WILD CARD – Bundesstart 12.02.2015
Jason Statham. Das ist ja ein Name für sich. Eigentlich ist er auch schon ein Genre für sich. Gab es einmal eine Zeit, als man bei jedem neuen Film mit Jason Statham glaubte etwas Überraschendes mit dem Prügelknaben erleben dürfen, erlebte man eine Enttäuschung. Wem das heute noch passiert, der ist dumm geboren, und hat nichts dazu gelernt. WILD CARD ist der neueste Streich des stoischen Briten. Für den hat William Goldman sein Drehbuch HEAT noch einmal überarbeitet. Nicht der Michael-Mann-Klassiker, sondern der Film mit Burt Reynolds aus 1986. Aber man kann Drehbücher adaptieren wie man will, ein Typ wie Jason Statham macht es immer zum ganz persönlichen Film. Und es mag immer noch Menschen geben, die Augen rollen, genervt stöhnen, oder gelangweilt passen. Aber eigentlich geht nichts über einen Jason-Statham-Film. Ein Film mit Jason Statham, dass ist wie das erste Feierabendbier. Das Zischen des sich öffnenden Kronkorkens bereitet ein dämlich dümmliches Lächeln im Gesicht. Und dann gleiten die ersten Schluck die Kehle hinunter, ohne das man irgendetwas reflektiert. Der letzte Schluck geht mit einem von Herzen kommenden Rülpser einher, der auf einfachste Weise signalisiert, dass man dies nun wirklich gebraucht hat. Dann ist man wieder zurück in der Wirklichkeit, und genießen kann man dann an anderer Stelle.
Nick Wild ist eine Art Bodyguard in Las Vegas. Typ Einzelgänger, Freundschaft nur mit Abstand, und nicht ausgesprochene Probleme. Nick ist leidenschaftlicher Zocker, was ihn wahrscheinlich auch in Las Vegas hält. Der nach Hilfe schreiende Anruf seiner Ex Holly, bringt den nunmehr gesitteten Problemlöser in Bedrängnis. Holly ist in einem Casino-Hotel von einem Typen der Mafia und seinen zwei Bodyguards in eine Falle gelockt, und massiv misshandelt worden. Nick meint zu erst einmal „selbst Schuld“, und beendet das Gespräch. Aber ein Typ wie Nick Wild, gespielt von Jason Statham, kann schwer über seinen Schatten. Er findet heraus, das Hollys Peiniger Danny DeMarco ist, ein verwöhnter Fratz mit, Überraschung, Beziehungen nach ganz oben. Und schneller als Nick dreimal die Hacken zusammen schlagen und sagen kann „there is no place like home“, ist er schon mitten im Rachekomplott. Und er muss zusehen, wie Holly den gefesselten DeMarco damit quält, seinen Piepmatz abzuschneiden. Leider trat hier das Drehbuch einen Schritt zurück, wo es dem Film allerdings gut getan hätte, ein wenig über den feinen Geschmack hinaus zu übersteigern.
Auch WILD CARD ist kein Werk mit großer Botschaft, oder hintersinniger Charakterzeichnung. Nick Wild kommt in Bedrängnis, und er weiß sich dieser zu erwehren. Zum Erstaunen des geneigten Zuschauers gönnt sich der Film lediglich eine kurze und dann nur zwei ausführliche Action-Sequenzen, in denen Jason Statham im wahrsten Sinne des Wortes und zur Befriedigung des Zuschauers auch handgreiflich werden darf. Simon West inszenierte diese Szenen mit geschuldetem Kalkül, und warf alles in die Waagschale, was aktuell moderne Action-Filme ausmacht. Extreme Verlangsamung genauso, wie Stakkato artig wiederholte Sequenz-Abfolgen. Und wenn Nick Wild zuschlägt, dann tut das weh. Und die Regie lässt keinen Augenblick ungenutzt, um zu zeigen, wie weh es tun kann. Auch wenn es sich mit eigentlich nur zwei Adrenalin-Sequenzen als eher spärliches Action-Abenteuer ausnimmt, beweist es sich in diesem Fall als durchaus dramaturgisch gerechtfertigt.
Nick Wild hat noch mehr zu bieten, um den charakterlichen Eigenschaften seiner Figur eine zusätzliche Note zu verleihen. Da wäre unter anderem eine Black-Jack-Session, die durchaus mehr Licht auf Nicks Charakter zu legen vermag, als man vermuten möchte. Nick Wild will nur oberflächlich der typische Jason-Statham-Charakter sein. Drehbuchautor William Goldman hat für seine Figur weit tiefer gehende Züge vorgesehen, als Regisseur Simon West letztendlich umzusetzen verstand. Hinlänglich verschenkt wurden die Talente von Hope Davis als Geberin am Kartentisch und Anne Heche als Bedienung in Nicks Stammlokal. Leider kommen die sonst ausgezeichneten Darstellerinnen nicht über Stichwortgeber-Charakter hinaus. Das dann ausgerechnet Milo Ventimiglia mit Klischee-Makeup und Stereotyp-Dialog als ernsthafter Gegner für Nick in Betracht gezogen wurde, ist ein Vergehen am Film selbst. Ventimiglia ist weit davon entfernt, eine Rolle wie diese auszufüllen, die allein schon aufgrund der Prämisse mit viel Charisma dargestellt werden muss. Dies beweist wieder einmal Stanley Tucchi, wenn es um Charisma geht. Seine Leinwandzeit ist sehr kurz, aber mit seinem Casino-Besitzer zeigt Tucchi wie man mit Charakterstärke eine minimale Rolle souverän gestaltet.
Dies ist ein Film mit Jason Statham. Und deswegen bekommt der Zuschauer auch einen Jason-Statham-Film, nichts anderes. Das Feierabendbier. Das kann man sich durchaus gönnen, manchmal hat man es sich auch echt verdient. Die erlesenen Weine, kann man sich an besonderen Abenden öffnen.
Darsteller: Jason Statham, Michael Angarano, Dominik Garcia-Lorido, Hope Davis, Anne Heche, Max Casella, Stanley Tucchi, Jason alexander, Sofia Vergara, Milo Ventimiglia u.a.
Regie: Simon West
Drehbuch: William Goldman
Kamera: Shelly Johnson
Bildschnitt: Padraic McKinley, Thomas J. Nordberg
Musik: Dario Marianelli
Produktionsdesign: Greg Berry
USA / 2014
92 Minuten