A ROYAL NIGHT OUT – Bundesstart 01.10.2015
Die Besprechung basiert auf der englischen DVD-Fassung
Am 8. Mai 1945 feiert die Welt den Tag „Victory in Europe“. In Deutschland nennt man es lapidar Kriegsende. In Großbritannien herrscht Ausnahmezustand. Das Volk ist auf den Straßen, britische Flaggen überall. Wenn die Glocken um Mitternacht läuten, tritt Deutschlands bedingungslose Kapitulation in Kraft. Elizabeth ist zu dieser Zeit 19 Jahre alt, ihre Schwester Margaret erst 16. Es wird noch acht Jahre brauchen, bis Elizabeth die Thronfolge im britischen Imperium antritt. An diesem Abend des Kriegsendes sind selbst Monarchen-Töchter vor der Euphorie des Volkes nicht gefeit. Was in Zeiten des Internets unmöglich ist, war damals noch möglich. Die Hoheiten können sich fast unbehelligt auf der Straße bewegen, weil ihr Konterfei nicht allgegenwärtig war. Aber es bedarf einiges an Überredungskunst, bis König und Königin zustimmen, dass ihr jugendlicher Nachwuchs sich ins weltliche Geschehen stürzen dürfen. Wie betont Prinzessin Margaret immer wieder im Film, Inkognito.
Die Eltern stellen strenge Regeln auf. Nur in Begleitung von zwei Offizieren, und spätestens um 1 Uhr Nachts wieder im Buckingham Palace. Versprechen sind schnell gemacht. Aber da hat auch Elizabeth nicht die Rechnung mit ihrer Schwester Margaret gemacht, die nicht nur sehr schnell ihre Aufpasser abgehängt hat, sondern in Feierlaune auch noch von Elizabeth getrennt wird. Während Margaret von einem Soldaten durchs Nachtleben geführt wird, der glaubt ein ‚einfaches‘ Mädchen für eine ‚leichte‘ Nacht gefunden zu haben, ist Elizabeth auf die unerwartete Hilfe des Deserteurs Jack angewiesen, um der verloren gegangenen Schwester nachzukommen. Der Begleitschutz landet derweil in einem Bordell, und die hoheitlichen Schwestern lernen die ersten Knospen von Herzschmerz kennen. Und es dämmert schon der Morgen wenn die Prinzessinnen in den Palast zurück kehren.
Julian Jarrolds Geschichte ist einfach nur zu schön, als das sie wahr sein könnte. Den 8. Mai 1945 hat es im Buckingham Palace tatsächlich in dieser dargestellten Form gegeben. Mit dem leichten Unterschied, dass die Gruppe nicht nur die zwei Schwestern mit ihrem Geleitschutz umfasste. Elizabeth und Margaret waren in dieser Nacht mit 14 weiteren Personen inkognito unterwegs, von den Babysittern bis zu ihren engsten Freunden. Und die Gruppe war pünktlich um 1 Uhr Nachts wieder zuhause. Soweit zu den Geschichten, die auf wahren Ereignissen basieren. Das Schöne daran ist allerdings, dass A ROYAL NIGHT OUT erst gar nicht vorgibt, auf tatsächlichen Geschehnissen zu beruhen. Es ist eine herrlich losgelöste Fantasie unter der Prämisse „was wäre wenn“.
Die fiktive Elizabeth trifft im Verlauf des außer Kontrolle geratenen Abends an den Soldaten Jack, der sie widerwillig durch die tobenden Maßen eines ebenso losgelösten Londons führt. Eine gefühlsmäßige Annäherung der beiden unterschiedlichen Figuren ist natürlich programmiert. Aber Trevor De Silva und Kevin Hood haben ein so leichtfüßiges Drehbuch geschrieben, dass man jeden noch so vorhersehbaren Handlungsverlauf gerne geschehen lassen möchte. Stephen Frears hat mit THE QUEEN eine der eindrucksvollsten Biografien auf die Leinwand gebracht, die man in dem Genre erreichen kann, indem er die zentrale Figur über eine einzige Episode in deren Leben definiert. Das könnte man auch über A ROYAL NIGHT OUT behaupten, wenn sich der Film strenger an die Fakten halten würde.
Aber weder Jarrold, noch die Autoren, sind an den wahren Ereignissen, noch den Empfindsamkeiten seiner realen Vorgaben interessiert. Was ihnen dabei gelingt, ist eine gefällige Komödie, die durch ihre exzellenten Darsteller funktioniert. Da ist einiges Überraschendes im Handlungsverlauf, aber auch viel vorhersehbares. Aber Julian Jarrold behält durchweg einen leichten Erzählton, wird kaum dramatisch, und kann auch den Klamauk merklich abmildern. Wenn die königlichen Schwester zum Beispiel ihre Leibgarde austricksen. Diese Geschichte ist in dieser Form niemals passiert, aber die Inszenierung versetzt den Zuschauer ganz leicht in den Glauben, dass sie genauso passiert sein könnte. Allein Bel Powley als Princess Margaret versprüht soviel Energie und Glaubwürdigkeit, dass der sich sehr gut unterhaltende Zuschauer über Fakt und Fiktion keinen Gedanken verschwende wird. Den Rest besorgt die überragende Sarah Gadon, die eine angehende Monarchin mit sehr viel Gefühl und aber auch mit der einhergehenden Verunsicherung zu versehen versteht.
A ROYAL NIGHT OUT ist nicht das überwältigende Biografien-Kino, um welches sich bereits viele Filme bemühen. Julian Jarrold hatte den TV-Film THE GIRL inszeniert, der sich überragend gegen die aufwendige Kinoproduktion HITCHCOCK behauptete. Beide Produktionen behandelten die Produktion von Hitchcock-Filmen, in denen jeweils die Hauptdarstellerin Tippi Hedren oder Janet Leigh in den Vordergrund gestellt wurden. Und bei A ROYAL NIGHT OUT verhält es sich nicht anders. Ein sehr sympathischer Film, der mit einer unangestrengten Inszenierung und sehr losgelösten Darstellern zu überzeugen versteht. Manchmal kann gute Unterhaltung tatsächlich so einfach sein.
Darsteller: Sarah Gadon, Bel Powley, Emily Watson, Rupert Everett, Jack Reynor, Roger Allem, Jack Lasky u.a.
Regie: Julian Jarrold
Drehbuch: Trevor De Silva, Kevin Hood
Kamera: Christophe Beaucame
Bildschnitt: Luke Dunkley
Musik: Paul Englishby
Produktionsdesign: Laurence Dorman
Großbritannien / 2015
97 Minuten