EDITORIAL: Halt And Catch Fire

MainstreamDas BREAKING BAD nicht zu wiederholen sein dürfte, ist den Obersten bei AMC durchaus bewusst. Doch etwas einfallen lassen müssen sie sich. Der Sender, der früher nur American Movie Classics spielte, hat sich mit waghalsiger Energie zu einem der führenden Serien-Produzenten gemausert. Nicht zum erfolgreichsten, aber sicherlich zum beliebtesten Sender. In einer Folge von HALT AND CATCH FIRE sagt jemand zu der Hauptfigur Joe MacMillan, „das Ding, das du durchziehst, macht die Leute neugierig, aber du kannst sie damit nicht halten“. Ein Satz, der den Bossen von AMC wie eine Warnung erschienen sein mag, wenn sie zum Entsetzen des Publikums, ihre Serien immer wieder der Gefahr aussetzen, an Qualität drastisch zu verlieren. WALKING DEADs Frank Darabont war der erste Showrunner, der nach der ersten Staffel die Segel strich, weil sich AMC mit ihm überworfen hatte. Und tatsächlich war es der zweiten Staffel auch anzumerken. Ohne daraus zu lernen, legten sie sich schließlich mit Matthew Weiner an, der MAD MEN erfunden und produziert hat, eines der Zugpferde neben BREAKING BAD und WALKING DEAD. Weiner war geblieben, und führt nun seine Serie erfolgreich zu ihrem dramatischen Ende. Doch was dann? BREAKING BAD bekommt mit BETTER CALL SAUL ein Spin-Off, welches vom Konzept her sehr vielversprechend ist. Für MAD MEN sollte nun HALT AND CATCH FIRE die zu erwartende Lücke füllen.

Halt-Catch-Fire-4, Copyright AMC Networks
HELL ON WHEELS oder TURN haben ihr Publikum gefunden, konnten aber die hochgeschraubten Erwartungen nicht erfüllen. Das Konzept, eine nicht allzu lang zurück liegende Epoche wieder aufleben zu lassen, und dabei mit dem Wiedererkennungsfaktor beim Zuschauer zu spielen, hat MAD MEN groß und großartig gemacht. HALT AND CATCH FIRE entführt sein Publikum in die Texas Silicon Prairie von 1983. Neben Silicon Valley ein Herzstück der angehenden Computer-Revolution. Dort will der rabiat ehrgeizige Joe MacMillan den PC für jedermann auf den Markt bringen. Bei dem Unternehmen Cardiff Electric, von Computern noch vollkommen unvorbelastet, kann MacMillan seine ehrgeizige Vision unterbringen. Doch MacMillan hat eine Historie mit IMB, und die schauen Cardiff Electric demnach genau auf die Finger. In Computer-Designer Gordon Clark findet er einen Verbündeten, sowie in der Programmiererin Cameron Howe. Zusammen, aber auch oftmals gegeneinander, müssen sie die komplette Abteilung zusammen halten, um an ein eigentlich unerreichbares Ziel zu gelangen. Cardiff Electric soll einen Computer entwickeln, der gegenüber der Konkurrenz halb so schwer, dafür doppelt so schnell ist, ausgestattet mit einem eigenen BIOS.

Halt-Catch-Fire-7, Copyright AMC NetworksDer Blick zurück ist durchaus ein sehr spannender. Gerade einmal dreißig Jahre liegt es zurück, dass der PC auf die Menschheit losgelassen wurde. HALT AND CATCH FIRE spielt liebevoll mit Details und der Erinnerung. Doch rückte man bei MAD MEN die Figuren in den Vordergrund, wo die Werbe-Branche als Hintergrund und metaphorisches Element funktionierte, steht bei HACF zu sehr die Technik im Vordergrund. Wer von Anfang an dabei war, sich nicht nur für Computer interessierte, sondern auch alle Entwicklungen persönlich nutzte, der wird eine helle Freude an den Feinheiten von HACF haben. Für Späteinsteiger wird es allerdings kniffliger, und das ist das eigentliche Dilemma an dieser neuen Serie mit dem eigentlich hervorragenden Konzept. Als Zuschauer ist man viel zu oft gezwungen, sich gewisse Dinge und Zusammenhänge selbst zusammen zu reimen. Und das klappt nur bedingt, denn stets muss man im Auge haben, was heute am PC möglich ist, war früher undenkbar. Genau hier fehlt das Element, welches den Zuschauer über eine andere Ebene abholt. Und das sind die Charaktere.

Halt-Catch-Fire-5, Copyright AMC NetworksLee Pace hat sich mit PUSHING DAISIES eine gute Fangemeinde geschaffen, doch für Joe MacMillan spielt er letztendlich zu unsympathisch, um wirkliches Interesse an der Figur aufzubauen. Viel zu repressiv ist sein Visionär, als dass man ihn entzaubern möchte. Das ist nicht unbedingt auf Pace selbst zurück zu führen, sondern wie seine Rolle geschrieben und inszeniert wird. All zu offensichtlich hat man mit Joe MacMillan auch den bald scheidenden MAD MAN Don Draper ersetzen wollen. Aber Draper ist einfach die coolste Sau im Serien-Pool, und eine Annäherung vergebliche Liebesmüh, und zum Scheitern verurteilt. Aber auch Scoot McNairy hat diese Probleme, dass sein introvertierter Computer-Designer einfach zu viel der zweifelnde Nerd sein muss, den man zu seinem Glück zwingt. Von Programmiererin Cameron Howe ganz zu schweigen. Mackenzie Davis gibt sich wirklich alle Mühe, ihrer Figur viele Facetten angedeihen zu lassen, letztendlich bleibt sie dann aber auch zu viel von einem Klischee. Punk, selbstbestimmt, ohne wohnhaft, aber die beste in ihrem Fach. Selbstverständlich gibt es und gab es all diese Figuren im richtigen Leben, besonders zu jener Zeit. Was dann allerdings von Nöten ist, heißt Entwicklung. Und diese Entwicklung findet bei diesen drei Charakteren erst in der sechsten Episode LANDFALL statt, was bei einer auf zehn Folgen ausgelegten Staffel reichlich spät ist. In einer Szene, wo sich Joe MacMillan mit einem Werbeplakat konfrontiert sieht, bricht dieser Mann endlich auf, und man kann kurz hinter seine Fassade schauen. Und auch Cameron darf mit einem Geständnis mehr von ihrer Figur preis geben. Von hier an könnte HACF tatsächlich noch tiefer gehen und spannender werden. Denn nun ist klar, dass hinter diesen zu gewollt erscheinenden Menschen, mehr stecken könnte. Und das will man erkunden, wenn man schon wenigstens mit der Technik nicht mithalten kann.

Halt-Catch-Fire-2, Copyright AMC NetworksAuf alle Fälle sollten die Schwächen von HALT AND CATCH FIRE keinesfalls auf eine fehlgeschlagene oder langweilige Serie hindeuten. Was nicht hundertprozentig funktioniert, hat noch immer genug Potential, oder ausgleichende Momente, um die Spannung zu halten. Dieser Blick zurück hat einfach etwas faszinierendes, und wenn die Macher etwas Gas geben, könnte HACF tatsächlich ganz vorne landen, wo AMC seinen Mitbewerbern bislang die lange Nase zeigen konnte. Dazu fehlt allerdings die Quote, denn so richtig wahrgenommen wurde HACF noch nicht. Legt sich AMC sonst mit seinen Showrunnern an, haben sie es hier mit den Fernsehgewohnheiten getan, indem sie das Computer-Drama in der eigentlich für Serien-Premieren freien Zeit starteten. Ein von der Branche als mutiges Experiment wahrgenommenes Unterfangen, ist dies eigentlich die Zeit der Kino-Blockbuster. Ob nun dieses Experiment fehlgeschlagen ist, oder tatsächlich kein Interesse an der Serie besteht, wird man später zu analysieren wissen. Eine zweite Staffel ist allerdings noch nicht bestellt, und über einen Einkauf eines deutschen Sendern nichts bekannt. Interessierten ist es daher unbedingt angeraten, sich auf amerikanische Freunde zu besinnen. Was AMC bisher durchgezogen hat, macht Leute wirklich neugierig, aber halten können sie diese nicht unbedingt. Joe MacMillan hat aus diesem Satz gelernt.

Halt-Catch-Fire-3, Copyright AMC Networks

Reguläre Darsteller: Lee Pace, Scoot McNairy, Mackenzie Davis, Toby Huss, Kerry Bishé u.a.
Erfinder: Christopher Cantwell, Christopher C. Rogers
Regisseure: Juan José Campanella, Jon Amiel, Ed Bianchi, Larysa Kondracki, Karyn Kusama, Terry McDonough, Johan Renck, Daisy von Scherler Mayer
Drehbücher: Jamie Panchino, Jason Cahill, Dahvi Waller, Zack Whedon, Jonathan Lisco
Musik: Paul Haslinger
Kamera: Nelson Cragg
Bildschnitt: Kevin D. Ross, Kelley Dixon, Robert Komatsu, Victor Du Bois, Chris  McCaleb
Produktionsdesign: Christopher Brown
USA

Bildrechte: AMC Networks
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Editorial, Rund um den Fernseher abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar