BIG HERO 6 – Bundesstart 22.01.15
Das Marvel-Universum ist groß, und auch sehr vielschichtig. Jetzt wo das Maus-Haus die Hand auf den größten Teil der Rechte hat, muss es doch in dem unermesslichen Schätzen dieses Universums etwas geben, das Disney tatsächlich für sich filmisch umsetzen kann. Sie tun weiße, wirklich die Finger von Marvels selbst produzierten Cinematic-Universe zu lassen. Die um die AVENGERS gruppierten Filme sind einfach eine zu perfekt geölte Maschinerie, als dass sie eine wechselnde Führung vertragen würden. Aber das Marvel-Universum ist groß. Und so dauerte es auch nicht lange bis die Produzenten auf die kaum bekannten BIG HERO 6 des Autoren-Kollektivs Man of Action stießen. Mit einem knuffigen Roboter. Genau Disneys Ding. Eigentlich sind alle Roboter bei Disney knuffig, weil Disney eine kindliche Verantwortung trägt. Aber ein aufblasbarer Roboter? Das ist neu, das ist innovativ, und es ist eine bereits in der Entwicklung befindliche Technologie. Dazu ein etwas einfältiges Aussehen, ein wenig schusseliges Benehmen, kauzig in seiner Art. Und dann wächst er über sich hinaus. Nicht nur er allein, sondern zusammen mit seinem menschlichen Freund, wo beide noch nicht wissen, dass sie Freunde sind. Das ist der Stoff, mit dem Disney sein Imperium finanziert.
Baymax ist sein Name. Ein ausbaufähiger Prototyp eines Medizin-Roboters des jungen Erfinders Tadashi Hamada. Sein dreizehnjähriger Bruder Hiro bastelt auch an Robotern, allerdings nur um damit Unfug zu treiben. Erst als Hiro die Wirkungsstätte seines Bruders kennen lernt, ist es um ihn geschehen. Er muss einfach an diese Schule, um ebenfalls so abgefahrene Erfindungen meistern zu können. Doch das Schicksal sieht anderes mit Hiro vor, als ein Super-Schurke beginnt die Stadt zu bedrohen. Zuerst ist der aufblasbare Baymax Hiros einzige Unterstützung. Bis sich Tadashis vier Kommilitonen den beiden anschließen. Jeder in einem anderen Fach ein meisterlicher Erfinder, und die mit ihren Erfindungen sogar zu Super-Helden werden können. Der bunt zusammen gewürfelte Haufen unterschiedlichster Charaktere ist aber alles andere als bereit, dem Bösen wirklich die Stirn bieten zu können.
BAYMAX ist wahrlich nicht der Film, der das Familien-Genre neu erfindet. Aber er hat genügend Unterhaltungspotential, um innerhalb seiner dem Kinderfilm geschuldeten Restriktionen, ohne einen Moment Langeweile zu unterhalten. Aber er ist bei weitem kein Film der tadellos wäre. Da wären zum einen die Charaktere, allen voran Hiro Hamada, der wie eine past-and-copy-Figur von Hiccup aus DRACHENZÄHMEN aussieht. Und hört man Henry Jackmans Soundtrack, klingt da ganz aufdringlich seine KICK-ASS-Musik durch, der ebenfalls von selbstgemachten Superhelden handelt. An vielen Stellen brechen Momente anderer Superhelden- oder Animationsfilme durch, die leider nicht unbedingt die Hommage bemühen, sondern den bitteren Beigeschmack von blanker Kopie haben. Dies mag einem gealterten Kinofanatiker ins Auge und Ohr stechen. Den jungen und jugendlichen Publikum hingegen scheint es sicherlich einerlei. Aber die Alten im Auditorium außen vor zu lassen, sollte kein Anliegen von Profit orientierten Produzenten sein. Auch wenn sie noch immer nicht als relevant gezählt werden, bleiben sie als Zuschauer ein entscheidender Faktor.
Was BAYMAX ausmacht, ist Baymax selbst. Der Aufblasbare. Einer der stärksten Figuren im Animationskino seit langem, der sogar FROZENs Olaf den Rang ab…, …läuft? Baymax als Charakter, ist als animationstechnische Innovation vergleichbar mit OBENs oder WALL*Es dialoglosen Einstiegsequenzen. Nur haben die Drehbuchschreiber Roberts, Gerson und Baird der Prämisse nicht vertraut, und in der zweiten Hälfte des Films einfach in einen anderen Gang geschalten. Damit gewinnt der Film durchaus auch an Tempo, verliert allerdings seine emotionalen Werkseinstellungen (wie soll man das bei einem Roboter auch anders sagen). Die Updates machen aus dem ungeschickt, liebevollen Medizin-Roboter, eine unerschrockene Kampfmaschine, die dass ebenso unerbittliche Team der BIG HERO 6 letztendlich vervollständigen wird. Was allerdings bleibt und überzeugt, ist die Kunst aus zwei Punkten und einem Strich tatsächlich eine vielschichtige Mimik zu zaubern.
Für nicht Eingeweide muss das aufdringlich, eigenartige Set-Design sehr verwunderlich wirken. Ein offensichtliches San Francisco, welches durch und durch in Bevölkerung und Architektur mit japanischen Merkmalen und Strukturen durchzogen ist. In der Welt von MARVEL, wurde San Francisco nach dem verheerenden Erdbeben von 1906 hauptsächlich von japanischen Immigranten wieder aufgebaut, was letztendlich auch zu der Namensgebung San Fransokyo führte, und die optisch veränderten Wahrzeichen erklärt. Während das Charakter-Design durchaus Zweifel über die Art von ethnischen Hintergrund zulässt, sind Hiro und Tadashi Hamadas Namen eindeutige Zeugnisse dieser veränderten Realität. Eine Realität, die leider keinerlei Erklärung im Film erfährt.
Für einen Familienfilm sind 102 Minuten Laufzeit noch immer ein ganz schön starkes Stück zu überwinden. Doch wie immer man BAYMAX auch tadeln mag, er bleibt kurzweilig, ohne Leerlauf, und hält sogar überraschende Wendungen in der Hinterhand. Gut, man darf sich nicht fragen, warum sich ein Dreizehnjähriger mit selbst entwickelten, durch Gedanken gesteuerten Microbots bei eine Universität bewerben muss, um dort zu lernen, was er mit seinem Bewerbungsobjekt eigentlich demonstriert hat. Das sind eben die kleinen Absonderlichkeiten, die einem Familienfilm, und einem Film von Disney ins Besondere, geschuldet sind. Fragen über Fragen, Gedanken über Gedanken. Man kann sehr viel schlecht reden, wo am Ende noch nur eins zählt, ein aufblasbarer Roboter, den man einfach nur liebhaben möchte. Da könnte man fluchen, dass einen die Maschinerie des Maus-Haus doch immer wieder an den … , oder doch tiefer im Herzen zu packen versteht. Aber dann gefällt es einem doch ganz gut. Disney wird als Nächstes nicht sehr viel tiefer in den Schaffensarchiven von Marvel graben müssen, um sich sein eigenes Cinematic-Universe aufbauen zu können. BIG HERO 6 kollidiert nicht, oder vielleicht auch „noch nicht“, mit Marvels AVENGER-Filmreihe. BAYMAX steht also auf alle Fälle für ein zweites, noch eigenständiges Abenteuer in den Startlöchern.
Sprecher:
Baymax: Scott Adsit / Bastian Pastewka
Hiro: Ryan Potter / Amadeus Strobl
Tadashi: Daniel Henney / Daniel Fehlow
Fred: T.J. Miller / Andreas Bourani
Callaghan: James Cromwell / Ronald Nitschke
Cass Hamada: Maya Rudolph / Vera Teltz
Go Go: Jamie Chung / Nora Huetz
Honey Lemon: Genesis Rodriguez / Maria Hönig
Wasabi: Damon Wayans Jr. / Daniel Zillmann
Alistair Krei: Alan Tudyk / Peter Flechtner
u.a.
Regie: Don Hall, Chris Williams
Drehbuch: Jordan Roberts, Daniel Gerson, Robert L. Baird
Bildgestaltung: Adolph Lusinski, Rob Dressel
Bildschnitt: Tim Mertens
Musik: Henry Jackman
Produktionsdesign: Paul A. Felix
USA / 2014
102 Minuten