HUSTLERS

Hustlers1, Copyright UNIVERSUM FILMHUSTLERS – Bundesstart 28.11.2019

Besonders aufregend war die Geschichte nicht, die Jessica Pressler für einen Artikel im New York Magazin recherchierte und schrieb. Nachtclubtänzerinnen die Kreditkarten ihres Kundenstammes bis zum Kreditrahmen abschöpften. Nicht die braven Familienväter, die vom Vorstadtleben abschalteten, sondern die ungezügelten Geldhaie der Wall Street, die aus Langeweile mit Geld um sich warfen. Mittelpunkt von Presslers Artikel war Rosie, eine ehemalige Stripperin im Club Scores. Nur das die Damen stets darauf beharrten, nicht als Stripperinnen, sondern als Tänzerinnen bezeichnet zu werden. Rosie heißt im Film Destiny, und wird von Samantha unter deren Fittiche genommen, die im Film Ramona heißt. Der Name des Clubs wird im Film nicht namentlich genannt. Nach dem Börsensturz, schrumpft auch das Klientel im Club merklich, und somit die Einnahmequellen für die Damen. So bemühen sie ihre noch liquiden Kunden, und leeren deren Kreditkarten bis auf den letzten Dollar, um ihren eigenen luxuriösen Lebensstil aufrecht halten zu können.

Jetzt sollte man annehmen, dass ein Film mit und um Frauen bei einer weiblichen Regisseurin und Autorin wesentlich besser und auch stilsicherer untergebracht wäre. Aber Lorene Scafaria hatte offensichtlich weniger die Geschichte in ihrer Vision, als mehr eine filmische Mischung aus FLASHDANCE, STRIPTEASE und sogar MAGIC MIKE im Sinn. Diese leicht variierenden Atmosphären auf HUSTLERS zu übertragen, ist Scafaria auch gelungen. Jane Muskys Produktionsdesign ist darauf ausgelegt, die Clubs und Separees nicht zu überstilisieren, sondern ein vermeintlich bekanntes Setting zu schaffen. Den Rest erledigen ununterbrochen wummernde Hip/Hop, Dance Beat und Art Rock Untermalung. Das leicht Anrüchige wird zu einer unreflektierten Selbstverständlichkeit.

Genauso entspannt und losgelöst wie Jessica Pressler ihren Artikel geschrieben hat, nimmt sich auch Scafaria der filmische Umsetzung an. Mit dem signifikanten Unterschied, dass Pressler, die im Film Elizabeth heißt und zu einer eher unwichtigen Nebenfigur wurde, ihre Frauen zynisch und unmoralisch beschreibt. Im Drehbuch und dessen Umsetzung, werden die Tänzerinnen zu Opfern ihrer Umwelt stilisiert. Ressentiments und Reue, Zweifel und moralische Grenzen werden angedeutet, verschwimmen aber in der Inszenierung der weiblichen Protagonisten. Starke Frauen sollen es sein, in einer nur oberflächlich von Männern dominierten Welt. Frech und Frei soll HUSTLERS sein, Spaß bereiten und den realen Alltag ausklammern. So eine Art OCEANS ELEVEN im Stripclub-Milieu. Mit dem Unterschied, dass bei OCEANS ELEVEN niemanden weh getan wurde, dass selbst bei einem Millionen-Raub niemand zu Schaden kam, dass die Motivation komplett anders lag.

In HUSTLERS sind es Tänzerinnen, die aus einem Milieu stammen, welches Frauen nach wie vor unterdrückt, demütigt und ausbeutet. Die Heldinnen dieser Geschichte haben Geld, sie leben im Luxus. Und ihre Gier Männer auszunehmen, entspringt dem eigenen Unvermögen, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Maßlosigkeit wird als hehres Ziel zelebriert. Kaum auffällig gibt es dafür die dürftige Rechtfertigung, dass der Reiche stets nach noch mehr strebt. Dennoch bewahrt der Film für Destiny, Ramona und ihre Komplizinnen die Opferrollen. Wenn Ramona in ihrem nicht enden wollenden Unterfangen, Nervosität und Skrupel erkennen lässt, spielt das Jennifer Lopez sehr glaubwürdig und eindringlich aus. Aber es täuscht nicht darüber hinweg, dass die Regisseurin mehr launige Unterhaltung mit hohem Gehalt an Schadenfreude inszenieren wollte, anstelle einer moralisch hinterfragten Sozialstudie. Dabei ist ein ständig erhobener Zeigefinger auch nicht das, was man unter entspannter Unterhaltung versteht. Aber Scafaria offeriert weder das eine, noch das andere in einer ausgewogenen Form. Dieser Film, der die Vorlage ohnehin beugt und für sich auslegt, könnte ein starker Frauenfilm sein, der selbst Männern gefallen würde.

Hustlers2, Copyright  UNIVERSUM FILM (UFA)Jessica Pressler beginnt und endet ihren Artikel mit bemerkenswerten Einsichten, die im Film vollkommen ignoriert werden. Anderseits gibt es Passagen in der Adaption, die fast wortwörtlich aus dem Artikel übernommen wurden. Die einleitenden Worte und das Fazit klären darüber auf, dass Rosie bekannt dafür sei, eine notorische Lügnerin zu sein. Da aber der Großteil des Artikels aus den Gesprächen mit Rosie entstanden ist, zeigen sich die über 7000 Worte von Jessica Pressler in einem ganz anderen Licht. Und genau das wäre der Ansatz gewesen, und Scafaria hätte aus HUSTLERS eine treffsichere und schwarzhumorige Satire machen können. Das Spiel mit Wahrheit, Lüge und Auslegung der Wahrheit hat schon so manchen Kinospaß zu einem Vergnügen gemacht. Und es hätte die Momente relativiert, zeitgleich aber aufgewertet, welche die bösen Mädchen zu selbstsüchtigen Gierschlünden ohne Werte machen.

Übrig bleibt ein Film mit bitterem Beigeschmack, der mit einem sehr engagierten Ensemble und dem Zeitgeist entsprechender technischen Umsetzung nicht das auf die Leinwand bringt, was das Marketing einem verspricht. Als Film nimmt sich HUSTLERS viel zu ernst, und versäumt dabei seine selbst gesetzten Ambitionen angemessen umzusetzen. Die allerletzte Szene verrät, dass der Film seine Figuren moralisch unreflektiert aus der Handlung entlässt.

Der Name des Clubs von dem aus die Charaktere agieren heißt Moves. In der Besprechung wurde er fälschlicherweise namenlos bezeichnet.

Hustlers3, Copyright  UNIVERSUM FILM (UFA)

 Darsteller: Constance Wu, Jennifer Lopez, Julia Stiles, Mette Towley, Mercedes Ruehl, Wai Ching Ho u.a.
Regie & Drehbuch: Lorene Scafaria
nach dem Artikel von Jessica Pressler
Kamera: Todd Banhazl
Bildschnitt: Kayla Emter
Produktionsdesign: Jane Musky
USA / 2019
110 Minuten

Bildrechte: UNIVERSUM FILM
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