SERENITY – Bundesstart 02.05.2019
Was gibt es schöneres, als Captain seines eigenen Bootes zu sein. Auf einer traumhaften Insel, auf der man am besten träge vor sich hin döst. Das Städtchen ist eher eine vage Ansammlung von Holzhäusern. Jeder kennt jeden, und keiner hat Ärger mit irgendjemanden. Dazu wäre das Nest auch viel zu klein. Als Captain geht man Angeln wann man will. Nur des schnöden Mammons wegen, geht man ab und an mit ein paar Touristen Hochseefischen. Man hat regelmäßigen Sex mit der älteren Schönheit der Insel. Die Sonne scheint immerzu, das Leben meint es eben gut mit einem. Würde da nicht unvermittelt die Verflossene auf dem Pier stehen. Und überhaupt, das Boot gehört eigentlich der Bank.
Steven Knight ist ein sehr unterschätzter Mann. Seine Repertoire an verfilmten Drehbüchern ist erstaunlich, dabei deckt er querfeldein jedes Genre ab. Sein zweiter Regie-Kinofilm LOCKE – NO TURNING BACK, den er natürlich auch selbst geschrieben hat, war ein grandioses Kammerspiel, das sich erst gar nicht zuordnen ließ. Bei SERENITY, der sich thematisch in eine andere Richtung bewegt, ist es aber ähnlich. Was in seinen Ansätzen immer wieder auf einen Thriller schließen lässt, entpuppt sich dann doch als Katz und Maus Spiel mit der Erwartungshaltung des Publikums. Wird er im Verlauf doch noch der typische Film-Noir, im Flair von gemütlichem Inselidyll? Genre-Freunde werden den Fisch schon bald riechen, wenn sie die Leine langsam einholen. Für den Fan von eher gediegeneren Krimis, offenbart sich dann doch nach und nach eine kleine Überraschung.
Captain Baker Dill scheint eine nicht zu erklärende Neurose anzutreiben. Oder warum schmeißt er gut zahlende, und dringend benötigte Gäste von seinem Boot, nur um selbst diesen einen bestimmten Thunfisch zu fangen? Und warum heißt der Fisch ausgerechnet Justice, wie Gerechtigkeit? Das sind alles Handlungspunkte, die einen noch nicht wirklich beunruhigen, aber seltsam vorkommen. Mit Matthew McConaughey hat Regisseur Knight genau den richtigen Darsteller, der die eigenartigsten Situationen plausibel erscheinen lässt. McConaughey kann der ungebundene Lebemann sein, und gleichzeitig eine getriebene Seele, die sich selbst nicht zu verstehen mag. Mit ihm verschwimmen ganz schnell etwaige Ungereimtheiten die sich aus dem Verlauf der Geschichte ergeben könnten. Wie die Größen aus vergangenen Tagen, bestimmt auch McConaughey in all seinen Filmen, wie auch hier die Szenen, unaufdringlich, nicht aufgesetzt, natürlich.
Doch der eigentliche Verführer ist Steven Knight, der die Präsenz seines Hauptdarstellers auszunutzen versteht, um sein eigenes Spiel mit dem Zuschauer zu treiben. Es muss sich um einen Fehler, oder schlichte Schlamperei handeln, wenn sich Kameraeinstellungen und Kostüme wiederholen. Oder macht es nur den Eindruck, als würden sich diverse Dialoge ähneln. Der Captain scheint nicht er selbst zu sein, was die anderen Bewohner auf Plymouth Island sehr wohl wahrhaben. Doch wer spielt tatsächlich mit wem? Der Regisseur mit seinen Figuren, mit dem Zuschauer? Oder sind es die Charaktere unter sich. Jede frisch freigelegte Spur, wirft eine nächste Frage auf.
IM NETZ DER VERSUCHUNG ist nicht der große Wurf. Gerade beim Independent-Film sind die Spiele mit den Wahrnehmungen nichts Neues, und immer wieder Festivalslieblinge. So kann dieser Film nur das Beste aus seiner Prämisse machen, die man auch schnell durchschauen wird. Übrig bleiben nur die Stücke des Puzzles, die man richtig zusammen setzen muss. Was das NETZ DER VERSUCHUNG dennoch sehenswert macht, ist allein der Ansatz, wie Steven Knight seine Geschichte erzählt. Und Jess Halls farbenprächtige Bilder, die gesättigt und mit starken Kontrasten auf den Zuschauer einfließen. Oder sind sie auch nur Ablenkungsmanöver? Ein raffiniertes kleines Mysterium, das im Gesamten etwas mehr Feinschliff vertragen hätte.
Darsteller: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Diane Lane, Jason Clarke, Djimon Hounsou, Jeremy Strong, Rafael Sayegh
Drehbuch & Regie: Steven Knight
Kamera: Jess Hall
Bildschnitt: Laura Jennings
Musik: Benjamin Wallfisch
Produktionsdesign: Andrew McAlpine
USA / 2019
108 Minuten