UNFRIENDED – Bundesstart 16.07.2015
Wie verbringt der moderne Teenager seine Freizeit? Da ist die Mär von YouTube, sozialen Netzwerken und Skype. Wie dann wohl ein zeitgemäßer, oder angemessener Kinofilm aussehen müsste, erschließt sich dann von alleine. Zuerst einmal ist die Leinwand ein gigantischer Computer-Desktop. Fenster werden geöffnet, und Fenster werden geschlossen. Ein Film auf YouTube wird angesehen. Via Privat-Messenger werden ein paar Zeilen ausgetauscht. Ein kurzer Plausch im Video-Chat. Der jugendliche Zuschauer sieht genau das, was er der Legende nach immer in seiner Freizeit sieht. Bringt man das Video, die Textnachrichten und den Video-Chat irgendwie in Zusammenhang könnte man damit eine Geschichte erzählen. Eine clevere Idee, die man durchaus als innovativ bezeichnen muss. Alles was dem Zuschauer noch fehlt, ist sich in die Geschichte einzubringen.
Der Film beginnt mit einem Video auf LiveLeak, in dem sich eine Schülerin das Leben nimmt. Wie sich heraus stellen wird, war die Schülerin Laura Barnes. Später sehen wir auf YouTube ein Video, welches der Grund für den Selbstmord war. Laura, absolut besoffen, liegt irgendwo in ihren eigenen Fäkalien. Eine Klick-Sensation. Skype wird geöffnet, fünf Freunde plaudern Belangloses. Laura Barnes Selbstmord liegt genau ein Jahr zurück. Doch noch jemand gelangt in den Chat, ein unbekannter Teilnehmer. Neustarts und spezielle Programme helfen nicht weiter. Der Unbekannte taucht immer wieder auf. Und er weiß alles, jede noch so geheim gehaltene Kleinigkeit, von jedem einzelnen der Freunde. Langsam beginnt er die Gruppe gegen einander auszuspielen. Und als es denen zu viel wird, und sie den Chat abbrechen wollen, zeigt der unbekannte User, was er wirklich kann. Es wird eine Stunde auf Leben und Tod. Obwohl, eigentlich eher ohne Leben.
Was Nelson Greaves als Drehbuch auf die Welt brachte, ist tatsächlich keine schlechte Idee. Vor allem funktioniert der Film wirklich wie ein realer Abend vor dem Computer. Da mal schnell nachgesehen, da mal ein paar private Worte getauscht, zurück zur Gruppe, bei Facebook Informationen gecheckt, ein Video noch einmal schauen. Es wird niemanden überraschen, dass der unbekannte User Rache für die Schmähungen an Laura Barnes nehmen will. Wie das Ganze schließlich von Levan Gabriadze umgesetzt wurde, das macht aus der guten Idee einen Nerven zehrenden Film. Nicht etwa wegen der atemlosen Spannung. Minuten lang da zu sitzen, und sehen zu müssen, wie Texte geschrieben werden, das erfordert wirklich viel Geduld, selbst wenn die Texte handlungsrelevant sind. Aber auch die Skype-Chats stellen den Zuschauer auf die Probe. Tatsächlich lässt sich nicht sagen, ob die Schauspieler so schlecht sind, oder Gabriadzes Inszenierung einfach nicht funktioniert. Immer wieder kommt es zu Stimmungsumbrüchen, bei denen komplett jeder Grad an Glaubwürdigkeit verloren geht. Kein Mensch würde sich so via Internet anschreien, und dabei die Verbindung bestehen lassen. Noch dazu, dass es für den Zuschauer eine nervliche Herausforderung darstellt, die wirklich nichts mit Spannungskino zu tun hat.
Überraschend sind auch die wenigen, expliziten Gewaltszenen, die sich nicht wirklich harmonisch in den Handlungsverlauf einfügen. Das aber ausgerechnet immer in diesen Sequenzen die einzigen Verbindungunterbrechungen zu finden sind, durchschaut man schnell als billigen Effekt. Der Zuschauer soll nur mit kurz aufblitzenden Bildern schockiert werden. Die Hand im Mixer, das Messer im Schädel, das sind Splatter-Qualitäten, die ihres Gleichen suchen, aber im Zusammenhang mit der Geschichte wenig Sinn machen. Found-Footage hat mit UNKOWN USER ein neues Level erreicht. Aber nur weil diesem Film eigenartiger Weise mehr Aufmerksamkeit zu Teil wurde. Mit OPEN WINDOWS schrieb und inszenierte Nacho Vigalondo ebenfalls 2014, einen weit spannenderen und effektiveren Thriller, der über ein Computer-Desktop erzählt wird.
Darsteller: Shelley Henning, Renee Olstead, Will Peltz, Jacob Wysocki, Courtney Halverson, Moses Jacob Storm, Heather Sossaman u.a.
Regie: Levan Gabriadze
Drehbuch: Nelson Greaves
Kamera: Adam Sidman
Bildschnitt: Parker Laramie, Andrew Wesman
Produktionsdesign: Heidi Koleto
USA – Russland – Polen – Deutschland – Puerto Rico / 2015
83 Minuten