THE AGE OF ADALINE – 09.07.2015
Adaline Bowman wird im Jahre 1908 geboren. Sie wird erwachsen, trifft den Mann ihres Lebens, heiratet, und bekommt eine Tochter. Ein ganz normales Leben. Selbst als ihr geliebter Mann stirbt, wird es zu einem traurigen, aber normalen Leben. Adaline Bowman ist 29 Jahre alt, als sie auf dem Weg zu ihrem Kind einen Unfall hat. Sie stirbt im eisigen Wasser eines kleines Sees. Genug für ein Drama. Ausreichend, um ein Publikum zu bewegen. Und doch fängt hier erst der Film an. Ein Film der unweigerlich Assoziationen an BENJAMIN BUTTON weckt, nicht weil sie sich thematisch ähneln würden, sondern wegen seiner fantastischen Elemente. Es sind Filme für ein ganz klar erwachsenes Publikum, welches jenseits der Genre-Filme wie zum Beispiel WATCHMEN, kaum mit intelligenter Fantasy bedacht wird. FÜR IMMER ADALINE kann man auch als Märchen sehen. Märchen, so sagt man, sind Kindergeschichten. Adaline Bowmans Geschichte ist aber eine Geschichte für Erwachsene. Und dennoch ein sehr zauberhaftes Märchen.
Ein sehr gefestigter Erzähler erklärt die physikalischen Zusammenhänge der Ereignisse. Nicht emotionslos, oder kalt, aber strikt und auf den Punkt, wenn ein eigentlich eher unwahrscheinlicher Blitz in den See einschlägt, wo Adaline ertrunken ist. Auch wenn man es nicht wirklich versteht, gibt einem die Stimme des Erzählers, und wie er es ausdrückt, durchaus das Gefühl, man würde verstehen. Und mit einmal ist es kein Wunder mehr, sondern einfache Physik, dass Adaline Bowman wie selbstverständlich lebendig aus dem See steigt, in dem sie verstorben war. Von da an altert Adaline keinen Tag mehr. Über 80 Jahre führt Adaline dieses sehr zurückgezogene Leben. Jede Dekade wechselt sie ihre Identität. Lediglich der Kontakt zu Tochter Flemming bleibt bestehen, die sich langsam dem Alter ihrer Mutter annähert, und schließlich wesentlich älter sein wird. Aber erst hier beginnt die Geschichte. Es ist das erste, aber gleichzeitig letzte Kapitel in Adaline Bowmans Leben.
Der Film könnte ein langer Diskurs durch Adalines Leben sein, ähnlich einer Biografie. Das erfrischende an Lee Toland Kriegers Inszenierung, ist die Konzentration auf das Wesentliche. Hintergründe werden nur in sehr kurzen Rückblenden erzählt. Warum sie zum Untertauchen gezwungen wurde, wie Beziehungen gepflegt wurden. Die erste Hälfte des Filmes gehört in erster Linie Adalines Umgang mit dem wirklichen Leben im Rückschluss auf ihre eigene Situation. Hier lernt sie Ellis kennen, der einfach nicht aufgibt, und jede Ablehnung von ihrer Seite aus ignoriert. David Lanzenbergs Kamera lässt sich unaufdringlich auf diese Dramaturgie ein, und übernimmt eine erzählerische Ebene im Film. Das Bild unterstreicht immer wieder die Gefühle seiner Protagonisten. Wenn Ellis seine Liebe gesteht, verändert sich die Perspektive, um Adalines verstörte Gefühlswelt zu unterstreichen. Auch sie liebt ihn, darf es aber nicht, um ihrer selbst willen. Immer wieder greift die Kamera die emotionale Struktur auf, um sie optisch zu unterstützen.
Aber in seiner Erzählstruktur geht Lee Toland Krieger noch viele geglückte Wege weiter. Er geht den ganzen, offensichtlichen dramaturgischen Höhepunkten aus dem Weg. Als sich Adaline zum Beispiel von ihrem Hund verabschieden will, blendet der Film vorher aus. Und das ist in der Inszenierung vollkommen ausreichend, weil die Beziehung bereits verständlich und berührend im Vorfeld ausgearbeitet wurde. Da wird der eigentliche Abschied vollkommen irrelevant, weil man die Charakter bereits verinnerlicht hat, und zusätzliche Dialoge nur das Drama überstrapazieren würden. Immer wieder ist die Charakterisierung der Figuren der Erzählung so weit voraus, dass sich der Regisseur Klischee beladene Szenen schenken kann. Wenn sich Adaline trotz einer unschönen Abfuhr erneut mit Ellis trifft, dann bleibt einem das eigentlich peinliche Wiedersehen erspart. Weil dies im Grunde unerheblich ist. Wesentlich ist, wie die beiden Figuren damit umgehen, und das wird in besagter Sequenz wundervoll ausgespielt.
In der zweiten Hälfte, als Adalines Lebensweg erzählt, und ihre persönlichen Beweggründe beleuchtet sind, wechselt die Erzählstruktur. Aus der epischen Größe ihres Leidens und Lebens, wird eine Art Kammerspiel. Diese Ebene geht einen Schritt weiter und verdeutlicht, was Adaline im Grunde ihr ganzes lange Leben antrieb. Längst hat die Normalität eingesetzt, in welcher der Zuschauer die phantastische Grundlage des Films als selbstverständlich angenommen hat. Das ist nicht nur den fabelhaften Darstellern geschuldet, allen voran natürlich die unglaubliche Blake Lively, sondern in erster Linie der sensiblen Inszenierung von Lee Toland Krieger. Er inszenierte nicht die unglaubliche Geschichte der Adaline Bowman, sondern er fokussiert die Handlung auf das Innenleben seiner Figuren. Märchen sind Kindergeschichten, normalerweise. Sehr selten gelingt es Kino noch, sein erwachsenes Publikum zu verzaubern. Adaline Bowman tut es.
Darsteller: Blake Lively, Michiel Huisman, Harrison Ford, Ellen Burstyn, Kathy Baker, Amanda Crew, Anthony Ingruber u.a.
Regie: Le Toland Krieger
Drehbuch: J. Mills Goodloe, Salvador Paskowitz
Kamera: David Lanzenberg
Bildschnitt: Melissa Kent
Musik: Rob Simonsen
Produktionsdesign: Claude Paré
USA / 2015
112 Minuten