MAZE RUNNER – Bundesstart 16.10.2014
Irgendwann muss doch einmal die Schmerzgrenze erreicht sein. Als man Philip Pullmans Trilogie HIS DARK MATERIALS mit dem ersten Teil startete, verpasste man dem Film ein etwas abgemildertes Ende, des eigentlichen Cliffhangers. Man wollte dem Zuschauer eine Chance geben, mit dem Film abzuschließen, falls die Fortsetzung ausbleiben sollte. Tatsächlich wurde nach den Zahlen des amerikanischen Publikums auf Halde gesetzt, obwohl die Europäer den Film begeistert und in Scharen aufnahmen. Während dessen hatte man in HARRY POTTER einen Generationen übergreifenden Kinoliebling gefunden, der mit der gar dämlichen Marotte begann, einen letzten Film in der Reihe in zwei separate Teile zu zerlegen. TWILIGHT nahm sich daran ein gutes Beispiel, von HOBBIT gar nicht zu reden. Gehören diese Filme noch in eine ganz andere Kategorie von Unterhaltung, begannen die TRIBUTE VON PANEM diesen inakzeptablen Trend aufzugreifen. Was die thematisch ähnliche Buchverfilmung von DIVERGENT gerne ebenso nutzen. Und wer weiß, ob, und dann wie THE GIVER fortgesetzt werden wird. Mit MAZE RUNNER kommt nun ganz überraschend, eine weitere Roman-Trilogie ins Kino. Wie in den drei voran genannten Beispielen, ist es wieder ein auserwählter Jugendlicher, der es so einfach einmal siegreich mit einem ganzen System aufnimmt. War es bei PANEM noch mutig, spannend, und mit einer Prise Plausibilität gewürzt, zeigte das Klischee bei DIVERGENT bereits Abnutzungserscheinungen, und erzeugte bei THE GIVER überhaupt keine Spannung mehr. Und bei allen Beispielen, geht MAZE RUNNER einen gewaltigen Schritt weiter, weil er ein einziges Ärgernis ist.
Thomas erwacht in einem fahrenden Aufzug, ohne irgendeine Erinnerung, auch noch nicht an seinen Namen. Auf einer weiten Lichtung die von gewaltigen Betonwänden umgeben ist, empfängt ihn eine größere Gruppe von Jugendlichen. Jeden Monat schickt der Aufzug einen neuen Jungen, ohne jede Erinnerung. Alby war vor drei Jahren der Erste. Die Gruppe ist zum größten Teil Selbstversorger, und jeder von ihnen hat eine fest zugewiesene Aufgabe. Wie zum Beispiel die Läufer. Denn hinter den gewaltigen Mauer setzten diese sich als gigantisches Labyrinth fort. In den Abendstunden verschließt sich die Mauer, und das Labyrinth beginnt sich neu zu ordnen. Die Läufer müssen das Labyrinth erkunden, das System hinter der Neuordnung herausfinden, und damit einen Weg in die Freiheit. Kommen die Läufer nicht vor Sonnenuntergang zurück, werden sie Opfer der nachtaktiven Griewer. Monster, die mit ihren Stacheln einen grausamen Tod verursachen. Thomas kann sich gerade so in die Gruppe einfügen, fällt aber immer wieder negativ wegen seiner ungebändigte Neugierde auf, was den Anführern Gally und Newt überhaupt nicht passt. Gerade die Ordnung hält das System innerhalb der Lichtung in der Waage. Doch dann bringt der Aufzug viel früher als eigentlich üblich, dass erste Mädchen auf die Lichtung, mit der Nachricht, sie werde die letzte sein. Was diese Nachricht zu bedeuten hat, bleibt den Jungs verwehrt, allerdings bringt sie genügend Unruhe zwischen die Betonwände, dass der Zusammenhalt auseinander zu brechen droht.
Man kann von einem Film dieser Größenordnung erwarten, dass er technisch einwandfrei umgesetzt wurde. Was er, bis auf ein wenig zu viel Schulterkamera, auch ist. Ansonsten kann Enrique Chediak mit seinen Bildern sehr gut die Dimensionen transportieren, welche das Leben innerhalb der Lichtung ausmacht. Dan Zimmermann findet im Schnitt genau das richtige Tempo, um immer wieder die Atmosphäre herunter zu fahren, und dann gnadenlos anzuziehen. Der Film entwickelt dabei eine Dynamik, welche unentwegt Spannungsbögen aufbaut. Die durchweg tadellose Tricktechnik bietet sogar einmal einen grandiosen Blick über das gesamte Areal des Labyrinths. Aber zu diesem Zeitpunkt gibt es schon gar keinen Anlass mehr für ein Interesse an der Geschichte. So spannend Wes Ball die Geschichte zu inszenieren verstand, entbehrt die Handlung alle handbreit Logikfehler und unrealistische Settings.
Weit mehr als ein Dutzend Jugendlicher versucht seit drei Jahren aus dem Labyrinth zu entkommen, und Thomas braucht für eine Lösung gerade drei Tage. Das Argument, er hatte vorher für die andere Seite gearbeitet, kann man dabei nicht gelten lassen. Wenn man bei einer derart schmalen Geschichte Intuition und Empathie einfließen lassen will, dann muss man dies thematisieren, weil es immer noch ein Jugendbuch, und damit eine entsprechende Verfilmung bleibt. Zudem Thomas und die zuletzt genannte Teresa ein vermeintliches Alter von sechzehn, oder siebzehn Jahren haben sollen, und damit beim Beginn des Experimentes dreizehn oder vierzehn Jahre alt gewesen sein müssen, wenn Thomas behauptet, die Jungs auf der Lichtung all die Jahre beobachtet zu haben. Ist nett angedeutet, aber wirklich nicht glaubwürdig. Dann ist da das Efeu, welches nie so hoch wächst, dass man über die Mauer auf das Labyrinth sehen könnte, laut der alteingesessenen Bewohner. Und als Thomas das erste mal von einem Griewer verfolgt wird, ist er einmal ganz schnell über das Efeu auf die Oberseite der Betonwände geklettert. Es sind all diese kleinen Dinge, die sich zusammen zu einem großen Ganzen hoch schaukeln, und irgendwann einfach nicht mehr ignoriert werden können. Wird ein Läufer von einem Griewer gestochen, dann entwickelt er sich für die Gruppe zum Risiko, und wird Abends beim Schließen des Tores ohne jedes Mitgefühl ins Labyrinth verstoßen, um dort zu sterben. Als Alby, der erste auf der Lichtung, gestochen wird, bettet man ihn sorgsam auf ein Bett, und harrt der Dinge die da kommen. Es muss doch Drehbuchautoren geben, die sich um so etwas Gedanken machen, und dies wenngleich in einfachen Sätzen, aber wenigstens erklären können.
Schlimm genug, dass es so weiter und weiter geht. Aber damit hat MAZE RUNNER seinen Tiefpunkt noch lange nicht erreicht. Denn das dicke Ende kommt zum Schluss, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Handvoll schafft es durch das Labyrinth in etwas, das wie eine Kommandozentrale anmutet, von der aus jeder Schritt jedes Jungen auf der Lichtung verfolgt wurde. Per Videoaufzeichnung erklärt eine scheinbar im Kommando befindliche Frau mit sehr hellen Haaren, den Jugendlichen ihr Schicksal. THE GIVER hatte mit Meryl Streep einen Bösewicht mit sehr hellen Haaren. Und Kate Winslet war in DIVERGENT das Biest mit den sehr hellen Haaren. In der Reihe kann man Donald Sutherland in PANEM außer Acht lassen, weil er ein Mann ist, allerdings mit sehr hellen Haaren. Vielleicht hat das auch irgendeine Bedeutung. In MAZE RUNNER ist es Patricia Clarkson, die mit sehr hellem Haar vorgibt, dass die Jugendlichen die letzte Hoffnung der Menschheit wären, weil sie immun gegen einen Virus seien, der die Menschheit dahin zu raffen droht. Für vorangegangene 105 Minuten, sind diese 2 Minuten Erklärung ziemlich dürftig und extrem an den Haaren herbei gezogen. Für ein glaubwürdiges Szenario, muss man diese Seuche weit vorher ins Spiel bringen. So wirkt es lediglich wie eine aus dem Hemdsärmel geschüttelte Erklärung, um den Film schnell zu beenden.
Aber, als eine der letzten Fragen, was haben die Entführungen, Prüfungen und Leidenswege auf der Lichtung und im Labyrinth, mit der Immunität gegen einen Virus zu tun? Sollte man in diesem Fall nicht fragen, denn die Suche nach einer Antwort könnte Kopfzerbrechen bereiten. Spielt auch keine Rolle, weil die in der Lichtung erwachsen gewordenen Kinder von einer vermeintlichen Organisation gerettet werden, die scheinbar das grausame Labyrinth-Experiment unterbinden wollen. Von den ach so schlauen Jugendlichen, die ja scheinbar ach so erwachsen sind, fragt sich keiner, warum sie außerhalb des Labyrinths von einem rettenden Hubschrauber aufgenommen werden, der genauso gut auf der Lichtung landen könnte, und den mörderischen Weg durchs Labyrinth ersparen würde. Kaum hat sich der Zuschauer noch mit einer halbgaren Auflösung der Geschichte zu beschäftigen, erscheint schon wieder eine Frau mit sehr hellem Haar, und erklärt einer Gruppe strenger Anzugträger, dass die Versuchskaninchen den Köder geschluckt hätten, und man nun mit der zweiten Phase beginnen könnte.
Das Ende von MAZE RUNNER setzt für das Publikum voraus, dass es die komplette Trilogie gelesen haben muss. Denn ansonsten kommt ein unbedarfter Zuschauer aus dem Kino, ohne auch nur die geringste Erklärung, oder Hauch einer Ahnung, um was es in der ganzen Geschichte ging. Die Macher liefern in der vorletzten Minute tatsächlich eine halbseidene Erklärung, um diese wiederrum in der letzten Minute ad absurdum zu führen. Abspann. Raus aus dem Kino. Kommt in einem Jahr wieder. Das ist ärgerlich, und absolut unprofessionell. Denn es zeigt, das die Macher überhaupt nicht im Stande waren, mit dem Ursprungsmaterial umzugehen. Wenn ich als Produzent nicht in der Lage bin, dem Zuschauer eine soweit vernünftige Lösung anzubieten, dass er nur ungefähr den Umfang der Geschichte erahnt, dafür angefüttert genug bleibt, um zum nächsten Teil wieder zu kommen, dann haben diese Macher den Zuschauer nicht einfach nur unterschätzt, sondern ihn regelrecht hochgenommen. MAZE RUNNER ist der Aufschrei danach, mit diesem Geld abschöpfenden Wahnsinn aufzuhören. Die kreativen Köpfe dahinter haben schon lange den Sinn für die eigentliche Kreativität verloren. MAZE RUNNER tritt ununterbrochen die Intelligenz seines Publikums mit Füßen. Um mit den Worten Colonel Faulkners zu sprechen: „Das ist widerlich, entwürdigend.“
Darsteller: Dylan O’Brien, Aml Ameen, Thomas Brodie-Sangster, Kaya Scodelario, Will Poulter, Ki Hong Lee u.a.
Regie: Wes Ball
Drehbuch: Noah Oppenheim, Grant Pierce Myers, T.S. Nowlin, nach der Roman-Reihe von James Dashner
Kamera: Enrique Chediak
Bildschnitt: Dan Zimmerman
Musik: John Paesano
Produktionsdesign: Marc Fisichella
USA / 2014
113 Minuten