FAST & FURIOS PRESENTS: HOBBS AND SHAW
– Bundesstart 01.08.2019
Da war ein kleiner Film. Relativ. Mit einem bescheidenen Budget von 38 Millionen Dollar. Es war ein einfacher Film, der dem Zuschauer erst gar nichts vormachen wollte. Und gerade deswegen richtig einschlug. Vin Diesel war auf dem sicheren Weg ein Star zu werden, und Paul Walker hatte auch das Zeug dazu, wurde aber allgemein noch nicht richtig wahr genommen. Die nicht sehr tief gehende Geschichte fundierte auf einem Artikel von Kenneth Li für Vibe, der die Szene von Straßenrennen beleuchtet. Viel Tiefgang hatte der Film nicht, aber sehr viel Herz. Und das begeisterte alle Zuschauerschichten. Es gab Autorennen und Stunt-Sequenzen, die selbst einen Burschen wie den verrückten Hal Needham blass aussehen ließen. Kein Computer, sondern pure, reale Pferdestärken die der Schwerkraft und den Gesetzen der Physik widersprachen. 200 Millionen Dollar Budget später, war es kein kleiner, feiner Film mehr, THE FAST AND THE FURIOUS ist längst zu einem Markenzeichen geworden.
Der Charakter des Luke Hobbs war eigentlich nur ein Nebenprodukt für die Filmreihe, entwickelte sich aber gerade wegen der unvergleichlichen Präsenz von Dwayne Johnson zu einem der beliebtesten Charaktere. Geschickt vermarktet man HOBBS AND SHAW als Spinoff, um eventuelle Schäden anderweitig deklarieren zu können. Und am Ende dieser ausufernden Action-Extravaganza, hat dieses sogenannte Spinoff genug Stoff angesammelt, um noch weiter und tiefer in die Geschichte diverser Figuren vorzudringen, und die einzelnen Filme immer mehr miteinander zu verweben. Hobbs muss sich mit Erzrivalen Deckard Shaw zusammen tun, um einen kybernetisch modifizierten Soldaten das Handwerk zu legen, der mit einem tödlichen Virus die Menschheit auslöschen möchte. Das ist weder originell, noch besonders neu, von Tiefgründigkeit will man erst gar nicht reden, doch auf dem Weg wird das alles irrelevant, im ununterbrochenen Taumel von endlosen Patronensalven, effektvollen Explosionen und akrobatisch anmutenden Zweikämpfen. Und zu keinem Zeitpunkt wird darauf Rücksicht genommen, das kein menschlicher Körper das aushalten könnte, was diesen hier zugefügt wird, oder motorisierte Vehikel ebenfalls der Physik untergeordnet sein müssten. Es sieht alles einfach viel zu gut aus, und es erfreut das Herz des Action-Fans.
Die Macher scheuen keine Mühe, dem Zuschauer zu geben, was dieser erhofft zu bekommen. Mit stilvollen Entschleunigungen innerhalb diverser Action-Einstellungen, bekommen die Adrenalin-Sequenzen ihre eigene Dynamik, die hervorragend choreographiert wurden. Das man dabei in vielen Bildern den Einsatz von Computer generierten Szenen wahrnimmt, wird geflissentlich ignoriert. Die Zeit des ersten F&F ist eben schon lange vorbei, und mit ihm die gute alte Handarbeit von realen Stunt-Koordinationen. Anstatt eine saubere, glaubhafte Action-Sequenz zu inszenieren, nutzt man das Budget für möglichst viel, wenngleich weniger perfekten Augenschmaus. Eine abgedroschene, an den Haaren herbei gezogene Handlung muss ja übertüncht werden. Und so hart das auch klingen mag, man lässt es sich dennoch gerne gefallen.
Drehbuch und Inszenierung lassen sich aber auch einiges einfallen, um den Film vom belanglosen Einerlei abzuheben. In Art von Parallelmontagen sind viele Szene, die Hobbs und Shaw getrennt erleben, durch den Schnitt ineinander verzahnt. Das sie dabei unabhängig voneinander die fast selbe Situation durchspielen, erhöht den gewollt komödiantischen Grad des Films, der sich zum Glück an den neuralgischen Stellen selbst nicht zu ernst nimmt. Obwohl man sich bei einigen Stellen doch etwas mehr Glaubwürdigkeit wünschen würde. Die frohe Kunde über einen die Menschheit vernichtenden Virus in einem öffentlichen Diner zu überbringen, gehört zum Beispiel dazu. Oder warum die Bösen mit den modernsten und mächtigsten Waffen und Techniken ausgestatten sind, aber konventionell von zwei Agenten aufgehalten werden können. Ja, weil sie es eben können, und der Film sonst sofort zu Ende wäre, ist jetzt keine sehr gute Ausrede. Auch nicht, dass es im Action-Kino schon immer so war.
Johnson und Statham setzen mit viel spürbarer Freude und Elan ihr Zusammenspiel fort, was man als entscheidend für diesen Film werten muss. Es stimmt ihre Chemie und ihr trockenes, oft sogar unterschwelliges Spiel ist eine Freude. Die Zeit wird erklären, wie sich die Kollaboration der eigentlichen Erzfeinde gegenüber den Protagonisten der ursprünglichen Reihe vereinbaren lässt. Schließlich hat Deckard Shaw aus reiner Rachsucht einen beliebten Charakter ermordet. Da macht Vanessa Kirby als Virusträgerin und vermeintliche Kampfmaschine eine ziemlich schlechte Figur. Es schreit förmlich von der Leinwand, dass sie in erster Linie wegen ihres Aussehens engagiert wurde. So schön ihre Kampf-Einlagen choreographiert sind, kauft man der zierlichen Person diese Überlegenheit nicht ab, auch wenn man versucht das mit dem Virus zu erklären. Dafür kann man sich auf einen Darsteller-Zuwachs freuen, der hier nur einmal kurz Fast & Furious Luft geschnuppert hat, aber hoffentlich in kommenden Streifen ein größere Rolle ausfüllen darf. Nein, und Keanu Reeves ist es nicht. Zumindest noch nicht, heißt es in Produzentenkreisen.
Dafür scheint Ryan Reynolds charakterlicher Neuzugang in Zukunft für mehr angedacht zu sein. In welcher Reihe auch immer. Weitere Spinoffs könnten durchaus folgen, eine Weiterführung von HOBBS AND SHAW ist garantiert schon gesichert. Aber am wahrscheinlichsten ist, dass bald doch alles in eine große einheitliche Reihe zusammengeführt wird. Wenn Vin Diesel als Ausführender Produzent seine persönlichen Diskrepanzen mit Dwayne Johnson beilegen kann. Als man 2001 nicht die Geschichte, aber die Rechte am Titel von einem gleichnamigen Film von 1954 erwarb, konnten die verkaufenden Rechteinhaber nicht ahnen, was ihnen da finanziell durch die Finger rinnen würde. Denn wo das herkam, was bisher in die Kinos kam, da wird noch viel mehr nachkommen. Produzenten fahren eben ihre Gefährte auch gerne mal richtig aus.
Darsteller: Dwayne Johnson, Jason Statham, Idris Elba, Vanessa Kirby, Eiza González, Eddie Marsan und Helen Mirren u.a.
Regie: David Leitch
Drehbuch: Chris Morgan, Drew Pearce
Kamera: Jonathan Sela
Bildschnitt: Christopher Rouse
Musik: Tyler Bates
Produktionsdesign: David Scheunemann
Großbritannien – USA / 2019
134 Minuten