Airport 77 – Verschollen im Bermudadreieck
Bundesstart 11.08.1977
Katastrophenfilme gibt es schon seit Anbeginn des Kinematographen. Wie die Babylon-Szene aus Griffith‘ INTOLERANCE zeigt. Beispielhaft ist auch SAN FRANCISCO mit Clark Gable. Später folgten schließlich die rein auf das Spektakel bezogenen Effektfilme. EIN RISS IN DER WELT und DER JÜNGSTE TAG, oder auch UNTERNEHMEN FEUERGÜRTEL und WAR OF THE WORLDS. Typische Ausgeburten der fünfziger Jahre, wenngleich brillant umgesetzt, doch nur auf den Nervenkitzel ausgelegt.
Etwas Neues tat sich dann 1970, als Arthur Haileys Roman AIRPORT verfilmt wurde. Eine neue Strategie hielt Einzug, mit deren Hilfe man tatsächlich das Publikum wieder verstärkt an das Kino binden wollte. Es waren die Stars, oder solche, die noch stark in Erinnerung waren, aber dennoch einer absteigenden Tendenz unterworfen waren. Bei AIPORT konnte man Dean Martin sehen, der ohne Jerry Lewis kaum mehr einen Fuß in eine Studiotür bekam. Van Heflin mied den Hollywood-Zirkus, was selten einer Karriere förderlich war. Von Helen Hayes wollte man auch nicht mehr unbedingt viel wissen, wobei sie sich nach diesem Film wieder an die Spitze arbeiten konnte. Burt Lancaster war sehr unzuverlässig geworden, weil er mehr und mehr an seinen politischen
Engagement Gefallen fand.
AIRPORT wurde ein großartiger Erfolg, der finanziell erfolgreichste in der vierteiligen, unabhängig voneinander handelnden Reihe. Und das Konzept der Stars ließ bei den Studios große Freude aufkommen. FLAMMENDES INFERNO, ERDBEBEN, TÖDLICHER SCHWARM, HÖLLENFAHRT DER POSEIDON, ACHTERBAHN oder DER TAG AN DEM DIE WELT UNTERGING. Der Heißhunger auf großes Effektekino, brachte einige Leute sogar richtig ins Schwitzen, als Charlton Heston, George Kennedy und Kameramann Philip Lathrop Schwerstarbeit mit ihren Drehplänen leisten mussten. Die Drei arbeiteten zeitgleich an ERDBEBEN und AIRPORT ’75.
Multimilliardär Philip Stevens will mit seiner riesigen Kunstsammlung der Welt etwas zurückgeben. Dafür eröffnet er ein frei zugängliches Museum. Dazu müssen die Kunstschätze aber erst einmal per Flugzeug an ihren Bestimmungsort gebracht werden. Eine illustre Schar von Prominenten und Millionären dürfen den Flug an Bord der extra umgebauten und speziell eingerichtet Boing 747 miterleben. Allerdings auch drei böse Jungs, die über die sündhaft teure Fracht Bescheid wissen, über dem Ozean die Maschine kapern, und diese dank Unfähigkeit zum Absturz bringen. Die Boing versinkt im Wasser. Jetzt ist dringend Hilfe angesagt. Das Flugzeug liegt knapp unter dem Meeresspiegel auf Grund, droht aber über eine Klippe ins Bodenlose zu rutschen.
Wer von den Darstellern am meisten im Gedächtnis bleibt, ist eine sehr gut aufgelegte und dynamische Olivia de Havilland. Lee Grant zeigt als mürrische und ständig alkoholisierte Grand Dame sehr gute Ansätze, aber man wird einfach nicht das Gefühl los, dass hier einiges an Substanz fehlt, und mit ihrem Charakter mehr möglich gewesen wäre. Die Männer bleiben für diese Art von Film eher Stereotypen. Ein besonders besorgter James Stewart, als Stevens. Jack Lemmon der eigentliche Pilot und die stets besonnene Leitfigur. Oder auch Christopher Lee, dessen Frau ihm ständig die Laune vermiest. Es sind also alle vorhanden, die das bunte Potpourri von unterschiedlichen Charaktere vervollkommnen. Aber keine der Figuren kommt über ein gewisses Klischee nicht hinaus. Mit gelinder Ausnahme von Christopher Lee vielleicht, der gegen seine sonst üblichen Leinwandauftritte anspielen darf.
Was AIRPORT ’77 tatsächlich auszeichnet, sind seine außergewöhnlichen Spezialeffekte. Frank Brendel war dabei mit seinen verschiedenen Departments federführend, und man kann die Arbeit durchaus als makellos bezeichnen. Schon bei ERDBEBEN, legte Brendel Los Angeles in Schutt und Asche, allerdings noch mit teilweise erkennbaren Matte-Paintings und vielen offensichtlichen Miniaturen. AIRPORT ’77 muss auf die selben Techniken zurück gegriffen haben, doch mit einem riesigen Schritt nach vorne.
Mit der minutiösen und detailversessenen Rettungsaktion in der zweiten Hälfte, gewinnt der Film eine ganz eigene und einnehmende Dynamik. Die zu sehenden und eingesetzten Bergungsmittel sind echt und wurden von der Navy für spezielle Einsätze dieser Art konzipiert und genutzt. Die Unterwasserkulissen sind überragend, und der Zuschauer nimmt die einzelnen Teile des Rumpfes, dank geschickter Kameraarbeit tatsächlich als komplettes Flugzeug war. Die vielen Taucher im Bild sind keine dramaturgisch zusammengewürfelte Truppe. Ruhig und besonnen weiß scheinbar jeder was zu tun ist, und wer für was zuständig ist. Regisseur Jerry Jameson scheint gerade für diesen Teil den Realismus nach vorne stellen zu wollen, was sehr wohl gelingt und den Film umso intensiver gestaltet. Mit einer einzigen Ausnahme, gibt es keine überzogenen Spannungspunkte. Und genau das macht diesen Film umso spannender, weil er sich dem Klischee von dem was schief gehen kann, auch schief gehen wird, geschickt zu entziehen versteht.
Wusste der erste AIRPORT schon ein gewisses Augenmerk auf die wirklichen Tätigkeiten der verschiedenen Abteilungen und der Zusammenarbeit untereinander auf einen Flughafen zu demonstrieren. Wenngleich etwas überzogener, steht AIRPORT ’77 dem in nichts nach. Altbackene Erzählweise, aber im Gesamten sehr ansehnlich.
Darsteller: Jack Lemmon, Christoper Lee, James Stewart, Lee Grant, Olivia de Havilland, Joseph Cotten, Robert Foxworth u.a.
Regie: Jerry Jameson
Drehbuch: Michael Scheff, David Spector
Kamera: Philip Lathrop
Musik: John Cacavas
Bildschnitt: Robert Watts, J. Terry Williams
Produktionsdesign: George C. Webb
Special Effects: Frank Brendel
USA / 1977
circa 114 Minuten