ESCAPE ROOM – Bundesstart 28.02.2019
Da sind sie also wieder. Die berüchtigten Sechs. Wer sich gerne gruselt, oder es mitunter auch einmal recht deftig mag, kennt sie bereits. Das schüchterne Mauerblümchen, der Loser aus dem Gemischtwarenladen, die blonde Zicke, der überaus erfolgreiche Yuppie, der Vernunft begabte Erwachsene, und natürlich der Nerd, der alles weiß, alles schon probiert hat und sich trotz seiner scheinbaren Allwissenheit schon einmal vertut. Sechs absolut Fremde, wahllos zusammen gewürfelt, auf sich alleine gestellt. Das kennt man, die Konstellation der Personen schon längst. Und die Prämisse ist so alt, wie dieses Sub-Genre. Nur zusammen sind wir stark. Gefangen in einem Labyrinth. Zuerst will jeder für sich der Anführer sein, bis man eines Besseren belehrt wird.
Wo will man anfangen, bei Filmen ähnlich wie ESCAPE ROOM? Vornehmlich und am beliebtesten sind da sicherlich SAW 2 und SAW 5. Weit vorher war da noch CUBE. Am meisten unterschätzt darunter ist CABIN IN THE WOODS. Aber wer hier spricht, der erwähnt nur die geläufigsten und beliebtesten Vertreter. Der aussichtslose Kampf durch ein Labyrinth perfider Fallen. Warum sollte man sich also Adam Robitels Variante der Gruppe in Not auch noch antun? Zwei Kinofilme hat er bisher inszeniert, zu TAKING OF DEBORAH LOGAN hat er auch das Drehbuch geschrieben. Tatsächlich gab es ESCAPE ROOM schon vor dem vorerst letzten Teil der INSIDIOUS-Reihe, welcher dennoch weiterhin als zweiter Film von Adam Robitel geführt wird. Bei einem Brand seinerzeit, in einem dieser angesagten ‚Escape Rooms‘, kamen fünf Leute ums Leben, woraufhin man den Start dieses Films erst einmal verschob.
Freunde und Kenner solcher Filme fragen sich, warum der Start verschoben wurde, und nicht gleich das gesamte Machwerk im Nirwana verschwand. Alles schon einmal dagewesen, man kennt es zur Genüge. Die Autoren Bragi Schut und Maria Melnik haben auf keinen Fall das Genre neu erfunden. Und das vergnügungssüchtige Publikum wartet sowieso nur darauf, wie denn einer nach dem anderen der Protagonisten das Zeitliche segnen wird. Bei Filmen wie diesen, geht es nicht um Sympathien. Auch das Prinzip ‚die Jungfrau wird als letztes übrig bleiben‘ hat schon lange ausgedient.
Und dann erwischt uns Regie und Buch gleichermaßen. Zum einen ist ESCAPE ROOM keine Blut- und Eingeweidenorgie. Wenngleich es immer wieder heftig zur Sache geht. Aber drastisch heißt nicht immer gleich die Reize der Zuschauer zu überfordern. Eine geschickte und besonnene Inszenierung kann auch vieles bewirken, und gerade bei ESCAPE ROOM merkt man manchmal gar nicht, dass der Ekelfaktor völlig abhanden geht. Und schließlich die Charaktere, denen die Stereotypen völlig auf die Stirn geschrieben steht. Plötzlich erweist sich die Zicke als einfühlsamer Kumpel, der Loser wird nicht der überraschende Held der Geschichte, der überhebliche Geschäftsaufsteiger eröffnet seine sensible Art. Das hat durchaus etwas Neues.
Doch egal wie neu oder anders sich ESCAPE ROOM gibt, so will man letztendlich doch etwas anderes sehen. Und sehen will man die heimtückischen Fallen die in dem Labyrinth lauern und was sie mit den Figuren anstellen. Da hat sich das Designer Team um Edward Thomas etwas einfallen lassen. Ganz besonders hervor zu heben ist dabei das auf dem Kopf stehende Billard-Zimmer. Nicht nur ist das Set-Design ein wahrlicher Genuss, sondern erst recht die virtuose Inszenierung und der atemberaubende Einsatz von Marc Spicers Kamera. ESCAPE ROOM spielt hier grandios mit den Ebenen. Wie sich Oben und Unten innerhalb einer Szene abwechseln, dass überrascht und macht richtig Spaß. Grundsätzlich bringt Marc Spicer mit seiner Kamera eine eigene Dynamik in den Film ein, und unterstreicht einige Segmente, ohne sich aber über die Handlung erheben zu wollen.
ESCAPE ROOM hat viele Vorteile, macht einiges neu, versucht sich eigentlich erfolgreich gegen seine Mitstreiter durchzusetzen. Aber da waren eben schon so viele, zum Teil besser, manche wesentlich schlechter. Das gesamte Team hat einen unterhaltsamen, niemals langweiligen Film gemacht. Auch wenn man als letzten Wermutstropfen einfach die Frage stellen muss, wer denn solche hoch entwickelten Labyrinthe eigentlich baut, und welchen Nutzen die Macher davon wirklich haben. Das waren zwei Fragen, und man hört am besten auf, wenn es am schönsten ist. Was nicht aufhört, sind die noch kommenden, zahllosen Epigonen, die glauben, einen ähnlichen Film noch besser zu machen.
Darsteller: Taylor Russell, Logan Miller, Jay Ellis, Tyler Labine, Deborah Ann Woll, Nik Dodani, Yorick van Wageningen u.a.
Regie: Adam Robitel
Drehbuch: Bragi F. Schut, Maria Melnik
Kamera: Marc Spicer
Bildschnitt: Steve Mirkovich
Musik: John Carey, Brian Tyler
Produktionsdesign: Edward Thomas
Kanada – USA / 2019
99 Minuten