KILL THE MESSENGER – 10.09.2015
Die Besprechung beruht auf der amerikanischen BluRay-Fassung
Am 10. Dezember 2004 wird der Journalist Gary Webb tot aufgefunden. Die Behörden stellen noch vor Beendigung der Untersuchung klar Selbstmord fest. Webb hatte sich zweimal in den Kopf geschossen. Der ehemalige Reporter der San Jose Mercury News hätte vielleicht sogar gute Gründe dafür gehabt. Über Jahre hinweg fand Gary Webb keine Anstellung mehr, seine Frau hatte sich von ihm getrennt, und die Hypotheken konnte er nicht mehr bezahlen. Zudem war er in psychiatrischer Behandlung. Aber Webb hatte gerade zu diesem Zeitpunkt noch Großes vor. Er arbeitete an einem Buch und einer Dokumentation, die seine Arbeit bei Mercury News untermauern und beweisen sollten. 1996 machte der investigative Journalist auf sich aufmerksam, als er in einer Artikel-Serie beweisen wollte, dass die CIA mit Drogengeldern den Kampf der Contras gegen die Regierung in Nicaragua finanzierte.
Auf eine Gerichtsverhandlung gegen Danilo Blandon wegen Drogenhandels aufmerksam geworden, beginnt Gary Webb selbst zu recherchieren. Erst später wird Webb bewusst, dass Blandon durch seine journalistische Tätigkeit einen Freispruch bekam, und er nur vor den Karren gespannt worden war. Und dennoch ist etwas faul an der Sache, was Webb umtriebig werden lässt. Er findet merkwürdige Verbindungen, welche den amerikanischen Geheimdienst und die Drogenproblematik in Los Angeles zusammen bringen. Später findet er noch Spuren, die nach Nicaragua führen. Webb kann seine Chefin überreden eine Artikelserie zu bringen, welche als Dark Alliance bekannt werden wird. Anstatt die Geschichte aufzugreifen, gehen die großen Zeitungen gegen die Enthüllungen an. Federführend New York Times, Washington Post und Los Angeles Times, zweifeln an dem für sie unbedeuteten Journalisten wie Gary Webb und einem minderen Blatt wie den Mercury News, und einer Geschichte in dieser Größenordnung. Webb sieht sich nicht nur dem Druck der Staatsmächte ausgesetzt, die auch unverhohlen seine Familie bedrohen, sondern seine gesamte Arbeit wird von anderen Zeitungen und Medien in Frage gestellt.
Mit KILL THE MESSENGER kann sich Jeremy Renner ausgezeichnet aus dem Schatten der Marvel-Verfilmungen heraus spielen, der ihn bisher trotz THE HURT LOCKER fest im Griff hatte. Das man weitgehend darauf verzichtet hat, Renner dem Aussehen von Gary Webb anzugleichen, ist dabei die klügste Entscheidung gewesen. So kann sich der Schauspieler einen sehr eigenen Charakter aneignen, ohne sich der bei solchen Gelegenheiten leider immer wieder laut werdenden Kritik bezüglich der faktischen Darstellung aussetzen zu müssen. Inwieweit Renners Spiel an Webb wirkliches Wesen heranreicht, müssen andere entscheiden. Für den Film selbst, ist er ein sehr überzeugender, sehr realistischer Charakter, der seinen manischen Eifer auch sichtbar macht. Aber Webb ist hier nicht der über allem stehende Held. Er ist verletzlich, und oftmals zeigt er auch Angst. Mit außergewöhnlichen Kameraeinstellungen, kann Sean Bobbitt die Gemütsverfassung der Hauptfigur sehr deutlich machen, was eine erweiterte Dramatik mit sich bringt. Allein die Motorradsequenzen sind beängstigend umgesetzt.
Michael Cuesta hat Renner ziemlich isoliert in Szene gesetzt. Wenngleich sehr gut gespielt, ist selbst Rosemarie DeWitt als sein Frau Sue, mehr Vehikel für Gary selbst, und seine Geschichte. Einen wirklichen Gegenpol erhält die Figur lediglich von den von Webbs Enthüllungen betroffenen Institutionen. Was dadurch der Film an manchen Stellen vermissen lässt, sind emotionale Konfrontationen mit denen sich der Hauptcharakter auseinander setzen muss. Renner selbst zeigt sich stets sehr emotional. Aber dann sind da zum Beispiel Oliver Platt und Mary Elizabeth Winstead als seine Vorgesetzten, deren Motivationen einfach unter den Tisch fallen, weil eine erklärende Auseinandersetzung fehlt.
KILL THE MESSENGER ist ein leidlich spannender Hybrid an Film. Zum einen ist er Biografie, zum anderen ein Politthriller. Leidlich spannende deswegen, weil der Weg des Helden schon wegen der Thematik und der geradlinigen Erzählung sehr genau vorgegeben ist. Selbst wenn man die Ereignisse nicht kennt, die sich um Gary Webb ereignet haben. Aber das Verschränken von Biografie und Politthriller gelang dem Drehbuch von Peter Landesman dennoch sehr gut. Und Regisseur Michael Cuesta hat das Beste daraus gemacht. Nicht unbedingt den besten Film zu diesem speziellen Thema. Aber der Zuschauer bekommt einen sehr guten Eindruck davon, was Gary Webb erreicht hat, und was ihm verwehrt wurde. Zu den politischen Hintergründen und die Verstrickungen diverser Institutionen, kann sich der Zuschauer seine eigene Meinung bilden. Da Webb im Film selbst immer wieder in Frage gestellt wird, oder seine eigentlichen Aussagen missinterpretiert werden, wird das Publikum herausgefordert. So glauben Bürgerrechtsbewegungen nach Webbs ersten Veröffentlichungen, dass die Drogenschwemme lediglich dazu diene, Stadtteile wie South-Central in Los Angeles auszumerzen. Die eigentlichen politischen Hintergründe werden dabei völlig außer Acht gelassen.
KILL THE MESSENGER ist kein raffiniert verzwickter Thriller, und auch kein Film mit überraschenden Wendungen. Aber er ist allein von seiner Geschichte her ein sehr interessanter Film, der diverse Mechanismen bei Medien und staatlichen Stellen beleuchtet, und auch deren ineinandergreifen verdeutlicht. Bei allen Ungeheuerlichkeiten, die der Film aufzeigt, wird es nicht wenige Zuschauer geben, die sich diese Gegebenheiten genauso vorgestellt haben. Manchmal nennt man solche Leute Verschwörungstheoretiker. Aber auch so ein Vorurteil muss von irgendwo her kommen.
Darsteller: Jeremy Renner, Robert Patrick, Jena Sims, Rosemarie DeWitt, Mary Elizabeth Winstead, Paz Vega, Tim Blake Nelson, Barry Pepper, Oliver Platt, Robert Pralgo u.a.
Regie: Michael Cuesta
Drehbuch: Peter Landesman, nach Gary Webb und Nick Schou
Kamera: Sean Bobbitt
Bildschnitt: Brian A. Kates
Musik: Nathan Johnson
Produktionsdesign: John Paino
USA / 2014
112 Minuten