THE VOICES – Bundesstart 30.04.2015
Jerry ist ein netter und simpler Junge, dem eine auffällige Einfältigkeit ins Gesicht geschrieben steht. Seine Arbeit in einer Badewannenfabrik erledigt er mit Leidenschaft und Freude, nicht zuletzt, weil Jerry von Fiona aus der Buchhaltung sehr angetan ist. Seine Schwärmerei für Fiona betrachten Jerrys beste Freunde mit gegensätzlichen Meinungen. Seine besten Freunde sind die Katze Mr. Whiskers und der Hund Bosco, die mit Jerry über einem verlassenen Bowling-Center wohnen. Bosco himmelt seinen Besitzer an und unterstützt ihn stets mit wohlwollenden Worten. Mr. Whiskers hingegen hält mit seiner geringschätzigen Meinung über Jerry nicht hinter dem Berg, und bedient sich in Bezug auf andere Menschen gerne der Fäkalsprache.
Die iranische Regisseurin Marjane Satrapi hat mit ihren ersten beiden Filmen PERSEPOLIS und HUHN MIT PFLAUME, das Arthouse-Kino in Verzückung versetzt, und kräftig im Preisverleihungszirkus mitgemischt. Bei THE GANG OF JOTAS wurde es allerdings schon wieder etwas still. Da schien die Ankündigung von THE VOICES wieder sehr vielversprechend. Eine schwarze Komödie, oder eher ein sarkastischen Splatter-Fest. Jedenfalls sind sprechende Haustiere, die ihren Besitzer zum Mord anstiften, schon eine fantastische Grundlage. Und mit Ryan Reynolds in der Hauptrolle, eine fast sichere Wette. Reynolds Karriere taumelte bisher immer so kurz vor dem Abheben auf der Startbahn herum. Der große Wurf wollte ihm nicht gelingen. Entweder wurde er von anderen dominiert, wie von Denzel Washington in SAFEHOUSE, oder große Filme wurden zu Rohrkrepierern inszeniert, wie GREEN LANTERN. Und das alles, nachdem er nach Jahren mit BURIED – LEBEND BEGRABEN zumindest kurzfristig schauspielerisch in den Sternenhimmel gefeiert wurde.
Ryan Reynolds kann dem einfältigen Jerry eine schon gespenstische Note abringen, wenn dieser sich milde lächelnd immer sein gegen ihn gerichtetes Schicksal ertragen muss. Oder er schmerzlich erfahren muss, in welcher Welt er tatsächlich lebt, wenn er seine gerichtlich verordnete Medizin auch einmal nimmt. Doch die Stimmen seiner Freunde sind ihm nicht nur wichtig, Jerry braucht Mr. Whiskers und Bosco, weil sie sein Leben bestimmen. Das hat natürlich sehr viel Stoff für bitterböse Schwarzhumorigkeit. Besonders wenn der abgetrennte Kopf eines versehentlichen Opfers auch noch mit Jerry zu reden beginnt, aber immer wieder im Kühlschrank aufbewahrt werden muss. Das Produktionsdesign hat in Verbindung mit Maxime Alexandres Kamerabildern einen wunderbaren Kontrast geschaffen, zwischen der hellen und freundlich gestalteten Traumwelt von Jerry, und dem düsteren Ambiente seiner tatsächlichen Wohnung.
Was THE VOICES allerdings fehlt, ist eine einheitliche Stimme. Mal beherrscht schwarzer Humor einzelne Szenen, dann wird der Film wieder zum finsteren Psychogram, oder er hangelt über dem Abgrund zum Klamauk. Marjane Satrapi inszenierte nicht in einer stimmigen Linie, möchte manchmal gewöhnlicher Slasher sein, dann wieder humorvolle Groteske. Dies führt dazu, dass auch der Charakter von Jerry zu schwanken beginnt. Aus dem unbedarften, aber liebenswerten Kranken, wird immer wieder einmal ein unsympathischer Psychopath. Auch wenn es Jerrys wahre Seele zeigt, beißt sich das mit der vordergründigen Absicht, die Geschichte eines absurd weltfremden Menschen zu zeichnen. Was bleibt, ist eine nette Abwechslung im Horrorkino, der seinen Ekelfaktor daraus bezieht, eben nicht explizit zu werden, sondern vieles nur angedeutet ist. Aber das Besondere daran verraucht dann doch sehr schnell, weil man doch schon vieles in dieser Art, schon stringenter inszeniert gesehen hat.
Darsteller: Ryan Reynolds, Gemma Arterton, Anna Kendrick, Jacki Weaver, Ella Smith u.a.
Regie: Marjane Satrapi
Drehbuch: Michael R. Perry
Kamera: Maxime Alexandre
Bildschnitt: Stéphane Roche
Musik: Olivier Bernet
Produktionsdesign: Udo Kramer
USA – Deutschland / 2014
103 Minuten