CREED – Bundesstart 14.01.2016
Die ersten Vorabplakate, mit dem weißen, verwaschenen Titel auf schwarzen Grund, die ließen auf einen neuen Teenie-Slasher vermuten. Das machte neugierig auf den Trailer, der letztendlich wirklich zu überraschen verstand. Die ersten Szenen ließen auf eine billige ROCKY-Kopie schließen, bis der Mann mit Hut auftauchte. Der Gongschlag zur siebten Runde. Hatte der Fan seine berechtigten Schwierigkeiten mit Teil 4, machte es Nummer 5 nicht besser. Schließlich siegte ROCKY BALBOA wieder ganz klar nach Punkten. Über Sinn und Unsinn braucht man dabei nicht zu diskutieren, es geht um ein Vermächtnis, welches weit größer ist, als sich Nörgler und Schlechtredner jemals ernsthaft darüber ereifern könnten. Ryan Coogler und Aaron Covington haben lange auf Sylvester Stallone eingeredet, der vehement ablehnte. Schließlich hatte er sich mit ROCKY BALBOA selbst in einen grandiosen Abgang geschrieben und inszeniert.
Donnie Johnson möchte unbedingt Boxer werden. Als Junge steckte er immer in Schwierigkeiten, bis ihn seine wahre Vergangenheit einholt. Doch selbst ein guter Schulabschluss und letztendlich sein Karrierejob lassen ihn nicht ruhen. Seit er erfahren hat, der Sohn des legendären Apollo Creed zu sein, sieht er seine Berufung zum Boxer umso eindringlicher. Ohne allerdings auf dessen Namen aufbauen zu wollen. Was ihm fehlt, ist ein Trainer, und so sucht er einen alten Freund seines Vaters auf. Das haben Ryan Coogler und Aaron Covington alles sehr schön eingefädelt, bevor sie beginnen, die Elemente von Stallones erstem ROCKY-Drehbuch, behutsam in eine Zeit fast vierzig Jahre später zu transportieren. Coogler und Covington hielten während der Schreibphase auch ständig Kontakt mit Stallone, um Rat und Einverständnis gleichermaßen zu erfahren.
Herausgekommen ist dann doch ein sehr eigenständiger Film, der die Reihe mit einer überzeugenden Logik innerhalb der eigenen Welt sehr gut weiterführt. Und wer möchte, kann CREED auch als Neustart sehen, jetzt eben mit einem schwarzen Charakter, für eine neue Generation. Aber das wäre wirklich nur der halbe Spaß. Hatte die Hauptfigur in ROCKY noch mit seiner Adrian eine treibende Motivation, ist es in CREED das Verhältnis von Boxer und Trainer. Auch wenn man Donnie Johnson, der irgendwann seinen richtigen Namen Adonis Creed annehmen wird, schnell eine Beziehung in Gestalt von Bianca an die Seite stellt, so wird diese zu einer eher nebenher laufenden Geschichte. Sie wird wichtig für Adonis, aber nicht als Inspiration. Hier spaltet sich sein Leben in zwei verschiedene Welten. ROCKY hingegen hatte diese beiden Bezugspunkte in seinem Leben zu einer Einheit verschmelzen können.
Es gibt die üblichen Konfliktpunkte. Streit, Missverständnisse, Verhältnismäßigkeiten. Der Schüler will nicht hören, die Provokationen von Gegnern, überraschende Stolpersteine. Das alles war schon immer da, und gehört dazu. Dabei ist der Film allerdings definitiv zu lange geworden. Eine ordentliche Trimmung in den Spielszenen hätten ihm wirklich gut getan. Mit 133 Minuten ist dies auch der längste in der Reihe. Aber Hände weg von den Boxszenen. Sehr viel Neues kann man dem Boxfilm in Inszenierung, Schnitt und Auflösung nicht mehr abgewinnen. Dafür hat Maryse Alberti gerade im Kampf in der Mitte des Films unglaubliches von den Darstellern abverlangt. Nicht nur das die Einstellungen grundsätzlich sehr lang sind, sondern zwei Runden inklusive Pause sind mit Steadycam an einem Stück gedreht. Da muss man respektvoll den Hut vor den Darstellern ziehen, welche diese enorme Anstrengung meisterten, die Choreografie so perfekt zu verinnerlichen. Und Respekt vor Coordinator Clayton Barber, der sich dieser Aufgabe so meisterlich stellte. Aber was will man auch machen, so sehr das Drama auch zählen mag, es ist ein Boxer-Drama. Und das darf sich vor einem guten Kampf nicht drücken.
Michael B. Jordan erweist sich erneut als sehr einnehmender Darsteller, der den getriebenen Boxer überzeugend vermittelt, ohne in ein Übermaß an Gestik und Mimik verfallen zu müssen. Und auch physisch, hat er einiges zu zeigen, was ihn für die Rolle durchaus glaubhaft macht. Allerdings ist da noch Sylvester Stallone, der ohne Mühe allen den Rang abläuft. Es ist unglaublich, wie sich Stallone in den letzten Jahren entwickelt hat. Sein Rocky ist mittlerweile von Altersweisheit geprägt, aber ihm fehlt die Energie. Er ist müde, weil er weiß, wo eigentlich sein Platz sein sollte. Stallone hat es in seinen Augen, er hat es in der Stimme, und man hat nicht das Gefühl er würde ’spielen‘. Da CREED mehr wie ein Drei-Personen-Stück aufgebaut ist, fällt hier Tessa Thompson als Adonis Freundin Bianca sehr schnell hinten runter, und muss sich damit zufrieden geben, nicht mit Jordan und Stallone auf einer Ebene sein zu können.
Man darf auch Ludwig Göranssons sehr eigenwillige Musik nicht vergessen, bei der man stark FRUITVALE STATION heraus hört, den er auch für Ryan Coogler komponierte. Doch Göransson weiß auch, wo die Wurzeln liegen. So baut er nach und nach immer mehr musikalische Elemente ein, die sich vor Bill Contis Rocky-Kompositionen verbeugen, und doch einen sehr eigenen Charakter besitzen. Ihm ist musikalisch eine zu Herzen gehende Brücke gelungen. Doch letztendlich fehlt CREED etwas ganz entscheidendes. Was fehlt sind definitiv die Schweinehälften, absolut.
Darsteller: Michael B. Jordan, Sylvester Stallone, Tessa Thompson, Phylicia Rashad, Andre Ward, Tony Bellew u.a.
Regie: Ryan Coogler
Drehbuch: Ryan Coogler, Aaron Covington
Kamera: Maryse Alberti
Bildschnitt: Claudia Castello, Michael P. Shawver
Stunt- und Box-Coordinator: Clayton J. Barber
Musik: Ludwig Göransson
Produktionsdesign: Hannah Beachler
USA / 2015
133 Minuten