die ihn am Ende als einer der unbeliebtesten Politiker in Amerika auszeichnete. Sein Spitzname im Kongress war „Darth Vader“, und das ein Käfer nach Cheney benannt wurde, hatte auch wenig mit Respekt oder Wertschätzung zu tun.

 

Adam McKays Drehbuch und seine Umsetzung überraschen mit außergewöhnlichen Schnitten, die Hank Corwin kongenial umgesetzt hat. Dazu gehören auch die sehr ungewohnten Abkürzungen jedes Lebensabschnittes welche Cheneys Karriere nachvollziehen. Und Abkürzung ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen. Sobald sich eine Szene dem Zuschauer erklärt hat, wechselt die Handlung mit sanfter Abblende oder hartem Schnitt in das nächste Kapitel. So behält McKay den Zuschauer bei der Geschichte. Selten hat man während eines Films ständig das Gefühl, das man genau von dieser Situation gerne mehr gesehen hätte. Doch da hat das Publikum diesen Mann auf der Leinwand längst durchschaut und weit genug kennengelernt, als das man auf nur ermüdende Dialoge setzen müsste. Eine ungewohnte Entscheidung, noch dazu eine etwas riskante, war es dennoch. Bleibt aber letzten Endes eines der besten künstlerischen Herangehensweisen in VICE.

 

Erzählt wird uns der Lebenslauf von Dick Cheney von Kurt, ein Jedermann aus der unteren Mittelschicht. Und das Kurt nicht einfach nur Erzähler ist, wird schnell klar. Und so glaubt man mit jeder neuen Eingabe und Entscheidung, die der Politiker auf den Weg bringt, auch das Schicksal von Kurt zu erahnen. Immer wieder scheint es so naheliegend, und doch lässt McKay den Zuschauer nicht von der Hand. Bis zur großen Überraschung. Kurt wird zum Gegenpol der Allmachtsphantasien, nicht nur von Cheney, sondern aller Politiker. Er ist dieser Mann aus dem Vorort, der letztendlich nur das Beste für seine Familie möchte, auf dessen Leben allerdings alles abgewälzt wird, was in Washington Beschluss gefasst hat.

 

Sieht man auf die Leinwand und dann auf alle die Namen der Künstler, die Makup und Perücken schufen, dann wundert die immense Vielzahl von Beteiligten kein bisschen. Schauspieler wie Carrell, Rockwell, Perry, oder Bill Camp als Gerald Ford, sind kaum wieder zu erkennen. Nur bei Christian Bale kommt leider immer noch zu viel Bale durch das Makeup. Soll nicht heißen, dass man die anderen Darsteller bis zu Unkenntlichkeit zugekleistert hätte. Die Masken setzen lediglich wenige, dafür die richtigen Akzente. Sam Rockwell als W. Bush kommt seinem Ebenbild dabei so erschreckend nahe, wie kein anderer aus dem Ensemble. Umso ärgerlicher ist es, dass ausgerechnet Bale immer wieder gegen sich selbst anspielen muss. Was trotz allem seiner Fähigkeit als Charakter-Darsteller keinen Abbruch tut.

 

VICE ist eigentlich ein filmisches Gesamtkunstwerk, in dem sich alles ineinander fügt, ohne das ein Gewerke sich dem anderen unterstellen muss. Fantastische Darsteller, die aus dem wahren Leben gegriffen scheinen. Ein erstklassiges Erzähltempo, das sich nur an wirklich wichtigen Punkten der Geschichte ein wenig mehr Zeit lässt. Erstklassige Makeup- und Maskenkunst, die in jeder Hinsicht überzeugt, ja, trotz allem auch bei Christian Bale.

 

Gleichzeitig ist VICE aber auch ein Film, der nicht jedermanns Geschmack treffen wird. Es ist ein zutiefst amerikanisches Thema, selbst wenn Cheneys Verantwortungen und Entscheidungen sich noch immer auf globaler Ebene auswirken. Der Europäer hat eben ein anderes Verständnis von Demokratie und differenziertere Ansichten über politische Handhabungen. Es wird immer die Frage im Raum stehen, was jenseits des Atlantik die Entscheidungsträger von den unseren wirklich unterscheidet. Man könnte zumindest argumentieren, das amerikanische Filmemacher wesentlich geschickter und kompromissloser mit solchen speziellen Themen umzugehen wissen. Und einen guten Film, kann man sich doch auch einfach Mal gönnen.

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