BRIDGE OF SPIES – Bundesstart 26.011.2015
Wenn Steven Spielberg einen historisch begründeten Film dreht, dann ist dieser stets ein perfektes Konstrukt aus dramaturgischen Freiheiten und geschichtlichen Fakten. Die Freiheiten allein sind schon dem Medium geschuldet. Die Kunst von Drehbuch und Regie ist es, nicht einfach nur alles harmonisch zusammen zu führen, sondern es auch davor zu bewahren, dass hinterfragt wird. Spielberg hat diese Gabe, und darüber hinaus lässt er stets den Kern der ursprünglichen Geschichte und die Kraft der eigentlichen Aussagen und Bedeutungen nie aus den Augen. Sie bleiben das Herzstück dieser Filme. Und es ist das Herzstück von BRIDGE OF SPIES. Die mittlerweile vierte Zusammenarbeit von Tom Hanks und Steven Spielberg. Aber wie schon in PRIVATE RYAN und CATCH ME IF YOU CAN, tritt Hanks erneut in den Hintergrund, um die eigentliche Geschichte nur übergreifend zu begleiten.
Der kalte Krieg hat sich gut entwickelt. Es ist 1957, und in Amerika wird der russische Spion Rudolf Abel vom FBI dingfest gemacht. Eine klare Sache für die Verhängung der Todesstrafe, in Zeiten wie diesen allerdings eine heikle und riskante Angelegenheit. Die Justiz befehligt mehr oder weniger James B. Donovan, Abel zu verteidigen. Schließlich will man vor dem Feind gut da stehen, und wenigstens so tun als ob es zumindest in Amerika ordentliche Rechtsverfahren geben würde. Denn der vollkommen überforderte Donovan ist eigentlich Anwalt für Versicherungsrecht. Allerdings kommt gerade dieser Umstand Abels Verteidigung entgegen. Donovan kann den vorsitzenden Richter mit einer listigen Argumentationskette vom eigentlich schon ausgemachten Urteil abbringen. Es dauert nicht lange, bis die Justiz erkennen muss, dass Donovans Strategie tatsächlich eine Grundlage hatte. Und das führt den Anwalt für Versicherungsrecht direkt nach Berlin, wo begonnen wurde, die Stadt mit einer Mauer zu teilen.
Bei aller Komplexität in der Geschichte, und der daraus resultierenden Spannung, ist Donovans Aufenthalt in Berlin die eindringlichste Phase im Film. Der Bau der Mauer, die fliehenden Menschen, dazwischen überforderte NVA-Soldaten. Spielberg hat mit diesen Sequenzen nicht nur atemberaubende Atmosphäre in seinen Film gebracht, sondern diesem Schreckensszenario ein Denkmal gesetzt. Donovan erlebt die Historie nicht als komplexes Ganzes, sondern wird durch die fragmentarischen Eindrücke mehr verwirrt, als das er erfassen könnte, was hier passiert. Und das spiegelt wohl sehr gut die tatsächliche Stimmung im Berlin von damals wieder.
BRIDGE OF SPIES ist ein erneuter Beweis, was für ein guter Geschichtenerzähler Steven Spielberg einfach ist. Es gibt keine Längen, die Spannungsbögen greifen einander auf, schließlich wechselt auch einmal der Ton der Erzählung, und es gibt hintersinnigen Humor, der nicht unpassend dominiert. Und dann natürlich die Figuren, die einen dominanten, aber unaufdringlichen Darsteller benötigen. Mit Mark Rylance als Rudolf Abel, hat Spielberg wieder einmal eine Figur und einen Schauspieler zusammen gebracht, die einfach im Gedächtnis bleiben. Rylance erzeugt mit seinem Spiel nicht einfach nur hintersinnigen Humor, sondern erzeugt daraus gleichzeitig eine sehr atmosphärische Spannung. Ansonsten konzentriert sich Buch und Regie sehr stark auf den eigentlichen Inhalt. Bei diesem Thema steht eindeutig die Entwicklung des Handlungsablaufes im Fokus. Warum dies dennoch ein Tom-Hanks-Film ist? Hanks ist immer am stärksten, wenn er nicht als Mittelpunkt der Geschichte fungieren muss.
BRIDGE OF SPIES ist perfektes Unterhaltungskino. Spannend, auch lehrreich, mitunter humorvoll, aber immer seriös. Der oftmals leichte Ton gibt dem Zuschauer das angenehme Gefühl, das der Filmemacher ihn nicht mit der Last der Dramaturgie erschlagen wollte. Spielberg ist nicht einfach nur Regisseur. Steven Spielberg ist der Regisseur, der das Publikum begreift, und im breitesten Umfeld für sich vereinnahmen kann. Das nennt man heute Mainstream, etwas das dieser Mann mit DER WEISSE HAI ins Leben gerufen hat. Aber das macht BRIDGE OF SPIES lange nicht zur belanglosen Massenware. Dieser ist anspruchsvolles Spannungskino. Was man sich als Filmemacher eben über Jahrzehnte aneignet, wenn man sein Publikum ernst nimmt.
Darsteller: Tom Hanks, Mark Rylance, Amy Ryan, Alan Alda, Austin Stowell, Sebastian Koch u.a.
Regie: Steven Spielberg
Drehbuch: Ethan Coen, Joel Coen, Matt Charman
Kamera: Janusz Kaminski
Bildschnitt: Michael Kahn
Musik: Thomas Newman
Produktionsdesign: Adam Stockhausen
Indien – Deutschland – USA / 2015
141 Minuten