DIE WURZELN DES GLÜCKS

Holy Lands a, Copyright StudioCanalHOLY LANDS – Bundesstart 05.09.2019

Amanda Sthers ist Autorin, schreibt Bühnenstücke und Drehbücher, und nebenbei dreht sie noch Filme. In ihren Professionen ist die Französin, mit bürgerlichen Namen Amanda Queffélec-Maruani, fast überall gern gesehen und gelesen. Fast, denn in Deutschland tut sie sich in ihren Künsten ziemlich rar. Da mutet es verwunderlich an, dass ihr Film HOLY LANDS, nach ihrem eigenen Roman und selbst für die Leinwand adaptiert, den Weg in deutsche Kinos gefunden hat. SCHWEINE ZÜCHTEN IN NAZARETH ist eines ihrer ganz wenigen übersetzten Bücher, das in Deutschland veröffentlicht wurde. Da ist der Weg des englischen Titels HOLY LANDS über SCHWEINE ZÜCHTEN in deutsch, zum Filmtitel DIE WURZELN DES GLÜCKS noch verwunderlicher. Aber so ist das deutsche Filmwesen eben, künstlerische Freiheit, wo sie stets unangebracht ist. Das schadet dem Film als solchen nicht, wahrscheinlich aber seinem Erfolg, wenn nicht einmal geneigte Leser von Amanda Sthers den Film mit dem Buch in Verbindung bringen können.


Streng genommen erzählt HOLY LANDS keine Geschichte, sondern ist eine Zustandsbeschreibung. Ein berühmter Arzt, der ausstieg und Schweine im geheiligten Land züchtet. Eine hypochondrische Mutter, deren Schicksal wie eine selbst prophezeiende Erfüllung scheint. Eine ewig studierende Tochter, die lieber die Welt bereist, als ein gefestigtes Leben zu beginnen. Und dann ist da der schwule Off-Broadway Autor, der nur erfolgreich ist, weil sein Vater scheinbar mit ihm gebrochen hat. Nicht zu vergessen ein Rabbi, der einzige mit dem Vater Harry einen offenen Kampf austrägt, seltsamerweise aber sein bester Freund ist.

Hier hat Amanda Sthers ein verdammt gutes Ensemble gewonnen. Natürlich steht da James Caan ganz vorne, der scheinbar überhaupt nichts falsch machen kann, der auch wenn er oftmals sehr wenig tut, einfach mit bescheidener Präsenz glänzt, ohne seine Mitspieler zu dominieren. Doch die eigentliche Überraschung ist Tom Holland, von dem man gewohnt ist, dass er mit undurchsichtigen oder durchtriebenen Figuren auffällt. Sein Rabbi Moshe hat im Film definitiv die meisten Lacher und höchsten Sympathiewerte auf seiner Seite. In vielen Szenen von HOLY LANDS hat man das Gefühl Amanda Sthers hätte gar nicht führen müssen, und ihre Schauspieler wären ganz selbstständig in ihren Rollen aufgegangen. Aber diese Stellen wirken nicht improvisiert um auf eine emotionale Aussage hinzuarbeiten. Das Spiel ist stets in einem natürlichen Fluss, auch zu den Figuren selbst. Besonders deutlich wird das bei Rosanna Arquette und Jonathan Rhys Meyers, die ihren Schmerz nach außen tragen, gerade weil sie so verbissen sind zu versuchen über den Dingen zu stehen.

Holy Lands b,  Copyright StudioCanalEs ist wie ein Panoptikum ähnlicher Charaktere, die aber versuchen auf unterschiedlichste Weise ihre Probleme zu bewältigen. Das funktioniert ganz hervorragend und überzeugend mit den Figuren, allerdings hakt es dabei in der Geschichte selbst. Vielleicht hat sich die Drehbuchautorin Sthers von ihrem eigenen Quellmaterial etwas zu sehr treiben lassen. Aber im Film kommen die einzelnen Stücke einfach nicht zusammen. Keine Sequenz hat einen Einfluss auf einen anderen Protagonisten. Jedes Familienmitglied scheint für sich zu stehen, und auch wenn einer den anderen erwähnt, ihm einen Brief schreibt, versucht telefonisch zu erreichen. Keiner von ihnen entwickelt sich, keiner scheint vom anderen abhängig zu sein. Selbst in einer sehr berührenden Szene, als Mutter Monica versucht mit David, ihrem Sohn, zu sprechen, tut sie das allein für sich.

Vielleicht wäre es von Vorteil gewesen, den Roman gelesen zu haben, aber so sollte ein Film eigentlich nicht funktionieren. Bis auf Davids Autorenschaft und den Hintergrund dazu, erfährt man nichts über die Motivationen der anderen Familienmitglieder. Das ist sehr schade, weil man zum einen gewisse Zusammenhänge sehr gerne erfahren möchte, und zum anderen wirkt der Film im Gesamten nicht schlüssig. Manchmal irritiert Amanda Sthers auch mit ihrer Sprunghaftigkeit zwischen einzelnen Sequenzen. Wir sind keine Familie die sich berührt, sagt jemand im Film, keine Familie die miteinander spricht, wir sind eine Familie die schreibt. Aber auch Harrys Epilog in Briefform, kann die vielen offenen Fragen nicht beantworten. Dafür erspart die Regisseurin dem Publikum allzu aufdringliche Dramatik, übersteigerte Emotionen. Die Inszenierung gewinnt eher durch ein Augenzwinkern, und bindet den Zuschauer mit leisem, unaufdringlichen Humor. Alles in allem verhält es sich wie mit der Grundprämisse, inmitten von Moslems und Juden Schweine zu züchten ist eine aberwitzige Idee, aber man erfährt einfach nicht den Hintergrund.

Holy Lands c,  Copyright StudioCanal

Darsteller: James Caan, Tom Hollander, Efrat Dor, Jonathan Rhys Meyers, Rosanna Arquette, Patrick Bruel u.a.
Regie & Drehbuch: Amanda Sthers
Kamera: Regis Blondeau
Musik: Grégoire Hetzel
Produktionsdesign: Francoise Joset
Frankreich – Belgien / 2017
100 Minuten

Bildrechte: StudioCanal
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