THE DEAD DON’T DIE – Bundesstart 13.06.2019
Es ist eher selten, aber dafür überraschender, dass ein Zombie-Film das Filmfestival von Cannes eröffnet. Das Regisseur und Autor Jim Jarmusch Macher dieses Eröffnungsfilmes ist, wirft dann schon wieder ein anderes Licht auf die Umstände. Fünfzehn mal war Jarmusch für diverse Preise in Cannes nominiert, bei fünf Gewinnen in verschiedenen Kategorien. Er ist also kein unbekannter, dafür gerne gesehener Gast in Frankreich. Und das mit einem Zombie-Film, wo sich in dem beschaulichen Städtchen Centerville die Toten aus den Gräber erheben, auf der Suche nach warmen, lebendigen Fleisch. Chief Robertson und Officer Peterson stehen dabei etwas überfordert in der Gegend herum, und versuchen mit den noch Überlebenden von Centerville in aller Ruhe die Lage zu sondieren. Die Erdachse hat sich verschoben, und etwas schreckliches wird deswegen geschehen. Doch wie soll man mit so etwas umgehen, was man nur aus Filmen kennt.
Wenn Jim Jarmusch eine Komödie macht, dann birgt sie sehr viel Melancholie. Wenn Jim Jarmusch ein Drama inszeniert, dann ist das meist sehr komisch. Aber es ist immer das Absurde, das mit der jeweiligen Geschichte einhergeht. Nicht das Überzeichnete, oder nicht nachvollziehbare in der Absurdität, sondern die Natürlichkeit und das Selbstverständliche welches sich immer damit einbindet. Und so verhalten sich auch die Figuren in THE DEAD DON’T DIE. Es ist nicht der Umstand, dass die Untoten sich erheben, damit kommt man klar. Nur wie man damit umgehen soll ist eine Herausforderung. Das wird mit Sicherheit ein sehr böses Ende nehmen. Ein Satz den Officer Peterson nicht oft genug sagen kann, und auch sagen wird. Stets sehr besonnen und gedanklich Erklärungen hinterher hinkend.
THE DEAD DON’T DIE ist definitiv eine Komödie, aber sie birgt keine Melancholie. Er ist auch absolut ein Drama, aber überhaupt nicht komisch. Wie ein unüberlegter Schnellschuss, nur um einen Grund dafür zu haben, nach Cannes zu fahren. Den Film hindurch fragt nach und nach jeder Charakter einmal, ob es ein wildes Tier war, oder ein paar wilde Tiere. Das hat schon diesen herrlich sonderbaren Charme, aber das ist bei weitem nicht genug. Selbst Bill Murray, der kaum etwas falsch machen kann, verhungert mit seinen Einzeilern auf halber Strecke. Und das ist schon schwer zu verdauen. Der reine Horrorfilm hat schon alles an Zombie-Varianten gebracht, und die Zombie-Komödien keinen Witz unversucht gelassen. Jarmusch probiert es mit einer Eigenkreation, seine Untoten reden. Aber nur ein Wort. Der eine sagt Kaffee, die andere gurrt etwas von Chardonnay, was der jeweilige Ghoul eben am meisten im Tote vermisst. Wenn die Stadt überrannt, besser gesagt überstolpert wird, hört man Worte wie Facebook, Akku-Stand, oder Empfang. Natürlich hat das etwas an Alleinstellungsmerkmal. Sieht man allerdings, wie schnell auch dieser gut gemeinte Gag verpufft, wird klar, wie weit Jim Jarmusch an seinen durchaus vorhandenen Möglichkeiten vorbei geschrieben und inszeniert hat.
Wer so ein Ensemble zusammen stellen kann, der hat es im Filmgeschäft weit gebracht. Und das die meisten bereits vorher mit Jarmusch gearbeitet haben, spricht nur für ihn. Wie er allerdings damit umgeht ist schwindelerregend. Es sind allesamt Gastauftritte, die als Warmfutter für die Zombies dienen, ohne allerdings das Geringste zur Entwicklung der Geschichte beizusteuern. Selbstverständlich sind sie der Beitrag für das gar nicht so grausame Grauen, aber nur um abzuhaken, wer hier wem die Klinke in die Hand drückt. Das ist wahrlich Verschwendung. Wenn der Rassist im Dinner neben dem Schwarzen sitzt, und beide über das Leben lamentieren, dann ist das ein grandioser Ansatz für das typische Jim Jarmusch Momentum, verläuft aber umgehend ins Nichts. Aber vielleicht war die Absicht der Star-Parade auch eine große Metapher auf das Event-Kino, aus welchem sich die großen Studio noch nicht befreien mögen. Kann man durchaus so interpretieren, und wäre auch ein zufriedenstellender Lichtblick.
Es ist erstaunlich, wie wenig im Verlauf passiert und sich weiter bewegt. Erst in der neunzigsten Minute überrascht der Filmemacher mit einer Wendung, die einer erlösenden Ohrfeige gleicht, und der Zuschauer sich geneigt fühlt, triumphierend die Hände zur Leinwand zu heben. Doch genau in diesen letzten acht Minuten dreht sich der Film noch zwei weitere Male. Und sein letztes, „das wird mit Sicherheit ein sehr böses Ende nehmen“, muss Officer Ronnie Peterson schließlich revidieren. Denkt er zumindest. Aber wer will schon vorgreifen, bei so vielen Menschen, welche sich einem Jim Jarmusch schon immer verschrieben haben. In der Hoffnung, dass es für sie nicht ein sehr böses Ende nehmen wird. Also, nur auf diesen Film bezogen.
Darsteller: Bill Murray, Adam Driver, Tilda Swinton, RZA, Danny Clover, Steve Buscemi, Caleb Landry Jones u.v.a.
Regie & Drehbuch: Jim Jarmusch
Kamera: Frederick Elmes
Bildschnitt: Affonso Goncalves
Produktionsdesign: Alex DiGerlando
USA – Schweden / 2019
105 Minuten