MAN OF TAI CHI / TAIJI XIA – Bundesstart 13.03.2014
Kurzfilme und Videospiele hat Michael Cooney bisher geschrieben. Irgendwie in diese Richtung, macht auch das Drehbuch zu MAN OF TAI CHI den Eindruck. Aber vielleicht ist es auch Kalkül, damit Keanu Reeves sich mit seinem Regie-Debüt wenigstens im soliden Bereich bewegen kann. Die Geschichte des talentierten, aber unbedarften Einzelgängers mit besonderen Fähigkeiten ist weder neu, noch originell. Und Cooney oder Reeves, versuchen erst gar nicht sich cleverer zu geben, als es die Geschichte hergeben würde. Das ist aber auch genau der Punkt, der MAN OF TAI CHI zu einem ehrlichen, und vor allem erträglichen Kampfspektakel macht. Chen Lin-Hu ist ein einsamer Kurierzusteller, der als einziger Schüler täglich seinen Meister in dessen heruntergekommenen Klosteranlage besucht. Um sich etwas Geld hinzu zu verdienen, nimmt Chen regelmäßig an honorierenden Kampfturnieren teil. So wird Donaka Mark auf ihn aufmerksam, der mit illegalen Kämpfen ein lukratives Geschäft betreibt. Naiv und unvoreingenommen erkennt Chen natürlich erst viel zu spät, dass er sich auf einen mörderischen Handel eingelassen hat. Als ständiger Gewinner, kann sich der Tai-Chi-Kämpfer nicht nur einen gewissen Luxus erlauben, sondern auch die Renovierung des Klosters seines Meisters finanzieren. Doch die Spirale der gnadenlosen Gewalt in den Kämpfen, zieht sich immer enger um Chen.
Solide. Das trifft in allen technischen und kreativen Belangen in MAN OF TAI CHI zu. Keanu Reeves wollte seinem Stunt-Trainer aus den MATRIX-Filmen Tribut zollen, und wählte für seine erste Regie-Arbeit ein angemessenes Umfeld, um Tiger Chen, und seine Künste, auch einmal vor der Kamera zu demonstrieren. Als Schauspieler kann sich Chen wirklich nicht behaupten. Doch die eher schlicht gestrickte Handlung, verlangt auch nicht wirklich nach darstellerischen Fähigkeiten. Dafür sind die Kampfszenen wunderbar herausgearbeitet. In längeren, ungeschnittenen Kameraeinstellungen, kommen die komplizierten und aufreibenden Kampfsequenzen hervorragend zur Geltung. Der Zuschauer bekommt nicht nur optisch, sondern auch gefühlt, die herausragenden Choreografien zu spüren. Etwas, das nur wenigen Martial-Arts-Filmen gelingt, die sich in neuerer Zeit dem Genre verschrieben haben.
MAN OF TAI CHI ist weit davon entfernt, dem Kampf-Hit THE RAID den Schneid abzukaufen. Aber er ist noch immer in einer Weise auf asiatisch inszeniert, dass er selbst behobeneren Ansprüchen Genüge tun wird. Asiatisch inszeniert, heißt den Mainstream typischen Plattitüden entsagt zu haben. Man konzentriert sich auf das Wesentliche, und auch das Eigentliche. Niemand erwartet tiefgründige Unterhaltung, der sich einen Film über Mixed-Martial-Arts-Kämpfe ansieht. Und niemand erwartet komplexe Erzählstrukturen, wenn er einen Film mit, und vor allem von, Keanu Reeves anschaut. Doch allen Unkenrufen zum Trotz, ist MAN OF TAI CHI ein nicht nur ansehnlicher, sondern seinem Metier auch gerecht werdender Film. Sollte es dennoch Zuschauer-Kandidaten geben, die glauben, mehr erwarten zu können, denen gibt MAN OF TAI CHI noch eine kleine, aber unscheinbare Ebene von Mystizismus mit auf den Weg. Denn Reeves, der einfache, aber nicht ungeschickte Regisseur, gibt seinem eigenen Charakter den Charme des übergestellten Allmachtswesens. Ist Donaka Mark wirklich nur der Bösewicht nach dem Abziehbild, oder doch das personifizierte Gewissen der Hauptfigur?
Keanu Reeves hat als westliche Visage schon die Japaner mit 47 RONIN verärgert. Es hat wirklich den Anschein, als würde er das selbe mit den Chinesen bei MAN OF TAI CHI anstellen wollen. Der Amerikaner, der sich als Außenseiter in einer kulturell komplett anders gestalteten Gesellschaft zu behaupten versteht. Finden die an den Haaren herbei geredeten Anschuldigungen zu 47 RONIN noch eine gewisse Basis, haben eventuelle Kulturkomplikationen bei MAN OF TAI CHI keinerlei Handhabe. Es ist ein solider und dem Genre gerecht werdender Martial-Arts-Film, der einem geneigten Publikum sehr viel Freude bereiten wird. Man muss zugeben, dass gerade im letzten Kampf der Einsatz von unterstützenden Drahtseilen in den Action-Sequenzen extrem auffällig ist. Doch der Dramaturgie des Films tut es keinem Abbruch, weil er im Gesamten doch ein einnehmender und optisch überzeugender Kampfkunst-Film ist, der weiß, was er seinem erwartungsvollem Publikum schuldig ist.
Darsteller: Tiger Hu Chen, Keanu Reeves, Iko Uwais, Simon Yam, Silvio Simac, Karen Mok u.a.
Regie: Keanu Reeves
Drehbuch: Michael G. Cooney
Kamera: Elliot Davis
Bildschnitt: Derek Hui
Musik: Kwong Wing Chan
Produktionsdesign: Yohei Taneda
USA – China – Hongkong / 2013
zirka 105 Minuten