EDGE OF TOMORROW – Bundesstart 29.05.2014
Die Presse hat sich längst auf den Murmeltier-Tag eingeschossen. Doch gibt es bei diesem Cruise-Vehikel einen wesentlichen Unterschied zu Harold Ramis´ Komödie um Moral und Selbstfindung: Der Murmeltier-Tag war ein bis zum Ende durchdachtes Unterhaltungsstück mit Tiefgang. EDGE OF TOMORROW hat keinen Tiefgang, dafür ist er ein prächtiges Unterhaltungsstück, aber durchdacht, nein, durchdacht ist er nicht wirklich. Allein die Umstände, wie Major William Cage gegen seinen Willen zu den Vereinigten Verteidigungskräften eingezogen wird, ist sehr unglaubwürdig geschrieben und inszeniert. Doug Liman war als Regisseur mit zum Beispiel SWINGERS oder der BOURNE IDENTITÄT schon wesentlich realistischer, aber auch ehrlicher.
Die Mimics genannten Außerirdischen haben Europa bereits vollkommen im Griff. Die weltweite Übernahme ist nur eine Frage der Zeit. Der als Kämpfer vollkommen unerfahrene Major Cage, wird bei einem an den D-Day erinnernden Angriff gegen die Mimics innerhalb kürzester Zeit getötet. Doch durch Zufall konnte er zuvor einen besonders aussehenden Mimic erschiessen, und wurde dabei mit dessen Blut benetzt. Dies hat zur Folge, dass Cage in der Zeit zurück geworfen wird, und exakt diesen Tag immer wieder bis zu seinem Tod erleben muss. Doch Cage ist sich seines Schicksals durchaus bewußt, und lernt so mit jeder Wiederkehr besser und besser die Strategie der Mimics kennen.
Noch mit JACK REACHER mußte Tom Cruise beweisen, dass er mit seinen über fünfzig Jahren noch immer einen Action-Film bewältigen, und dabei gut aussehen kann. Mit EDGE OF TOMORROW spielt er in der ersten Hälfte des Films gewaltig gegen dieses selbst auferlegte Image an. Doch auch hier bleibt sich der Film nicht treu. Der Aufstieg von Cage zum gestählten Helden ist viel zu absehbar, aber auch extrem konventionell, und dadurch verliert EDGE einen seiner ganz besonderen Eigenschaften, nämlich seinen feinsinnigen Humor. Kann der Film mit seiner Dramatik durchaus überzeugen, liegt das an seinem nie übertriebenen, aber immer schwarzhumorigen Witz, der diese Dramatik nicht dominiert, sondern sich ihrer anpasst.
Dion Beebe bei der Bildgestaltung und James Herbert im Schnitt ergänzen sich zu einer dynamischen, teilweise furiosen Erzählstruktur, die den Zuschauer wirklich an den Rand seines Sitzes bringt. Doch weder die Geschichte, noch die Inszenierung vertrauen auf die eigentliche Prämisse. Wer immer glaubt etwas gegen Tom Cruise vorbringen zu müssen, kann dies nicht mit diesem Film begründen. Allerdings ist es die Inszenierung selbst, die sich einer stringenten Umsetzung widersetzen. Technisch ist EDGE OF TOMORROW erstklassiges Kino, welches sich im Verlauf allerdings selbst demontiert. Für den Showdown wurde im dritten und letzten Akt ein Szenario entworfen, welches dem Konzept des sich ständig wiederholenden Tages vollkommen widerspricht, und damit die ersten 80 Minuten obsolet macht.
Der „Murmeltier-Tag“ findet seine Auflösung darin, diesen Tag genau so zu beenden, wie es dem eigentlichen Charakter der Figuren entsprechen sollte. Ganz einfach: Mach es richtig, und es geht weiter. Leider nicht mit EDGE OF TOMORROW, der sich diesem Konzept im Höhepunkt seiner Handlung abwendet, und glaubt, sich im Fahrwasser gewöhnlicher von Science-Fiction angehauchter Action besser bewegen zu können. Dabei enttäuscht er allerdings jenes Publikum, welches auf die Besonderheit in der Erzählung hofften. Ein oberflächlich betrachtet, perfekter Hollywood-Actioner, dennoch ein Film, der sich an der Erwartungshaltung des Mainstream entlang hangelt, anstatt seiner Geschichte zu vertrauen. EDGE OF TOMORROW ist ein sehr guter Film, weil Darsteller und technische Umsetzung einfach überzeugen. EDGE OF TOMORROW ist gleichzeitig ein sehr schlechter Film, weil er sich seinen eigentlichen Ansprüchen nicht zu stellen versteht.
Darsteller: Tom Cruise, Emily Blunt, Brendan Gleeson, Bill Paxton, Jonas Armstrong, Tony Way, Kick Gurry u.v.a.
Regie: Doug Liman
Drehbuch: Christopher McQuarrie, Jez Butterworth, John- Henry Butterworth
Kamera: Dion Beebe
Bildschnitt: James Herbert
Musik: Christophe Beck
Produktionsdesign: Oliver Scholl
USA / 2014
113 Minuten