THE GUNMAN – Bundesstart 23.04.2015
Jean-Patrick Manchette könnte man durchaus als französischen Gegenpart zu Hammet und Chandler bezeichnen. Wenngleich Manchette wesentlich später geboren wurde, dem geschuldet auch erst 1969 seinen ersten Roman veröffentlichte. Dafür gab er dem französischen Kriminalroman einen neuen Schub. Trotzig, knapp und brutal. Allerdings blieb sein schriftstellerischer Ausstoß übersichtlich. Gerade elf Romane schrieb Jean-Patrick Manchette, und kümmerte sich ansonsten um seine Comic-Kreationen, veröffentlichte Filmkritiken, oder verfasste Drehbücher. Seine Romane waren stets Brutstätten für finstere Gestalten, und eine Herausforderung für den französischen Film, welche zum Beispiel Alain Delon gerne annahm. KILLER STELLEN SICH NICHT VOR war eine Adaption von Manchette. Schon ein Jahr später gab Delon sogar seinen Regie-Einstand, einschließlich Hauptrolle, mit der Verfilmung von RETTE DEINE HAUT, KILLER. Bereits ein weiteres Jahr später machte Alain Delon dann DER SCHOCK, seine Regie-Mitarbeit wurde allerdings nicht aufgeführt. DER SCHOCK basierte auf Manchettes Roman ‚Position: Anschlag liegen‘. Ein Roman, dem es auch Sean Penn angetan hatte.
Selbstredend hat die Vorlage eine enorme Modernisierung erfahren. Das hat seine Vor- und Nachteile. Ein Nachteil ist, dass sich durch die Überarbeitung die Geschichte tiefgründiger und intellektueller gibt, als es die Auflösung am Ende hergibt. Der Vorteil liegt eindeutig in den sich steigernden Spannungssequenzen. Denn es ist nicht leicht für Jim Terrier, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Acht Jahre vorher hat er mit einem Söldner-Team einen Minister der Demokratischen Republik Kongo ermordet, der für den Minenabbau verantwortlich war. Zuerst untergetaucht, ist Terrier nun in den Kongo zurück gekehrt, um sich bei einer Hilfsorganisation nützlich zu machen. Seine Geliebte sowie seine Söldner-Kollegen hat er seit dem Anschlag nicht mehr gesehen. Was er jetzt ändern muss, denn unvermittelt macht man Jagd auf Terrier, was eindeutig im Bezug zu dem damaligen Auftrag steht. Nur mühsam kann er sich dem immer enger werdenden Netz von Häschern entziehen, was es nicht einfacher macht, die Wahrheit heraus zu finden.
Regisseur Pierre Morel tummelte sich vorwiegend im Fernsehen, ist aber im Kino wirklich kein Unbekannter. Mit dem Parkour-Actionthriller DISTRICT B13 feierte er einen fulminanten Einstand, um dann mit 96 HOURS und FROM PARIS WITH LOVE in die eher typischen Luc-Besson-Fahrwasser abzudriften. FROM PARIS hatte einen überdrehten John Travolta, der denn Film ruinierte. 96 HOURS hatte einen Liam Neeson, der das Niveau des Films immens steigerte. Konnte sich nach Neesons überzeugenden Auftritten als in die Jahre gekommener Action-Held, auch Kevin Costner in 3 DAYS TO KILL eine glaubhafte Scheibe vom Krawall-Kino abschneiden, sollte man es dem 55 jährigen Sean Penn ebenfalls noch zutrauen können. Und genau so ist es. War das Action-Genre bisher nicht Sean Penns große Leidenschaft, hat er mit THE GUNMAN genau seinen Stoff gefunden. Nicht nur dass ein eher einfach gestrickter Stoff wie dieser, einen glaubwürdigen Charakterdarsteller gut vertragen kann. Auch physisch behauptet sich Penn, dass gar keine Zweifel an der körperlichen Tauglichkeit aufkommt. Morel inszeniert ihn dabei in Action- und Charakterszenen sehr ausgewogen, um für den Film die bestmögliche Ausbeute aus einem Mann wie Sean Penn zu gewinnen. Und genau das ist das eigentliche Problem mit THE GUNMAN.
Die Geschichte ist viel zu aufdringlich inszeniert und konstruiert. Man spürt förmlich die Bemühungen, Penn als Person im Zentrum zu halten. Die Handlung verliert sich dann schnell im Gewöhnlichen. Die Motivation füt Terrier in den Kongo zurück zu kehren, bleibt komplett außen vor. Und hat sich die Geschichte spannend und verzwickt aufgebaut, und ihren konspirativen Höhepunkt erreicht, fällt die Auflösung zurück in ein altes, sehr abgedroschenes Klischee persönlicher Befindlichkeit, welche mit dem großen Ganzen überhaupt nichts mehr zu tun hat. Zudem entwickelt sich das Ende in eine Richtung, welche den Kern der Handlung in Frage stellt. Denn in diesem Moment wird klar, dass es mehr Sinn gemacht hätte, Jim Terrier einfach in Ruhe zu lassen. Kein Zweifel, dass es immer wieder Vergnügen bereitet, wie der ehemalige Söldner seine Häscher austrickst, sie mit ihren eigenen Waffen schlägt, sich stets als überlegen präsentiert. Aber das ist es, was Luc Besson schon seit Jahren in Serie produziert. Und dabei ist THE GUNMAN noch nicht einmal ein Luc-Besson-Film. Und doch wird das Spektakel vor die Logik gesetzt. Das geht soweit, dass ein Mann wie Idris Elba mit seiner Figur zur bloßen Statistenrolle verkommt.
Sean Penn war bei THE GUNMAN Produzent, hat am Drehbuch mitgeschrieben, und gab sich die Hauptrolle. Ein Mann mit seiner Erfahrung, seinem Lebenslauf, der hätte es besser wissen müssen. Da wäre viel mehr möglich gewesen. THE GUNMAN ist ein sehr unterhaltsamer Film, der allerdings über eine durchschnittliche Kameraarbeit und einen obligatorischen Schnitt nicht hinaus kommt. Der dem Genre zugeneigten Action-Freund wird ein gewisses Gefallen an GUNMAN finden. Aber mehr Tiefgang und eine intelligentere Auflösung wäre ohne weiteres möglich gewesen. Auch wenn Jean-Patrick Manchettes Vorlage nicht mehr hergegeben hätte. Aber man hat sich ohnehin schon so weit vom Roman entfernt, dass darin keine Erklärung zu finden wäre. Wenn man einem wirklich spannenden und interessanten Film einfach anmerkt, dass er trotz allem seine Möglichkeiten nicht ausschöpft, dann ist das einfach ärgerlich.
Darsteller: Sean Penn, Jasmine Trinca, Javier Bardem, Idris Elba, Ray Winstone, Mark Rylance u.a.
Regie: Pierre Morel
Drehbuch: Sean Penn, Pete Travis, Don MacPherson
Kamera: Flavio Martinez Labiano
Bildschnitt: Frédéric Thoraval
Musik: Marco Beltrami
Produktionsdesign: Andrew Laws
Spanien – Großbritannien – Frankreich / 2015
115 Minuten