THE GIFT – Bundesstart 26.11.2015
Die Besprechung basiert auf der amerikanischen BluRay-Fassung in englischer Sprache.
Die Karriere von Joel Edgerton ist ähnlich der Erscheinung von Jessica Chastain. Ein Schauspieler, der durchaus einiges zu tun hatte, aber nie wirklich groß auffiel. Doch auf einmal ist er da, und auf jedermanns Radar. Bei Edgerton war es sicherlich WARRIOR, der allerdings von Tom Hardy dominiert wurde. Aber der Schauspieler ist nun eine feste Größe im Business. Nicht unbedingt der Anführer. Ob bei EXODUS, oder BLACK MASS, wird Joel Edgerton immer wieder in die zweite Reihe verwiesen. Seine Darstellungen überzeugen dennoch und stechen hervor. Und dabei geht vollkommen verloren, dass Edgerton im Filmgeschäft schon viel länger sehr umtriebig ist. Seine ersten Regie-Arbeiten waren zwei Kurzfilme, die in entsprechenden Kreisen große Anerkennung erfuhren. Es war also längst überfällig, dass sich Joel Edgerton auf der großen Leinwand etwas großzügiger austoben würde. Er schrieb, produzierte, und inszenierte THE GIFT. Ein Thriller, bei dem er sich trotz aller Möglichkeiten, selbst wieder in die zweite Reihe setzte.
Simon und Robyn sind eine Paar, dass sich gerade von Chicago kommend, in Los Angeles ansiedelt. Erfolgreich, jung, und mit finanzieller Sicherheit. Der Kinderwunsch hängt noch etwas hinterher, aber es wird daran gearbeitet. Beim Einkauf wird Simon unvermittelt von Gordo angesprochen. Wie sich erst nach längerem Nachdenken herausstellt, ein ehemaliger Klassenkamerad von Simon. Das eigentlich unverbindliche „man sollte mal über die alten Zeiten reden“, nimmt Gordo allerdings sehr wörtlich. Fortan taucht er immer wieder unangemeldet am Haus des Pärchens auf. Auffallend, wenn Robyn alleine zuhause ist. Den Beiden wird schnell bewusst, dass sie keinen sehr einfachen Gast ins Haus geladen haben. Und Gordos aufdringliche Art, wird bald zur psychischen Belastungsprobe.
Wer nun glaubt, er könnte erahnen, wie sich die Geschichte entwickeln würde, der irrt gewaltig. Edgerton spielt sehr geschickt mit seinem Publikum. Seine Einführung ist ein einziges Genre-Klischee, welches er mit diebischer Freude platzen lässt. Jeder kennt den Plot des sich demütig annähernden Verlierers, der zum psychopathischen Monster mutiert. Der Regisseur hat seine eigene Rolle genau darauf angelegt, und macht ihn auch nicht zum Unschuldigen. Aber Gordo hat eine Motivation, die bei fortschreitender Handlung immer plausibler wird. Und auch bei den Charakteren von Simon und Robyn werden Schichten freigelegt, die zu überraschen verstehen. Zweimal wendet sich die Geschichte im letzten Drittel. Joel Edgerton erweist sich darin als sehr geschickter, aber niemals betrügender Erzähler. Die falschen Fährten, denen man glaubte aufgesessen zu sein, wurden als offensichtliche Hinweise behandelt, die der Zuschauer aus der Prämisse heraus nicht wahrhaben wollte.
Während Rebecca Hall mit ihrer Robyn überzeugt, aber unterfordert bleibt, sind Jason Bateman und Joel Edgerton mit zwei sehr komplexen Figuren belohnt, die ein angenehm überraschendes Element in das Genre des Psychothrillers einbringen. Dem Zuschauer wird suggeriert, er würde den Verlauf der Handlung aufgrund seiner Figuren abschätzen können, wird aber dann doch mit unvorhersehbaren Wendungen konfrontiert, die alles möglich machen könnten. Mit diesem Regie-Debut hat Joel Edgerton bewiesen, dass er die Mechanismen des Kinos sehr gut verstanden hat, und auch zu seines Gunsten zu benutzen versteht. Was selbst dem verwöhntesten Publikum entgegenkommen dürfte. Gerade wo unter die Haut gehende Thriller wirklich sehr selten geworden sind.
Darsteller: Jason Bateman, Rebecca Hall, Joel Edgerton, Allison Tolman, Tim Griffin, Busy Philipps u.a.
Drehbuch & Regie: Joel Edgerton
Kamera: Eduard Grau
Bildschnitt: Luke Doolan
Musik: Danny Bensi, Saunder Jurriaans
Produktionsdesign: Richard Sherman
Australien – USA / 2015
108 Minuten