BIG GAME – Bundesstart 18.06.2015
In Deutschland ist es schön. Wie schön, das zelebriert der in Finnland spielende Film BIG GAME. Sehr enthusiastisch muss Filmemacher Jalmari Helander beim Schreiben gewesen sein, um erst später festzustellen, dass die an die Handlung gebundenen landschaftlichen Voraussetzungen in seiner Heimat gar nicht gegeben sind. Das ist doch eine wunderbare Episode, die letztendlich auch dem Charakter des Films absolut gerecht wird. Leider ist es aber so, dass Helander ganz bewusst den geografischen Tausch eingegangen ist. Er wollte zu der Action, seinen Film auch optisch aufwerten. Und das ist Kamermann Mika Orasmaa vollends gelungen. Die Landschaftsaufnahmen sind überwältigend. Sie sind aber nicht einfach nur schmückendes Beiwerk, sondern werden zu einem wesentlichen Bestandteil des intensiven Handlungsverlauf.
Ein intensiver Handlungsverlauf zeichnet sich nicht durch Realismus und Eigenständigkeit aus. Von beidem ist BIG GAME sehr weit entfernt. Aber seine schonungslose Offenheit in der Verwendung von hanebüchenen Versatzstücken alleine, macht den Film schon absolut liebenswert. Es legt Jalmari Helanders Absicht ganz klar dar. Es geht um Spaß, es geht um eine gute Zeit, es geht ausschließlich um eine Aneinanderreihung von sorgsam durchdachten und sehr intensiv inszenierten Action-Sequenzen. So absurd es klingen mag, aber BIG GAME fährt eine derart abgefahrene Strecke, dass man selbst von den ganz offensichtlichsten Klischees noch überrascht wird.
Airforce One befindet sich auf den Weg zu einem G8-Gipfel nach Helsinki. Witzig dabei, dass der letzte G7-Gipfel in Garmisch Partenkirchen stattfand, die Region, wo ein Großteil der Außenaufnahmen für BIG GAME gemacht wurden. Deutschland ist eben schön. Nichtsdestotrotz möchten böse Buben dem amerikanischen Präsidenten etwas anhaben, und bringen seine Maschine mit ferngelenkten Raketen zum Absturz. Zeitgleich befindet sich der dreizehnjährige Oskari in seinem Initiationsritus, wo er einen Tag und eine Nacht alleine in den Wälder verbringen, und mit dem Kopf eines erlegten Wildes heimkehren muss. Oskari ist eine traurige Gestalt, dem niemand etwas zutraut. Selbst sein Vater interveniert in das Ritual, um sich und seinem Sohn vor der Dorfgemeinschaft keine Blöße zu geben. Aber da kommt der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vom Himmel gefallen. Seine Häscher dicht auf den Fersen. Und wer sich nicht vorstellen kann, wie die verbleibenden 75 Minuten verlaufen werden, der war noch nie im Kino.
Sehr unbekümmert spielt Jalmari Helander seine stereotypischen Versatzstücke aus, immer bewusst, worauf es ankommt. Je offensichtlicher sich der Handlungsverlauf gibt, desto intensiver inszenierte Helander seine Action-Szenen. Und die haben es in sich, denn das will der Zuschauer auch sehen. Gut, vielleicht war der Schnitt von Iikka Hesse beim Flugzeugabsturz etwas unaufmerksam, weil man nicht wirklich mitbekommt, wo was genau passiert. Aber beeindruckend ist die Sequenz dennoch. Dann die Szenen mit der Gefrierbox, einfach originell und spannend. Irgendwie bringt sich die Airforce One noch einmal ins Spiel, das ist wirklich zur unterhaltenden Freude des Zuschauers genial umgesetzt. Aber das zieht sich so durch den ganzen Film. Die Spannungsmomente, welche die Quintessenz von Big Game bilden, sind sehr innovativ, aber auch extrem originell umgesetzt.
Fünf Jahre vorher hat Jalmari Helander das Genre-Publikum mit der Weihnachtsmann-Kapriole RARE EXPORTS in beste Stimmung gebracht. Blieb leider dennoch nicht auf dem Radar. Mit BIG GAME sollte sich das ändern. Denn Helander ist ganz offensichtlich ein Mann, der seine Metier nur allzu vernehmlich versteht. Wenn jemand mit den wirklich abgedroschendsten Filmklischees einen derart spannenden, und durchweg unterhaltsamen Film inszenieren kann, dann darf man auf seine Zukunft mehr als gespannt sein. Man kann BIG GAME ansehen und beurteilen, wo man als forcierter Nerd auf ein Budget von 70 bis 90 Millionen Dollar kommen würde. Tatsächlich hat BIG GAME 8,5 Millionen Euro gekostet. Das zeigt zum einen, dass das Budget niemals ein Argumentationskriterium sein wird, und Originalität nicht von den Finanzen, sondern vom Talent bestimmt wird.
BIG GAME ist ein erstklassiger Actionfilm, der wohlweislich mit abgehalfterten Handlungsklischees spielt. Aber durch seinen sehr bewussten Umgang mit diesen Klischees, gewinnt er auf ganzer Länge an Sympathien. Denn BIG GAME wollte ganz offensichtlich das Rad nie neu erfinden, sondern hatte unendlich viel Spaß damit, mit diesem Rad zu spielen. BIG GAME muss man als Freund von Actionfilmen einfach gesehen haben. Herrlich sinnbefreites Kino, welches seine Ansprüche genial über seine Konsumenten definiert. Und wer allein an die Szene denkt, wo der wirkliche Bösewicht ins Gras beißen muss, das ist schon ein genialer Einfall. Hier führen sich verschiedene Komponenten einer zuerst wahllos scheinenden Handlung zusammen. Erwähnt man den Splitter in der Brust des Kontrahenten, ist das ein Spoiler. Dazu die Unfähigkeit des Jägers, macht es schon dramaturgisch untragbar. Wie es sich alles am Ende fügt, das ist wiederrum unbezahlbar. Jalmari Helander hat genau gewusst was er tut, und wie er es umsetzt. BIG GAME ist Action-Kino wie man es immer gerne verteufelt, aber wie man es aber auch genauso erleben will.
Darsteller: Onni Tommila, Samuel L. Jackson, Ray Stevenson, Victor Garber, Mehmet Kurtulus, Ted Levine, Jim Broadbent, Felicity Huffman, Jorma Tommila u.a.
Regie & Drehbuch: Jalmari Helander
Kamera: Mika Orasmaa
Bildschnitt: Iikka Hesse
Musik: Juri Seppä, Miska Seppä
Produktionsdesign: Christian Eisele
Finnland – Großbritannien – Deutschland / 2015
110 Minuten