THE HATEFUL EIGHT
BUNDESSTART 28.01.2016
Kapitel Eins:
LETZTE KUTSCHE NACH RED ROCK
Drei der hassenswerten Acht, treffen unterwegs aufeinander, wo der Kutscher versucht, einem sich nähernden Blizzard zu entkommen. Und Quentin Tarantino tut alles daran, es unentwegt mysteriös zu halten. Soll der Henker wirklich den Major zu sich und seiner Gefangenen in die Kutsche lassen? Es wird viel geredet, in diesem Auftakt zu Tarantinos achten Film. Der Henker und der Major, beides Kopfgeldjäger, kennen die Arbeit des jeweils anderen, der Respekt ist also geboten, das Misstrauen aber nicht aufgehoben. Spannung baut sich in diesen Szenen kaum auf. Dafür schwelgt der Regisseur in den Panavisionsbildern von Robert Richardson. SuperPanavision 70 war ein Filmformat, welches gegen Cinemascope und Cinerama konkurrieren konnte, und durchaus ein klareres Bild bietet als eine digitale 4K Auflösung. Panavision musste für Tarantinos Traum Objektive aus dem Keller kramen, die seit 1966 nicht mehr in Gebrauch waren.
Kapitel Zwei:
ALTER HUNDESOHN
Die Fahrt geht voran, aber der Blizzard scheint schneller. Es wird weiterhin viel geredet, und auch provoziert, was gerade für die Gefangene körperlich nicht sehr bekömmlich ist. Und bei einem erneuten Nothalt, kommt wieder ein hilfesuchender Mann des Weges. Der angehende Sheriff von Red Rock. Für den Henker sind das zu viele Zufälle für eine Fahrt, das Misstrauen bleibt also bestehen. Es wird weiter in mysteriösen Andeutungen geredet. Tarantino will ganz offensichtlich keine schwarzweiß Malerei, sondern sich nach allen Seiten Luft verschaffen, den Zuschauer aber unbedingt in Rätsellaune halten. Was bis zu diesem Zeitpunkt noch ganz gut funktioniert.
Kapitel Drei:
MINNIEs HÜTTE
Die Kutsche hält bei Minnies Hütte, eine Raststätte für Reisende. Die Passagiere treffen dort auf den Kleinen Mann, den Cowboy, den Mexikaner, und den Konföderierten. Während der Henker nur davor warnt, Abstand von seiner Gefangenen zu halten, spürt der Major förmlich, dass die Situation alles andere als normal ist. Doch draußen tobt der Blizzard, und ein Entkommen ist nicht möglich. Und der Film ist bei seiner zentralen Bestimmung angekommen. Denn nach und nach macht der Drehbuchautor und Regisseur aus seinem Western einen Thriller. Ist alles nur ein Zufall, oder wie könnten all die Ungereimtheiten in Verbindung stehen. Bisher lagen Tarantinos Stärken immer in den Dialogen, die sich konträr zur Prämisse verhielten. Das Gespräch über Trinkgeld in RESERVOIR DOGS, zum Beispiel, oder die Erklärung des Viertelpfünders in PULP FICTION. Diese Kraft hat er in HATEFUL EIGHT nicht aufgebracht, was um so schmerzlicher ist, weil der Film mit seinen Dialogen im Thema bleibt, und anfängt sich zu wiederholen. Viel zu selbstverliebt inszeniert der Film seine Figuren über die Maßen, dass Tarantino das Gespür für Tempo verliert. Beginnt der Film schon eigenwillig langsam, kann er auch im Mittelteil überhaupt keine Fahrt aufnehmen. Was bei der Verhörszenen im ersten Kapitel von INGLOURIOUS BASTERDS sehr gut funktionierte, kann man einfach nicht auf zwei Stunden eines drei Stunden Films übertragen.
Kapitel Vier:
DOMERGUEs GEHEIMNIS
Was erstaunt, ist Robert Richardsons Effektivität mit einem Seitenverhältnis von 2,75:1 in einem geschlossenen Raum zu drehen, was mehr als Dreiviertel der Zeit im Film ausmacht. Doch da stimmt jede Einstellung, jede Form des Bildausschnittes, und auch die Länge jeder einzelnen Szene. HATEFUL EIGHT will eine Verbeugung vor den großen Western von Howard Hawkes und John Ford sein. Das gelingt Tarantino lediglich mit dem Grundstein seiner Geschichte, aber Richardson mit seiner Photographie im vollen Umfang. Die Frage richtet sich nur nach dem „Warum?“. Natürlich kann man den nostalgischen Hauch nicht verleugnen, wenn dem Cineasten glasklare Analogbilder vor Augen geführt werden. Der Unterschied von SuperPanavision 70 zu Digital 4K ist noch immer sichtbar, aber nicht mehr bezahlbar. Wohingegen normales 35mm Filmmaterial der digitalen Evolution längst nicht mehr Stand halten kann. Man kann Tarantinos Mission als letzte Würdigung und Kniefall vor den ehemaligen Erungenschaften in der Kinotechnik verstehen. Mehr kann es nicht sein, wenn man weltweit die Kinos an zwei Händen abzählen kann, die überhaupt noch 70mm Zelluloid projizieren können.
Kapitel Fünf:
DIE VIER PASSAGIERE
Wenn der erzählende Regisseur versucht, diese alles bestimmende Überraschung einfließen zu lassen, ist es für den Zuschauer längst zu spät. Das fünfte Kapitel springt einige Stunden in der Zeit zurück. Doch genau mit diesem Sprung, offenbart sich umgehend die Handlung und die Auflösung dieses fünften Kapitels. Vielleicht mag es sich auf dem Papier als cleverer Schachzug gelesen haben. Aber Tarantino hat im vorangegangenen Kapitel bereits so viel kryptische Hinweise gegeben, dass sich diese sofort mit dem Beginn des fünften Kapitels auflösen. Was der Regisseur damit zu vertuschen versteht, in dem er sich auf seine Kernkompetenz beruft. Und das ist die übersteigerte Gewaltobsession, die von hier an mehr und mehr Einzug hält. Wobei sich Tarantino dabei sehr uninspiriert zeigt, und lediglich Pistolen- und Gewehrkugeln zur Deformierung des menschlichen Körpers heranzieht.
Kapitel Sechs:
BLACK MAN, WHITE HELL
Im Grunde hat HATEFUL EIGHT eigentlich alles, was Fans von Quentin Tarantino sehen möchten. Doch nicht in den richtigen Proportionen. Vor allem fehlt dem Film viel an den Absurditäten, die seine anderen Filme ausmachten. Aber auch die überstrapazierten Gewalteffekte kann er nicht liefern. Obwohl er dennoch mit der letzten Sequenz tatsächlich den Bogen überspannt, die allerdings nicht witzig, aber auch nicht brutal ist, sondern etwas abstoßend pornographisches hat. So hat Quentin Tarantino mit seinem achten Film gezeigt, dass er einer Routine folgt. Seien es die Kapitel Unterteilungen, oder Charakterzeichnungen. Mit acht Filmen hat sich Tarantino ein Muster geschaffen, welchem er nun hinterher schreibt. Das war mit INGLOURIOUS BASTERDS noch sehr gelungen, trug sich bei DJANGO UNCHAINED schon etwas ab, und verliert bei HATEFUL EIGHT vollkommen. Ein wegen seiner Laufzeit extrem langweiliger Film, der sich selbst seiner Überraschungen beraubt. Es war ja schon immer die Frage, ob das stilisierte Wunderkind Tarantino ein begnadeter Filmemacher sei, oder begabter Raubkopierer. HATEFUL EIGHT trägt zweifellos die Handschrift eines Filmemachers, und da sollte er in Sachen Tempo und Erzählrhythmus noch einmal in sich gehen.
Darsteller: Samuel L. Jackson, Jennifer Jason Leigh, Kurt Russell, Walter Goggins, Tim Roth, Demián Bichir, Michael Madsen, Tim Roth, Tatum Chaning, Bruce Dern, James Parks u.a.
Drehbuch & Regie: Quentin Tarantino
Kamera: Robert Richardson
Bildschnitt: Fred Raskin
Musik: Ennio Morricone
Produktionsdesign: Yohei Taneda
USA / 2015
167 Minuten