LONG SHOT – Bundesstart 20.06.2019
Junge trifft Mädchen. Junge und Mädchen verlieben sich. Junge und Mädchen verlieren sich. Junge und Mädchen finden wieder zusammen. Film kann so herrlich einfach sein, und so herrlich entspannend. Deswegen ist Hollywood von dieser Formel auch nach 120 Jahren Kinogeschichte niemals davon abgewichen. Arbeitsloser Journalist trifft Außenministerin. Journalist und Außenministerin verlieben sich. Journalist und Außenministerin verlieren sich … ja, und dann finden sie wieder zusammen. Schreck lass nach, die Spoiler-Warnung hat gefehlt. Wer hätte sowas auch erahnen können, wenn sich Charlize Theron neben Seth Rogen auf den Plakaten tummelt. Wer resignierend mit den Augen rollt, wird sich aber wundern. LONG SHOT funktioniert genau in den Punkten, die man dem Film bereits im Vorfeld gerne absprechen möchte.
Schon das Wiedersehen der ehemaligen Jugendfreunde, ist nicht einfach glücklicher Zufall, sondern ein sehr geschickter und wohl durchdachter Diskurs, der sich realistisch und nicht erzwungen aufbaut. Nun wird es sicherlich auch Menschen geben, die überhaupt an der Paarung von Theron und Rogen zweifeln, nicht nur von der äußerlichen Erscheinung her. Theron hatte mit ihren gerade zwei Ausrutschern ins Kino-Komödienfach, A MILLION WAYS TO DIE IN THE WEST und YOUNG ADULT, nicht gerade das Publikum zu Jubelstürmen hingerissen. Zählt man gerade mal so noch HANCOCK dazu, bessert das die Bilanz auch nicht. Und Seth Rogen ist alles andere als der Charakterdarsteller, sondern stets auf derbsten Humor gebucht. Man kann davon ausgehen, dass die vulgärsten Sprüche nicht von den Autoren Dan Sterling und Liz Hannah kamen.
Und siehe da. Die Paarung funktioniert. Von der ersten Minute an stimmt die Chemie zwischen den beiden. Ob sie sich anschmachten, heftige Grundsatz-Diskussionen führen, offenen Streit austragen, oder beim wilden Sex. Da braucht es keine erklärenden Worte, keine überflüssigen Texte, Charlotte Fields und Fred Flarsky gehören einfach zusammen. Gerade so, als ob Theron und Rogen schon immer zusammen wären. Das ist nicht einfach nur selten, sondern ist besonders erfrischend, weil der Film alles Unsinnige weglassen kann, wo andere Paarungen viele kleine Szenen brauchen, um sich dem Zuschauer zu erklären. Es ist verblüffend, es ist ein fantastischer Glücksgriff , und es macht sehr viel Spaß.
Allein auf seinen Darstellern ruht sich das Drehbuch allerdings nicht aus. Wobei June Diane Raphael als rechte Hand der Ministerin, O’Shea Jackson Jr. als Freds bester Freund, und Ravi Patel als Ministerin-Gehilfe durchaus ebenso überzeugen. Regisseur Jonathan Levine ist sehr genau darauf bedacht, die Geschichte nicht in eine reine Klamotte abrutschen zu lassen. Selbstverständlich ist LONG SHOT in erster Linie eine anrüchige Komödie, wo tatsächlich die meisten Gags wirklich zünden. Hin und wieder mischt sich ein echter Rohrkrepierer ein, was bei keiner Komödie ausbleibt. Und dann gibt es Dialoge und Situationen, wo man sich zurecht fragt, ob man wirklich soweit gehen muss. Dafür entschädigen dann Szenen, wie der Streit zwischen Frank und seinem besten Freund, wo es darum geht, wer eigentlich Republikaner sein darf und kann. Hintersinniger Humor steht etwas weiter hinten, ist aber gegeben.
Wo Regie und Buch am meisten Punkten, sind sporadische Leerläufe, so paradox es klingen mag. Immer wieder gibt es Auszeiten, um etwas Wirklichkeit atmen zu lassen. Auffällig bei politischen Zusammenhängen, oder heftigen persönlichen Wortwechseln, da wird gerne mal auf derbe Späße oder ordinäre Ausdrucksweise verzichtet. Natürlich schalten die Macher dann schnell wieder einige Gänge zu, doch mit den kleinen Oasen der komödiantischen Ruhe, gewinnt das ohnehin sehr unwahrscheinliche Szenario viel an Ehrlichkeit. Als ob der Film sein ganzes Potential bereits verschossen hätte, liegt der Knackpunkt in den letzten zwanzig Minuten, wo von allem einfach viel zu viel aufgefahren wird. Zu viel Kitsch, zu viel Drama, zu viel Obszönität. Die Handlung tut sich schwer, das Ende wieder in eine passable Spur zu bringen. Es gelingt leidlich, so das man doch zufrieden aus dem Kino geht. Dass der Film aber einen Knick im Niveau erhalten hat, merkt man.
Ein Film über Politik, geht natürlich nicht ohne Politik. Und zwar den Blick auf die aktuelle Situation. LONG SHOT vermeidet dabei jede Art von Stellungnahme, oder erboster Kritik. In dem sich der Film auf die Ansichten, Kommentare, Kompromisse und Lobbyarbeiten innerhalb der eigenen Geschichte konzentriert, erspart er sich eine längst überholte Wertung der aktuellen amerikanischen Administration. Eigenartigerweise gibt es geschätzt alle fünf Minuten einen kleinen Pfeil, der auf eine Situation im Film abgeschossen wird, und trotzdem unverkennbar die reale Regierung trifft. Gut getarnt und doch sehr wirkungsvoll, ohne gleich polternd mit Statements um sich zu werfen.
Das der Film gespickt ist mit Songs aus Charlottes und Franks Jugend, schafft nochmal eine zusätzliche Bindung zwischen den beiden Figuren, und darüber hinaus zu einem etwas gereifteren Publikum. Wenn sie sich hingebungsvoll zu ‚It Must Have Been Love‘ bewegen und umkreisen, hat es etwas magisches. Auch ein Moment der ziemlich ungewöhnlich für eine Komödie dieser Art ist. Doch er hat etwas Berührendes, und viel Ehrliches.
Darsteller: Charlize Theron, Seth Rogen, June Diane Raphael, O’Shea Jackson Jr., Ravi Patel, Bob Odenkirk, Andy Serkis, Alexander Skarsgård u.a.
Regie: Jonathan Levine
Drehbuch: Dan Sterling, Liz Hannah
Kamera: Yves Bélange
Bildschnitt: Melissa Bretherton, Evan Henke
Musik: Marco Beltrami, Miles Hankins
Produktionsdesign: Kalina Ivanov
USA / 2019
125 Minuten