Zweifellos scheiden sich an ihr die Geister. Melissa McCarthy, die sich über die letzten dreizehn Jahren in die Herzen oder Magengeschwüre der Welt gespielt hat. Die GILMORE GIRLS haben sie einem breiteren Publikum bekannt gemacht, und von da an, ging es stetig bergauf. Dann überzeugte sie vollends komödiantisch in BRIDESMAIDES – BRAUTALARM, allerdings im Ensemble. Die Hauptrolle neben Jason Bateman in IDENTITY THIEF – VOLL ABGEZOCKT, die konnte sie Dank eines unausgegorenen Drehbuchs und eines unglaublich dumm geschriebenen Charakters nicht stemmen. Nur wegen THE HEAT – TAFFE MÄDELS konnte McCarthys Karriere gerade noch abgefangen werden. Doch IDENTITY THIEF verfolgte die Filmwelt und deren Interessierte weiter, und zwar in Form von Rex Reeds Kritik im New York Observer. Reeds Besprechung des tatsächlich ärgerlichen Films, enthielt in Bezug auf die gute gebaute Schauspielerin Ausdrücke wie Flusspferd, kakophonisch, oder gigantischer Widerling, und noch ein paar ungebührliche Äußerungen. Das mag Rex Reed durchaus von McCarthy halten, und wenn man nach Streifzügen durch das Netz viele Kommentare liest, gibt es nicht wenige, die ins selbe Horn blasen. Aber in einer Filmbesprechungen haben persönliche Anfeindungen nichts verloren.
Es gibt viele Kritiker und Kommentatoren, die zu einem Film kommentieren und mit den Worten beginnen, ich habe noch nie zuvor eine Vorstellung während des Films verlassen, aber … . Kann man alle Nase lang lesen. Aber dann haben auch ihre Kritiken nichts in der Öffentlichkeit verloren. Ich kann keine Banane schälen, und ohne hinein zu beißen behaupten, sie würde mir nicht schmecken. Zudem hat schon jeder des Öfteren aus Langeweile oder wegen Hirnfurz eine Vorstellung verlassen. Allerdings könnte ich jetzt spontan nicht einen Titel nennen, aber auch dafür wird es Gründe geben. Jetzt habe ich es wieder getan, und kann mich leider sehr gut daran erinnern. Es war TAMMY, nicht nur mit, sondern auch von Melissa McCarthy. Weil ich genau weiß, was ich ein paar Sätze vorher geschrieben habe, komme ich nun in Erklärungsnot. Versuche es aber so hin zu drehen, dass ich nicht den Film bespreche, sondern die Veranlassung, die Vorstellung in der sechzigsten Minute für mich abzubrechen.
Was dereinst Rex Reed nach seinen Worten so erbost, sind McCarthys Auftritte bei denen sie allesamt so agiert, als wäre Fettleibigkeit ein riesiges Vergnügen. Anstatt es an einem Film festzumachen, wäre eine explizite Kolumne angebrachter gewesen. Allerdings mit freundlicheren Worten. Schließlich ist Melissa McCarthy eine Frau, die gerade auf Grund ihrer Körperfülle einen steinigen Weg im großen Getriebe der Industrie hinter sich hat. Früher war sie die lustige Dicke, die froh um jeden Job sein musste, und heute Melissa McCarthy, die man als Garant einkauft, aber es sich großzügig leisten kann, wählerisch zu sein. Und wenn man gut im Geschäft ist, einen Namen hat, die Beziehungen ausreizt, dann leistet man sich auch etwas. Das sind bei Schauspielern meist ganz persönliche Projekte. Und bei sehr persönlichen Projekten, da glaubt man auch, dass alles funktionieren muss. Schließlich hat man einen Namen, schließlich ist man bekannt, schließlich kommt der Erfolg nicht von ungefähr.
Eine Persönlichkeit die sich meist wegen ihrer äußerlichen Ästhetik vielen Anfeindungen ausgesetzt sieht, muss solche Situationen einfach wegstecken können. Man sollte sie allerdings nicht ignorieren. Einen furchtbar schlecht geschriebenen, teilweise aber auch so gespielten Charakter, wie bei IDENTITY THIEF sollte man als Warnung nehmen und hinterfragen. Wenngleich die Figur nicht das Geringste damit zu tun hat, aber in der Anonymität des Netzes feuert man einfach gerne mit niederen Mitteln. Melissa McCarthy hat beides getan, sie hat die Beleidigungen weg gesteckt, und die Kritiken ignoriert. Denn sie wollte TAMMY machen, ihr persönliches Werk. Sie hat mit Ben Falcone, dem Regisseur, das Drehbuch geschrieben und gemeinsam produziert. Selbstredend übernahm sie die Hauptrolle, er eine Nebenrolle. Zusammen war sie das urkomische Paar Megan und Air Marshall Jon in BRIDESMAIDS. Da standen sie allerdings unter der gestrengen Fuchtel der Apatow-Schmiede. Losgelöst von den Fesseln derjenigen, die Komödie verstehen, wurde TAMMY gemacht.
Es geht um eine Frau, die nicht alleine lebensfähig ist. Alles, aber auch alles was die Figur Tammy macht, ist falsch. Sie verfügt nicht über den geringsten Stand von Allgemeinbildung. Daraus einen lustigen Stoff zu machen ist äußerst schwer, und den Ideengebern hinter TAMMY ist auch rein gar nicht lustiges eingefallen, weder tiefsinnig, noch brachial, oder anarchisch. Und Melissa McCarthy will auch noch mit aller Gewalt diesen Charakter so lebensunfähig zeichnen. In den ersten sechzig Minuten hat TAMMY nicht einen einzige Gag der zündet. Man darf ohne Übertreibung sagen, dass dies das misslungenste Drehbuch ist, welches seit langem auf das Mainstream-Publikum losgelassen wurde. Dazu gesellt sich der Charakter Mark Duplass‘, dem das Drehbuch scheinbar seine Liebe zu Tammy aufgeschrieben hat, ohne das es einen einzigen Punkt im Film gäbe, der Tammy interessant, oder attraktiv für Duplass machen würde. Hier geht es also nur um die Erfüllung von Erzähl-Klischees, und das ist noch weniger attraktiv für den Zuschauer. Die ’46 geborene Sarandon ist Großmutter der ’70 geborenen McCarthy, und Mutter der ’59 geborenen Janney. Was für eine emsige Familie soll den das sein?
Man kann bei einer Komödie über viele Dinge hinwegsehen, aber wenn auch nur jeder Ansatz von Humor umgehend verraucht, dann wird Kino zum Ärgernis. Und dann beginnt man auch, sich an all den anderen eigentlichen Nichtigkeiten zu reiben. Und mit Reibungspunkten geizt TAMMY wahrlich nicht, diesem ganz persönliche Projekt, bei dem die Schauspielerin schlauer sein wollte, als die Künstler, welche sie nach oben brachten. Und das in einem Film mit nicht nur Susan Sarandon, sondern auch Allison Janney, Gary Cole und Toni Collette. Warnschüsse heißen nicht umsonst so. Umso erschreckender, dass mit MICHELLE DARNELL die nächste Produktion in dieser Konstellation angekündigt ist. Dazwischen liegen noch drei Filme in denen Melissa McCarthy nur schauspielert. Dabei sollte sie ganz genau aufpassen, weil Karrieren in Hollywood nicht zwangsläufig anhalten müssen.
Darsteller: Melissa McCarthy, Susan Sarandon, Kathy Bates, Allison Janney, Dan Aykroyd, Gary Cole, Mark Duplass, Toni Collette u.a.
Regie: Ben Falcone
Drehbuch: Melissa McCarthy, Ben Falcone
Kamera: Russ T. Alsobrook
Bildschnitt: Michael L. Sale
Musik: Michael Andrews
Produktionsdesign: Jefferson Sage
USA / 2014
97 Minuten