FADING GIGOLO – Bundesstart 06.11.2014
Die Besprechung basiert auf der englischen BluRay-Fassung
Sieht man sich die lange Liste der Produzenten von PLÖTZLICH GIGOLO an, erscheint es seltsam, dass keiner von Woody Allens Langzeitkollaborateuren für den Film mit verantwortlich war. Immer wieder setzt sich John Turturro hin und schreibt ein Drehbuch, und inszeniert es auch noch selbst. Kennt man den Schauspieler mit dem markanten Gesicht eher wegen seiner verschrobenen Figuren, könnte sich das jetzt mit PLÖTZLICH GIGOLO auch beim allgemeinen Publikum ändern. Ist dieser Film doch etwas gefälliger, als die vier vorangegangenen Regiearbeiten Turturros, die eher ein anspruchsvolleres Arthouse-Publikum ansprachen. Hier dreht sich der bunte Reigen der Gefühle um Fioravante, der wegen Bankrotts seinen traditionsreichen Buchladen schließen muss. Just an diesem Tag erzählt sein bester Freund Murray von seiner Dermatologin, die beim plaudern unverhohlen den Wunsch nach einem flotten Dreier äußerte, wofür sie auch gut bezahlen würde. Und Murray, als echter bester Freund, hatte da sofort an den nun arbeitslosen Fioravante gedacht.
Nur die Anfangstitel verraten, dass dies kein Film von Woody Allen ist, dessen Werke ausschließlich mit weißer Schrift auf schwarzen Grund beginnen. Aber grundsätzlich wundert man sich in den ersten Minuten schon, ob nicht doch der Meister seine Hand im Spiel hatte. Die Inszenierung, die Dialoge, das Spiel mit den Dialogen, selbst die Musikauswahl, das alles atmet förmlich den Stil und die Themen von Woody Allen. Nach reichlichen Überlegungen geht Fioravante auf Murrays Vorschlag ein. Dr. Parker will aber zuerst einmal ihren käuflichen Partner alleine testen, bevor sie ihre Freundin Selima zum Dreier bittet, was Fioravante erfolgreich besteht. Begeistert von dieser Geschäftsidee, schafft Murray mehr und mehr Kundinnen an, unter anderem die verwitwete Avigal. Allerdings steht Avigal in ihrem jüdischen Viertel unter argwöhnischer Beobachtung, der Meinung ihrer Gemeinde nach, hat sie noch nicht lange genug getrauert. So kommt auch bald das Treiben von Fioravante und Murray ins Visier der Shomrim, einer jüdischen Unterabteilung der New Yorker Polizei.
Sollte Woody Allen tatsächlich einmal aufhören Filme zu machen, könnte John Turturro so etwas wie dessen Vermächtnis sein. Ganz offensichtlich spielt Allen nicht umsonst die zweite Hauptrolle, der hier nicht seinen neurotischen Blick auf die Dinge offeriert, aber wie bei seinen eigenen Filmen, der scheinheilig überdrehte Charakter bleibt, der einfach von seinen eigenen Eingebungen überzeugt bleibt. Der stetig quasselnde Murray, ist ein echtes Highlight in PLÖTZLICH GIGOLO, der über Ecken und Ausflüchte seine weiblichen Gesprächspartner hinterhältig mit Fioravante zusammen bringt. Der Zuhälter und seine Schlampe, witzeln die beiden immer wieder. Und man kauft es ihnen auch ab. Ein Duo, das man zuerst als eher unwahrscheinlich abtun würde. Aber Turturro hat die selbst geschriebene Geschichte und seine Figuren im Griff. Er weiß jene Unwahrscheinlichkeit geschickt aufzunehmen, und sie so aufzubauen, dass ein alternder überspannter Zuhälter und eine wirklich nicht sehr attraktive Schlampe beim Publikum wirklich überzeugen.
Lediglich im Mittelteil verliert der Film den Fokus auf die Komödie, und erzählt einfach nur. Hier hätte Turturro mehr nacharbeiten müssen, um den unterschwelligen Humor konstant zu halten. Wenn sich Fioravante und Avigal langsam annähern, kippt der zweite von drei Akten zu sehr in eine reine Romanze ab. An sich wäre das nicht problematisch, doch ist das erste Drittel einfach zu stark und überzeugend unterhaltsam, das die folgenden Schwächen nur umso intensiver auffallen. Doch alles in allem ist PLÖTZLICH GIGOLO ein Film, der seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird. Mit herausragenden Darstellern und einer hintersinnigen Geschichte, könnte er eigentlich auch nicht wirklich enttäuschen. Und wie sich John Turturro selbst als Gigolo in Szene setzt, zeugt doch schließlich auch von der Einfühlsamkeit des Filmemachers, der ganz bewusst damit spielt, nicht der wahre Gigolo-Typ zu sein. (Spoiler) Und wer sich selbst eine Sex-Szene mit Sharon Stone und Sofia Vergara auf den Leib schreibt, und damit auch durchkommt, hat sowieso den Respekt eines jeden Hormon gesteuerten Mannes verdient (Spoiler Ende). Das ist schon wieder so sympathisch, dass man diesen Film einfach zu schätzen verstehen muss.
Darsteller: John Turturro, Woody Allen, Vanessa Paradis, Liev Schreiber, Sharon Stone, Sofia Vergara, Tonya Pinkins, Aubry Joseph u.a.
Drehbuch & Regie: John Turturro
Kamera: Marco Pontecorvo
Bildschnitt: Simona Paggi
Musik: Abraham Laboriel, Bill Maxwell
Produktionsdesign: Lester Cohen
USA / 2014
90 Minuten