TRUE STORY – Bundesstart 06.08.2015
Dies ist die wahre Geschichte von Michael Finkel. Ein investigativer Reporter bei der New York Times, bis ihn ein schlecht verfasster Artikel den Job kostet. Etwa zu dieser Zeit, lernen sich in Mexiko ein Mann und eine Frau beim Stadtbummel kennen. Er heißt Michael Finkel, und ist Reporter bei der New York Times. Wer die wahre Geschichte von Michael Finkel nicht kennt, der erlebt hiermit den spannendsten und ungewöhnlichsten Einstieg in einen Film seit langem. Aber das Rätsel löst sich schnell auf, aber der Film verliert nicht an seiner suggestiven Spannung. Dieser Einstieg ist lediglich der Grundstein für ein psychologisches Katz- und Maus-Spiel der besonderen Art. Finkel erfährt von Christian Longo, einem Mann, der seine Frau und die drei gemeinsamen Kinder ermordet haben soll. Auf seiner Flucht, hat Longo die Identität von Christian Finkel angenommen.
Was Regisseur Rupert Goold mit seinem Film-Debut präsentiert, ist ein sehr dichtes Kammerspiel. Er verdichtet die Handlung auf die Figuren, wo sich besonders Humorgarant Jonah Hill erneut als wirklich ernst zunehmender Charakterdarsteller beweisen kann. Nur bei James Franco wird man das Gefühl nicht los, dass er sich irgendwie in den PINEAPPLE-EXPRESS-Modus versetzt hat. Sein stets leerer Blick, wirkt irgendwie unpassend zum Charakter von Christian Longo. Ein Mann, dem die Manipulation seiner Umgebung mit in die Wiege gelegt worden war. Aber Goold lässt dennoch Masanobu Takayanagis Kamera immer dicht bei den Charakteren bleiben. Lange, schnittlose Einstellungen der Darsteller intensivieren die Spannung zwischen Figuren. Selbst außerhalb der Dialogsequenzen, reduziert sich die Kamera auf das Wesentliche im Bild. Das macht zum Beispiel auch die Szene mit dem Teddybären besonders schockierend, der im Zeitlupen-Fall erst viel später preis gibt, wo er eigentlich hinfallen wird. Das Drehbuch setzt solche Bilder schon sehr früh an. Sie bleiben beim Zuschauer haften. Und sie haben schon den Ton gesetzt, wenn man die betroffenen Personen kennen lernt, oder versucht hinter deren Geheimnis zu kommen.
TRUE STORY verwehrt sich dem Offensichtlichen. Lange Zeit bleibt unklar, worauf der Film hinauslaufen wird. Das versteht Drehbuch und Regie äußerst geschickt. Was führt Michael Finkel wirklich im Schilde. Was treibt den ohnehin verlorenen Christian Longo tatsächlich an. Ist am Ende doch eine überraschende Wendung möglich. Ausgerechnet hier verliert der Film immer wieder seinen Halt. So spannend und unvorhersehbar Goold sein Publikum unterhält, es gelingt ihm nicht zu vermittelt, warum Longo so geschickt und konsequent seine gesamte Umwelt manipuliert. Finkel selbst bringt es zur Sprache, und selbst der Richter spricht den Delinquenten darauf an, aber dem Publikum bleibt die eigene Erfahrung verwehrt. Die Strategie in Longos eigener Verteidigung, ist die Verwirrung seines engsten Kreises, sowie der Geschworenen. So wird das Publikum immer wieder über die Erfahrungen der Betroffenen informiert, kann diese Situationen allerdings nicht selbst erfahren.
In einer Szene erklärt Longo dem Richter sein Verhalten in einer gewissen Situation, was Longo im exakten Wortlaut von Finkel aus einem ganz anderen Zusammenhang entlocken konnte. Es hätte viel mehr solcher Szenen gebraucht, um Christian Longo immer wieder auch für den Zuschauer zu entlarven. TRUE STORY ist ein sehr spannendes, und faszinierendes Kammerspiel. Aber er hat eben auch Momente, die aufzeigen, dass es noch eine Spur besser, einnehmender, und fürchterlicher sein könnte. Dennoch bietet TRUE STORY erstklassiges Charakterkino, das unter die Haut geht. Auch Michael Finkel hat schon einmal einen Artikel für die New York Times so verfasst, dass man ihm Manipulation unterstellen konnte. Er blieb der bessere Mensch, aber war sein Tun deswegen soviel anders, wie das von Christian Longo? Was beide taten, waren keine Akte von Bösartigkeiten, sondern von Charakterzeichnung. Und wie die Schrift am Ende des Films proklamiert, trafen sich die wahren Personen der wahren Geschichte, noch weit über die im Film gezeigten Ereignisse hinaus immer wieder. War am Ende Christian Longo der zum Selbstzweck manipulativ handelte, von dem sein vermeintliches Opfer Michael Finkel doch am meisten profitierte? Dies ist keine Geschichte von Gut und Böse, sondern von grauen Verläufen.
Darsteller: Jonah Hill, James Franco, Felicity Jones, Maria Dizzia, Ethan Suplee, Connor Kikot u.a.
Regie: Rupert Goold
Drehbuch: Rupert Goold, David Kajganich
Kamera: Masanobu Takayanagi
Bildschnitt: Nicolas De Toth, Christopher Tellefsen
Musik: Marco Beltrami
Produktionsdesign: Jeremy Hindle
USA / 2015
99 Minuten