EIN GANZ GEWÖHNLICHER HELD

Public 1, Copyright KOCH FILMSTHE PUBLIC – Bundesstart 25.07.2019

Im Sommer 2017 wurde bekannt, dass die Stadt Cincinnati plane, den Nordflügel der öffentlichen Bibliothek zu verkaufen. Eine Aktivistengruppe nahm sich dieser Sache an und protestierte fortan bei jeder öffentlichen Sitzung, und stellte den Verantwortlichen unangenehme Fragen, oder konfrontierten sie mit fundierten Bedenken gegenüber eines Verkaufs von öffentlichem Grund. Genau in diese Zeit fielen die Dreharbeiten und die Premiere von Emilio Estevez‘ Film THE PUBLIC. Ein Projekt das bereits zehn Jahre in Arbeit war. PUBLIC fungiert dabei als Wortspiel für eine öffentliche Bibliothek, sowie für die Öffentlichkeit selbst. In der realen Kontroverse ist noch keine endgültige Entscheidung gefallen. Inwieweit Estevez‘ Film darauf Einfluss nehmen konnte, ist nicht nachvollziehbar. Aber immerhin kam er zum richtigen Zeitpunkt, und Fakt und Fiktion firmierten zu einem wachrüttelnden Schulterschluss.

„Die öffentliche Bibliothek ist die letzte Bastion der Demokratie in unserem Land.“ Anderson (Jeffrey Wright)

Eine arktische Kältewelle überzieht Cincinnati. Obdachlose, die in den Schutzunterkünften keinen Platz mehr finden, verbringen den Tag in den beheizten Räumen der öffentlichen Bibliothek. Sie lesen, benutzen den Computer, nutzen die Sanitäranlagen für die notwendigsten Zwecke. Soweit gestattet es die Leitung, schließlich ist es öffentlicher Raum, doch nur während der regulären Öffnungszeiten. Als in zwei Nächten hintereinander zwei Obdachlose erfrieren, beschließt der harte Kern von Nutzern der Bibliothek, diese auch über Nacht zu besetzen. Unfreiwillig wird der Bibliothekar Stuart Goodson zur Speerspitze des Ungehorsams, der selbst mit einer dubiosen Vergangenheit zu kämpfen hat. Die menschliche Tragödie wird auf einmal für politische Zwecke missbraucht, und zum Spielball egoistischer Beweggründe.

Es ist wahrlich selten geworden, dass man einen Film geboten bekommt, der mit viel positiver Energie geladen ist. Da wird das Drama nicht überstrapaziert, es springt aber auch nie ein rosa Kaninchen aus dem Zylinder. Man merkt, wie viel Zeit und Gedanken Emilio Estevez beim Schreiben seines Drehbuch aufgebracht hat. Im Eigentlichen gibt es eine klare schwarzweiß Zeichnung, aber es wird immer wieder klar, dass dies nicht durchbrochen werden kann. Dass es auch niemand von oberster Stelle durchbrechen will, dazu ist das System zu fest gefahren, und zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Die Besetzung der Bibliothek ist rechtswidrig, muss also geräumt werden. Der Zuspruch aus der Bevölkerung für die Obdachlosen wird irrelevant. Demokratie wird juristische Auslegungssache.

Estevez reichert seine Geschichte mit einigen sehr interessanten Charaktere an, die alle ihre eigene Bürde mit sich ziehen. Das lockert den Film ungemein auf, löst immer wieder die Spannung im Inneren der Bibliothek. Doch genau an dieser Stelle bricht der Film auseinander. Diese vielen einzelnen Schicksale finden nicht zusammen. So spannend jeder Charakter für sich zu beobachten ist, hat keiner Einfluss auf den Kern der Geschichte. Das mag im richtigen Leben ebenso zutreffend sein, aber das ist Kino nun einmal nicht. Der Film ist leicht inszeniert, ruhig fotografiert und entspannt geschnitten. Estevez und sein Kreativteam möchten keine überdrehten Spannungsmomente, oder künstlich gesteigerte Dramatik. Das macht den GANZ GEWÖHNLICHEN HELDEN zu einem einnehmenden Filmgenuss, der ebenso leicht, ruhig und entspannt unterhält.

Man wünscht sich immer wieder dieses rosa Kaninchen, das Estevez aus dem Zylinder springen lassen sollte, aber dazu bleibt die Geschichte einfach dem Zuschauer gegenüber zu ehrlich, ohne verbissen und ärgerlich zu wirken. Und letztendlich ist das eben auch die treibende Kraft des Films, ehrlich zu sein und ehrlich zu bleiben. Hätte man die Hintergründe diverser Figuren geschickter in den Verlauf mit eingewoben, hätte man fast von einem perfekten Film sprechen können. Aber knapp daneben ist nicht immer knapp vorbei. EIN GANZ GEWÖHNLICHER HELD bleibt mit Abstrichen immer noch sehenswert.

Public 2, Copyright KOCH FILMS

Darsteller: Emilio Estevez, Alec Baldwin, Jena Malone, Michael Kenneth Williams, Christian Slater, Taylor Schilling, Jacob Vargas, Gabrielle Union u.a.
Drehbuch & Regie: Emilio Estevez
Kamera: Juan Miguel Azpiroz
Bildschnitt: Richard Chaw, Yang Hua Hu
Musik: Tyler Bates, Joanne Higginbottom
Produktionsdesign: David J. Bomba
USA / 2018
119 Minuten

Bildrechte: Koch Films
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Kino gesehen abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar