SPIDER-MAN: Far From Home

Spider-Man FFH 1, Copyright SONY PICTURES RELEASINGSPIDER-MAN Far From Home
– Bundesstart 04.07.2019

Sony tat gut daran, die Rechte an SPIDER-MAN etwas aufzuweichen. Das ließ das Studio nicht dumm aussehen, sondern machte es dadurch sogar zum Sympathieträger. Denn Fans und Kritiker warfen Sony zuerst wegen des ersten Reboots, schließlich auch bezogen auf die Qualität der AMAZING SPIDER-MANs vor, weder einer Comic-Verfilmung und insbesondere dem Charakter nicht gerecht werden zu können. Ein zweiter, bereits angedachter Reboot wäre in seiner Akzeptanz zum schlachtfest geworden. Sam Raimis drei Filme hatten im Schnitt weltweit jeweils 800 Millionen Dollar eingespielt. Die zwei Nachfolger jeweils 730 Millionen Dollar. Gutes Geschäft, Inflationsbereinigt allerdings eine Katastrophe.

 Mit nicht erfüllten Erwartungen geht kaum ein Studio an die Öffentlichkeit. Zahlen dürfen nur nach oben gehen, absurdeste Tageskonstellationen werden dafür hergezogen. Bestes Startwochenende für einen Film wo Weihnachten und Ostern sich am nächsten stehen. So gesehen war SPIDER-MAN: HOMECOMING finanziell nicht besser gestellt als AMAZING SPIDER-MAN 2, aber dafür in geschäftsträchtigere Gesellschaft eingebunden. Selbst wenn es sich dabei tatsächlich um ein zweites Reboot innerhalb von nur zehn Jahren handelte. Im Elfenbeinturm von Sony hatte man erkannt, das einem die Rechte allein an der Spinne nicht sehr weit bringen, besonders wo die Marvel-Studios derart überwältigend durchgestartet waren. Mit trickreichen Verträgen wahrte Sony das Gesicht. Und Spider-Man war endlich da, wo er hingehörte.

Die Welt hat noch immer mit den Nachwehen des sogenannten Blip zu tun. Thanos ließ die Hälfte aller Lebewesen verschwinden. Iron-Man holte sie fünf Jahre später zurück, in einem Zustand, als wäre nicht ein Tag vergangen. Die Superhelden haben sich zurück gezogen, und auch Spider-Man Peter Parker freut sich auf ein paar Tage Entspannung, während eines Schulausfluges nach Europa. Doch er ist der einzige noch erreichbare Avenger, und das Böse schläft bekanntlich nie. Die Ausgangssituation ist eine Verkettung von glücklichen Umständen, wie sie sich nur ein Drehbuchautor ausdenken kann. Tatsächlich ist die Exposition das beste Element bei FAR FROM HOME, welches funktioniert, überzeugt und wirklich Freude bereitet. Denn so richtig erwachsen ist unsere freundliche Spinne aus der Nachbarschaft noch nicht, und kämpft gegen schulinterne Widersacher und mit der großen Liebe.

Hier kommen die jungen Darsteller besonders gut zur Geltung, und agieren erfrischend losgelöst und stets mit einem Augenzwinkern. Tom Holland besteht seine Reifeprüfung neben Zandaya, Angourie Rice, und natürlich dem hervorragenden Jacob Batalon mit Bravour. Ihre Interaktionen sind auf den Punkt, und vergeuden auch keine Zeit mit irgendwelchen „Achtung, hier kommt ein Witz“ Einleitungen. Was man als Vorhersehbar bezeichnen könnte, wird durch das überzeugende Spiel und die straffe Inszenierung zu einer herrlichen Abfolge von hintergründigem Witz, bis hin zu krachenden Einzeilern. Dabei kommen die Gefühle nicht zu kurz, das junge Publikum erlebt es gerade und die Älteren erinnern sich garantiert noch an diese Zeit. FAR FROM HOME könnte die perfekte High-School-Komödie sein, gerade auch mit einem Superhelden im Hintergrund. Doch dieser Superheld drängt sich mehr und mehr in den Vordergrund, um seine Pflicht und Schuldigkeit zu erfüllen.

Spider-Man FFH 2, Copyright SONY PICTURES RELEASINGErschreckend absehbar entwickelt sich der Film. Es kracht und donnert an allen Ecken und Enden. Selbst die verwöhntesten Augen und Ohren werden nicht enttäuscht. So weit hat sich die Filmwelt schon entwickelt, dass man so etwas als Selbstverständlichkeit erwartet und dann auch unreflektiert hinnimmt. Doch je mehr sich FAR FROM HOME in optische Extravaganzen verstrickt, desto mehr verliert der Film an Charme. Besonders originell ist die Prämisse an sich schon nicht. Überraschende Wendungen gibt es keine, sieht man von den allerletzten Szenen ab, die Rollen sind klar verteilt. War der Anfang frisch und losgelöst, wirkt der sehr lange Showdown stark bemüht. Eine der Formeln des Marvel Cinematic Universe ist die Länge, und die scheinbar niemals unter 120 Minuten liegen darf. Bei einigen Filmen ist das gerechtfertigt, aber diesem SPIDER-MAN tut es einfach nicht gut. Die Auswirkungen des „Blip“ sind eine sehr spannende Reflexion der vorangegangenen Ereignisse, und in dieser Richtung hätte der Film durchaus sehr viel mehr vertragen.

Der Stoff gibt einfach zu wenig her, um die Handlung derart zu strecken. Denn Regisseur Jon Watts zeigt durchaus das Gespür für großartige Unterhaltung. War FAR FROM HOME vor einiger Zeit noch als erster Film der Phase IV des MCU angedacht, hätte er als Kickstarter einfach nicht das weitreichende Potential dafür gehabt. Jetzt als reflektierender Schlusspunkt von Phase III, ist er allerdings auch zu wenig. Man hat seinen Spaß, man wird gut unterhalten, aber viel mehr bleibt nicht. Und was bleibt, wird von den zwei Post-Credit Szenen überschattet, die zu heißen Diskussionen führen. Zuvor haben 22 Filme immer und immer wieder nur vorgelegt, so das ein eigentlich solider SPIDER-MAN einfach einmal zurück stecken muss. Er lässt sich eben nicht ohne weiteres aus dem Kontext des großen Ganzen nehmen.

Spider-Man FFH 3, Copyright SONY PICTURES RELEASING

Darsteller: Tom Holland, Jake Gyllenhaal, Marisa Tomei, Jon Favreau, Angourie Rice, Zendaya, Samuel L. Jackson u.a.
Regie: Jon Watts
Drehbuch: Chris Mckenna, Erik Sommer
Kamera: Matthew J. Lloyd
Bildschnitt: Leigh Folsom Boyd, Dan Lebental
Musik: Michael Giacchino
Produktionsdesign: Claude Paré
USA / 2019
129 Minuten

Bildrechte: SONY PICTURES RELEASING
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