COLD IN JULY – ab 30. Oktober 2014 in Großbritannien auf BluRay/DVD
Ost Texas, 1989. Richard Dane ist ein unbescholtener Familienvater, der in seinem kleinen Geschäft Bilderrahmen fertigt. Das Idyll könnte nicht besser sein. Richard Dane sieht mit seiner Achtzigerjahre Frisur etwas lächerlich aus, aber das taten damals fast alle, die sich auf diese Moden einließen. Richard Dane ist bestimmt kein harter Kerl, auch nicht der kernige Vertreter des ländlichen Texas. Und so fällt es ihm auch schwer, mit zittrigen Fingern seine versteckte Waffe zu laden, als ihn seine Frau Ann eines Nachts wegen merkwürdiger Geräusche weckt. Wenige Sekunden später klebt fleische Masse an der Wohnzimmerwand der Danes, ein Einbrecher liegt tot auf dem Sofa. Auch wenn Regisseur Jim Mickle sehr blutig inszeniert, kostet er das nicht nach den Möglichkeiten aus. Der Schrecken ist eindeutig, und nimmt den Zuschauer auch so sofort gefangen. Michael C. Hall spielt diesen Richard Dane mit eiserner Präzision, wie er stets verunsichert durch das Szenario gezogen wird. Ein Typ, der einfach nur sein bisher ruhiges Leben weiterführen möchte. Diese Unsicherheit treibt ihn auch zur Beerdigung des von ihm erschossenen Freddy, wo Richard zuerst der einzige Teilnehmer zu sein scheint. Bis plötzlich Russel auftaucht, Vater des Toten, der mit seinen Rachegedanken nicht hinter dem Berg hält.
Russel ist einer der vermeintlich bekannten Typen, die Texas im Volksmund ausmachen. Knapp genuschelte Sätze, scheinbar emotionslos, eine Erscheinung, die keinen Spaß versteht. Es tut einfach gut, Sam Shepard endlich wieder einmal in einer ausführlicheren Rolle erleben zu können, in dessen Gesicht sich all seine Lebenserfahrung wiederspiegelt. Und der mit kaum einen Wort, so viel vermitteln kann. Sein Charakter, aber eben auch seine geniale Besetzung, bildet den Kern dieser Rache-Geschichte. Obwohl die Polizei alles tut, Richards Familie zu schützen, und Russel dingfest zu machen, ist der auf Rache eingestellte Vater seinen Häschern immer einen Schritt voraus. Sobald Sam Shepard in die Handlung einsteigt, weiß der geneigte Zuschauer, wie der Hase laufen wird. Ein Mann, der sein Haus und seine Familie verteidigt hat, wird keine Ruhe finden, bis er in einem furiosen Showdown die Dinge selbst in Hand nimmt. Das ist die bekannte, die herkömmliche Geschichte. Doch hier schlägt der Hase andere Haken, denn den eigentlich unbescholtenen Richard Dane beschleichen Zweifel, wie ehrlich es die Polizei mit ihm tatsächlich meint, und ob nicht irgend etwas an dem eigentlich klaren Fall, doch faul ist.
Hier kommt Jim Bob ins Spiel, ein Privat-Detektiv und ein anderer Typ, der Texas ausmacht. Laut, direkt, kumpelhaft, mit viel Drang sich mitzuteilen, aber kompromisslos wenn es drauf ankommt. Und es kommt sehr oft darauf an, in dieser Handlung, die plötzlich alles andere als vorhersehbar wird. Als Joe Lansdale den Roman geschrieben hat, lange bevor sich Nick Damici und Jim Mickle ans Drehbuch setzten, muss er bereits Don Johnson als Jim Bob im Kopf gehabt haben. Er ist nach Shepard der zweite Clou, der den Film dominiert. Und man hat sofort das Gefühl, dass wirklich niemand anderes diese Rolle hätte ausfüllen können. Der im Fernsehen verheizte Johnson, kann erneut beweisen, dass er durchaus für mehr zu haben wäre. Auch bei Johnson macht es tierische Freude, ihn wieder einmal in einer größeren Rolle erleben zu dürfen. Zwischen ihm und Shepard, wirkt Michael C. Hall dann doch mitunter etwas blass.
Das Jim Mickle am Setting der Achtzigerjahre festhielt, obwohl es für die eigentliche Geschichte unerheblich ist, sorgt für ein stimmungsvolles Flair, welches gerade bei einem älteren Publikum eine besondere Wirkung erzielt. Nicht nur der sperrige Videorekorder als Accessoire, sondern die Stimmung im Allgemeinen. Die Erinnerung an eine Zeit, in der nicht alles Over-the-top inszeniert sein musste, um funktionierende Spannungsmomente zu erreichen, und wo auch noch das Innenleben von Charakteren von Bedeutung war. In der Optik von Ryan Samuls Kameraführung, hat sich das Team stark an Dean Cundey orientiert, Stammkameramann von John Carpenter. Das Jeff Grace‘ Musik auch noch unüberhörbare Anleihen bei Carpenters elektronischen Soundtracks nimmt, scheint in der ganzen Inszenierung dann doch Methode zu haben. Obwohl John Carpenter selbst nie einen Thriller dieser Art gemacht hat. Das bei COLD IN JULY dann noch die Opening-Credits im Schrifttyp Alberus MT gesetzt sind, wirkt wie ein Augenzwingern der Macher an die Genre-Fans. Carpenter hat diesen Schrifttyp bei fast all seinen Filmen für die Titel benutzt. Doch diese offensichtliche Verbeugung der Macher von COLD IN JULY, ist ein wunderbar nostalgischer Blick auf eine Zeit, wo Thriller noch mit menschlicher Tiefe und ohne exzessiven Blutrausch überzeugten. Am Blutgehalt macht Jim Mickle zwar Zugeständnisse an das heutige Kino, aber es wird nicht relevant.
COLD IN JULY ist ein extrem spannender Thriller, der einen wundern lässt, warum kein deutscher Verleiher an einer Kinoauswertung interessiert war. Das schauspielerische Potential ist zum niederknien überragend, Mickles Tempo in der Inszenierung auf den Punkt, und Ryan Samuls optische Spielereien eine sehr angenehme Bereicherung für den atmosphärischen Verlauf. Zudem überrascht die Handlung immer wieder mit nicht vorhersehbaren Wendungen. Er zeigt eine unbekannte Variante des Klischees eines ursprünglichen Texas, und die typischen Vertreter eines Landstriches, der immer gerne als das wahre Amerika gesehen werden möchte. Das COLD IN JULY diese Stereotypen aufgreift, sie aber dann doch leicht karikiert, ist eine weitere Stärke. Denn obwohl der Blick des Films auf seine Figuren kritisch bleibt, überspitzt er sie nicht, und gibt sie zu keinem Zeitpunkt der Lächerlich preis. So dürfen Thriller aussehen, wenn sie ihrer Bezeichnung gerecht werden wollen.
Darsteller: Michael C. Hall, Sam Shepard, Don Johnson, Vinessa Shaw, Wyatt Russell, Nick Damici, Happy Anderson u.a.
Regie: Jim Mickle
Drehbuch: Nick Damici, Jim Mickle
Kamera: Ryan Samul
Bildschnitt: John Paul Horstmann, Jim Mickle
Musik: Jeff Grace
Produktionsdesign: Russell Barnes
Frankreich – USA / 2014
109 Minuten