ABIKALYPSE

Abikalypse 1, Copyright WARNER BROS.ABIKALYPSE – Bundesstart 25.07.2019

Das die Deutschen auch amerikanisches Kino beherrschen, wurde hin und wieder schon bewiesen. Vielleicht nicht so aufwendig, erst recht nicht so erfolgreich, aber das Prinzip der einfachen Formeln ist gar nicht so schwer zu kopieren. Die Frage, warum es immer amerikanisch sein muss, erübrigt sich. Filme werden heute aus rein wirtschaftlicher Sicht gemacht, nicht der Kunst wegen. Als zum Beispiel Louis B. Mayer noch Studiochef in Amerika war, da wurden Filme noch aus Leidenschaft produziert. Als die Schlöndorffs und Herzogs noch durch wüste, deutsche Filmlandschaft schlurften, wurde ihnen Geld hinterher geworfen, nur um dem amerikanischen Einerlei fern zu bleiben. Um heute auf einen deutschen Film zu stoßen, der sein eigenes Profil erarbeitet hat, unterhält und gleichzeitig international bekannt wird, dazu muss eine scheinbar ewige Wüste durchwandert werden. Echte Hoffnungsträger erweisen sich dann auch noch als Fata Morgana. Eine bittere Erfahrung, die nun alle machen müssen, die an ABIKALYPSE arbeiteten und dem Konzept vertrauten.


Vier Abiturienten, allesamt Außenseiter, schmerzt die Sehnsucht nach Anerkennung und Zugehörigkeit. Jetzt ist das Abi bestanden, da muss man sich doch irgendwie endlich einmal bei denen ins Gedächtnis brennen, die einem die letzten Jahre nur mit Spott und Verachtung entgegen kamen. Die Vier haben sich nur zu viert, also muss es endlich krachen, mit der geilsten Abiturfeier, die es jemals gegeben hat. Dies ist das Versprechen. Und wer den ein oder anderen Streifen über Abschlussfeiern gesehen hat, der weiß was kommen muss. Oder glaubt es zumindest zu wissen. Da gab es PORKYS, irgendwann AMERICAN PIE, aus der Apatow-Schmiede SUPERBAD, oder PROJECT X. Ordentlich überdrehte Komödien, Alkohol geschwängert, voller derber Späße und mächtig Sauereien im Umgangston. Und immer wieder macht ABIKALYPSE so kleine, nervöse Ausreißer in genau diese Richtung, schwenkt dann aber ständig um, weil er woanders hin möchte.

Hämmernde Musik, verkantete Kameraeinstellungen, ausgelassenes Partygewimmel und eine Off-Stimme, die im harschen Umgangston die Situation der Außenseiter erklärt. Ein provokantes „verfickt“ ist auch dabei, man soll ja wissen, um was es geht. So beginnt der Film, welcher der Einstieg für jeden x-beliebigen Film um losgelassene Teenager sein könnte. Sehr schnell folgt ein weiteres Element, welches sich bereits als Klischee in Jugendfilmen etabliert hat. Eingeblendete Text-Nachrichten die soeben von den Figuren geschrieben werden, oder diverse Anzeigen von Beziehungsstatus und Zahlen von Followern und geklickten Likes. Also kopieren die Macher sehr gut bei den großen Brüdern, aber dabei geht völlig ab, etwas Eigenständiges daraus zu machen. Es fehlt das Besondere und vor allem der Witz.

Abikalypse 2, Copyright WARNER BROS.Lernt der Zuschauer erst einmal die Hauptfiguren kennen, ist dieser zuerst damit beschäftigt herauszufinden, wieso die keinen erweiterten Freundeskreis haben. Auch wenn in der Schule eine eher oberflächliche Beziehung schon als Freundeskreis angesehen wird. Da ist Hannah, die als Konsolen-Freak immer top geschminkt vor die Kamera geführt wird, und nur wegen ihres Kapuzenpullis als Nerd gemieden wird. Oder der verdammt gut aussehende Tom, dem aus rein dramaturgischen Gründen wohl kein einziges Mädchen hinterher gucken darf. Dafür aber Yannick, der mit Jerry Hoffmann von einem sichtbar älteren Semester verkörpert wird, und von seiner Vita mit Dreißig geoutet wird. Und warum der stinkreiche Musti gemieden wird, obwohl er bereit ist, für ein paar falsche Freunde jeden Betrag auf den Kopf zu hauen, bleibt schleierhaft.

Die letzte Distanz geht ABIKALYPSE nie, weder das Drehbuch, noch Adolfo Kolmerers ungelenke Regie wagen geschmacklose Grenzüberschreitungen. Sie nutzen den Film als moralisierendes Stück über Freundschaft und den Wert einfach sich selbst treu zu bleiben. In merkwürdigen Traumsequenzen, spiegeln sich die Ängste des jeweiligen Charakters. Auch hier bleibt Witz oder wenigstens ein Anflug von Humor außen vor. Außer, dass alle vier Freunde exakt das selbe Traum-Schema haben. Und gerade als man hofft, es würde endlich einmal ordentlich auf den Putz gehauen, stolpert man über an den Haaren herbei gezogene Konflikte. Ein Streit zwischen Hannah und Tom kommt genauso unmotiviert, wie der bösen Leonie ihre nicht nachvollziehbaren Absichten. Viele Dinge geschehen zum Selbstzweck, und der Film gleitet immer wieder ins episodenhafte, ohne eine fließende Einheit zu bilden. Am schlimmsten ist dabei der Besuch auf einem polnischen Asia-Markt, dessen Verlauf nicht deutlicher vorhersehbar sein könnte. Noch dazu, dass die Asiaten in Polen tadelloses, akzentfreies Deutsch sprechen.

Jetzt kann ein Film für Jugendliche, durchaus auch einmal Probleme und Ängste von Jugendlichen ansprechen. Es muss nicht immer der schamlose Klamauk sein, oder die krasse, teils erschreckend unverblümte Sprache des am Erwachsen werdenden Nachwuchses. Aber ein klare Linie sollte in Handlung, Charakter Beschreibung und Dramaturgie gegeben sein. Beide Ebenen würden bei ABIKALYPSE funktionieren, aber gemeinsam kommen sie einfach nicht zusammen. Und so macht die ganze Geschichte einen extrem sprunghaften Eindruck, der den Zuschauer nie richtig mitnimmt. Das können die Amerikaner ohne Zweifel besser, ob als Drama, oder derbe Komödie.

Abikalypse 3, Copyright WARNER BROS.

Darsteller: Lea van Acken, Reza Brojerdi, Lucas Reiber,  Jerry Hoffmann, Lisa-Marie Koroll, Oliver Korittke, Mehmet Kurtulus u.a.
Regie: Adolfo J. Kolmerer
Drehbuch: Tim Gondi
Kamera: Konstantin Freyer
Bildschnitt: Robert Hauser, William James
Produktionsdesign: Carine Cavegn
Deutschland / 2019
100 Minuten

Bildrechte: WARNER BROS.

 

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