TOMORROWLAND – Bundesstart 21.05.2015
Bevor die Tirade wieder anfängt, die bei diesem Thema immer wieder gerne zutage tritt, Disney musste in Europa wegen des gleichnamigen Musik-Festivals den Titel des Filmes ändern. Und man kann über A WORLD BEYOND nicht wirklich meckern, trifft er den Kern der Geschichte eigentlich sehr genau. Dieser Kern ist die junge Casey, Technik begeistert und voller Hoffnung über die Zukunft, die sich mit Hilfe eines mysteriösen Ansteckers in zwei verschiedenen Welten bewegen kann. Die eine ist das reale Hier und Jetzt, die andere Tomorrowland, eine strahlende Zukunft. Unterstützt wird sie dabei von der undurchsichtigen Athena, ein eigentlich viel zu junges Mädchen, allerdings mit besonderen Fähigkeiten. Athena will Casey mit dem misanthropischen, und sehr pessimistischen Frank Wallace zusammen bringen. Frank will allerdings nichts mit Casey zu tun haben, ihr unerschütterlicher Glaube an die Menschheit widert ihn eher an. Wie sich heraus stellt, war Frank selbst schon in Tomorrowland, wurde von dort allerdings verbannt. Jetzt hat Frank mit Hilfe von Zukunftstechnologie heraus gefunden, das es unsere Zivilisation nur noch wenige Tage geben wird, bis sie sich aus noch unbekannten Gründen selbst zerstören wird. Und Casey könnte das verhindern, nur weiß keiner der Beteiligten genau, wie das funktionieren soll.
A WORLD BEYOND ist eine mit fantastischen Elementen vollgestopfte Achterbahnfahrt, die nur selten Ruhe zum Verschnaufen lässt. Und das ist auch gut so, denn das Drehbuch krankt an sehr vielen Logikfehlern und nicht erklärten Handlungspunkten. Zum einen wäre da die tatsächliche Verbindung zwischen dem Heute und Tomorrowland. Ist es nun eine wirkliche Zukunft, oder eine Parallelwelt? Der Film deutet zumindest beides an, und lässt beides auch offen. Die Menschheit wird sich selbst zerstören, weil es keine Menschen mehr gibt, die an eine Zukunft glauben. Das Agenten aus Tomorrowland schließlich die verbleibenden Träumer und Optimisten in die Zukunft oder Parallelwelt holen, um die Welt zu retten, macht dann eigentlich überhaupt keinen Sinn. Der Hintergrund der Geschichte zerfällt damit zu einer bloßen Ansammlung von den Handlungsverlauf antreibenden Motivationen, die einfach nicht schlüssig werden.
2003 kamen mit HAUNTED MANSION und PIRATES OF THE CARIBBEAN zwei Filme ins Kino, die sich an Fahrattraktionen aus Disneyland, und seinen Ablegern, orientierten. Das klang damals sehr vermessen, und wurde auch kritisch betrachtet. Doch beide Filme nutzten sehr geschickt die bekannten Motive und Bilder dieser Fahrgeschäfte, um den geneigten Zuschauer ebenso wie den Disneyland-Fanatiker zu überzeugen. HAUNTED MANSION war dabei weniger erfolgreich, aber mit dem Siegeszug der PIRATEN, war es nur eine Frage der Zeit, dass sich Disney an eine weitere Park-Attraktion wagen würde. TOMORROWLAND schien da eine sehr gute Wahl. Der Themenbereich innerhalb der verschiedenen Disney-Parks zählt schließlich zu den Beliebtesten. ‚Space Mountain‘ gehört dazu, eine Innenraumachterbahn, die einen Flug zwischen den Sternen simuliert. Das 3D-Spektakel ‚Captain EO‘ war einmal darin angesiedelt. Nicht zu vergessen das Simulationskino ‚Space Tours‘, welches einen durch die Welt von STAR WARS katapultiert. Das ‚360° Kino‘ und die ‚Einschienenbahn‘ gehören dazu. Letztere fuhr durch eine Röhre, in welcher Grafiken aus dem Film TRON projiziert wurden. Selbst dieses Motiv nimmt A WORLD BEYOND in einer Einstellung mit in den Film auf.
A WORLD BEYOND funktioniert nicht wirklich als ernst zunehmendes Gedankenspiel. Allerdings wird es den Ansprüchen gegenüber seines Ursprunges mehr als gerecht. So gibt es gibt es die Momente, die wie bei einer Achterbahn, einen im Anlauf kurz vor dem nächsten fast freien Fall atemlos machen. Der Charakter von Casey fungiert dabei wie ein junger Besucher in den Parks, der mit weit geöffneten Augen nach ‚mehr‘ schreit. Das Produktionsdesign hat auch keine Mühen gescheut, das Setting von Tomorrowland im Film, der Architektur des Themenbereiches im Park anzupassen. Das Gebäude von ‚Space Mountain‘ wurde sogar in seiner Gänze übernommen. Maus-Erfinder Walt hatte seinerzeit ‚Tomorrowland‘ selbst entworfen, und der Film zeigt auf beeindruckende Weise, wie eine logische Weiterentwicklung dieser Visionen aussehen müsste. Selbst das man den Themenbereich im vergangenen Jahrzehnt mit Braun- und Goldtönen modernisierte, wurde im Produktionsdesign des Films mit aufgenommen.
A WORLD BEYOND ist ein filmisches Erlebnis. Das muss man unumwunden zugeben, auch wenn sich die Logik gerne hinter dem Deckmantel des Bombastes aus dem Staub macht. Natürlich bemüht auch dieser Film die Moral, weil es zu den Verpflichtungen von Disney gehört, in einem gewissen Grad belehrend zu sein. A WORLD BEYOND ruft im diesem Sinne aus, niemals aufzugeben, zu sich selbst zu stehen, und das Träume nicht Träume bleiben müssen. Mit dieser Botschaft kann man selbst als erwachsener Zuschauer gut leben. Denn letztendlich verfolgt A WORLD BEYOND nicht die Moral, sondern das Spektakel. Und das ist durchweg gegeben. Auch dieser Film ist von seiner Optik und den Effekten her ein Film, den es vor zehn Jahren gar nicht gegeben hätte. Störend ist mitunter lediglich Britt Robertson als Casey, die mit ihrem Charakter in der ersten Hälfte gerne zu Übertreibung neigt, sich später allerdings anzupassen versteht. Denn ihr gegenüber steht kein Geringerer als George Clooney, der auch diesen Film mit seinem stets dominierenden Charme beherrscht. Eine wirklich sehenswerte Überraschung ist allerdings Raffey Cassidy in ihrer Rolle der überdominanten Athena.
Es gibt eine Szene, in einem Laden, die dem Genre-Fan wirklich zu Herzen gehen wird. Und es macht den Eindruck, als würden die Macher mit Absicht die Gefühle des angesprochenen Publikums quälen wollen. Was in dieser Szene an Sammlerstücken und Memorabilien zerstört wird, macht einen erst einmal ganz schummrig. Aber es zeigt auch wieder, wie viel Herzblut das Produktionsdesign in die Ausstattung gelegt hat. Allerdings ist die Sequenz auch eine schmerzhafte Erinnerung daran, wie sehr sich auch ein geneigter Zuschauer von seinen Hobbies vereinnehmen lässt.
Ist A WORLD BEYOND ein guter Film? Er ist auf alle Fälle sehenswert, weil das Moment des optischen Spektakels einfach perfekt umgesetzt wurde. Lässt man die Logik außen vor, bleibt dennoch ein guter Film. Die noch immer viel gepriesene Judy Greer, wird nach wie vor als Darstellerin angekündigt, fiel allerdings dem Tempo des Filmes zum Opfer, und wurde komplett dem Schnitt geopfert. In der BluRay-Fassung wird man Greers Auftritt als Mutter von Casey vollständig bewundern können. Will man unbedingt tiefer gehen, wird es kompliziert, weil A WORLD BEYOND dann keinen wirklichen Griff mehr im logischen Ablauf bekommt. Doch letztendlich will sich keiner George Clooney entgehen lassen, der sich pessimistisch geifernd durch die Zukunft schlägt. Wer weiß, was sich Disney als nächste Fahrattraktion für eine Verfilmung einfallen lässt. Das nervigste Fahrgeschäft ‚It’s a Small World‘ ist mit A WORLD BEYOND bereits abgehakt. Und in ‚Tiki Room‘ wird hoffentlich niemand eventuelles Potential vermuten. Jetzt sind wir erst einmal in ‚Tomorrowland‘ wo die Zukunft rosig sein könnte, wenn man sich als Zuschauer drauf einlässt. Kein sehr anspruchsvoller Film, der seinem eigentlichen Anliegen an Unterhaltung allerdings mehr als gerecht wird. Exzellente technische Umsetzung und überzeugende künstlerische Darstellungen machen A WORLD BEYOND zu einer empfehlenswerten Abendempfehlung, die man mit Abstrichen genießen muss.
Darsteller: Britt Robertson, George Clooney, Hugh Laurie, Raffey Cassidy, Kathryn Hahn, Tim McGraw, (Judy Greer) u.a.
Regie: Brad Bird
Drehbuch: Brad Bird, Damon Lindelof
Kamera: Claudio Miranda
Bildshcnitt: Walter Murch, Craig Wood
Musik: Michael Giacchino
Produktionsdesign: Scott Chambliss
USA / 2015
130 Minuten