THE BOXTROLLS – Bundesstart 23.10.2014
Da gibt es die Bewohner mit den roten Hüten, die träumen von einem Leben wie dem der Bewohner mit den weißen Hüten. Und unter der Stadt wohnen die, die Angst vor den roten und den weißen Hüten haben. Gesehen hat sie noch niemand, aber gefürchtet sind sie. Monster. Furchterregende Monster, die Kindern das Gesicht weg fressen. Archibald Snatcher ist gewöhnlicher Bewohner, mit rotem Hut. Doch er kann Lord Portley-Rind, dem Stadtoberhaupt mit weißem Hut, das Versprechen abringen, ebenfalls im Hut befördert zu werden, wenn die grausamen Monster alle bekämpft und besiegt sind. Und so beginnt eine monatelange Hatz gegen die als Boxtrolls bekannten Bestien. In den unzugänglichen Katakomben unter Stadt hausen sie, sammeln Nachts den Müll von der Straßen, und nutzen diesen sinnvoll in ihrer kleinen Welt. Natürlich sind die Boxtrolls alles andere, als die Geschichten um sie herum. Aber Archibald Snatcher hat ein Ziel, und so dezimieren sich auf ungerechtfertigte Weise, nach und nach die Schachteln mit Innenleben, die in Variationen an Frankensteins Monster erinnern. Sie heißen Fisch, oder Schuh, Zerbrechlich, oder Süßigkeiten. Je nachdem in was für eine Verpackung sie gekleidet sind. Und mitten unter ihnen, reift Eggs zu einem Jungen heran. Ein Menschenkind, in einen Eierkarton gekleidet, der deswegen Eggs heißt, weil das deutsche Eier ein furchtbar blöder Name wäre.
Laika Entertainment ist das Animationsstudio, dass sich bisher mit CAROLINE und PARANORMAN bei den Zuschauern eingebrannt hat, nachdem sie in Kooperation mit Tim Burton seinerzeit 2005 mit CORPSE BRIDE auf sich aufmerksam gemacht hatten. Und wenn man etwas über BOXTROLLS sagen kann, dann sind es seine perfekten Animationen. Stop-Motion-Animation mag für verklärte Nostalgiker sowas wie einer der vielen kleinen heiligen Grale der Kinohistorie sein. Für ein Technik verwöhntes Publikum, das einfach nur die Unterhaltung sucht, muss Stop-Motion einfach perfekt sein. Es gibt genügend 3D gerenderte Computer-Animationen, wie anführend die Pixar-Produktionen, die ihr Zielpublikum trefflich überzeugen. Sich in Zeiten wie diesen noch mit Stop-Motion zu befassen, das birgt einen tieferen Hintergrund, der mehr mit Philosophie zu tun hat, als mit pragmatischen Überlegungen. Umso energischer sollten sich die Filmemacher nicht einfach nur mit ihrem umzusetzenden Projekt, sondern vor allem mit den Sehgewohnheiten seines Publikums auseinandersetzen. Das haben die Regisseure Annable und Stacchi durchaus verstanden, die aus dem per Hand animierten Abenteuer, eine für das Zielpublikum annehmbare Unterhaltung zauberten. Viel Tempo bringen sie in die Handlung, und gönnen sich, bis auf Archibald Snatcher vielleicht, keine bloßen Stereotypen.
Ist die technische Umsetzung nahezu perfekt, hakt es gewaltig an der Geschichte. Viel zu hoch gehalten ist der moralische Zeigefinger, als dass ihn erwachsene Zuschauer entspannt ignorieren könnten. Kinderfilme zieren sich gerne mit Geschichten um Anstand, Moral und Integrität. Das ist auch völlig in Ordnung, nur macht es in dieser umgesetzten Weise aus BOXTROLLS einen reinen Kinderfilm, in dem die Großen keinen Platz finden für ihr erwachsenes Verständnis von Spaß. Einige Eltern die ihre Kinder begleiten, dürften manchmal sogar erschreckt aus dem Sessel hoch fahren, angesichts einiger äußerst düsterer Sequenzen. Da wird ein Junge schon von den Flammen eines Hochofens angekokelt, oder liebenswerte Figuren vermeintlich von einer Presse zerquetscht. Das steht dann wieder im verdrehten Kontrast zu der naiv kindlichen Erzählung des Films.
Wer allerdings Wert legt, auf feinstes Kunsthandwerk und Ideenreichtum, wer sich gerne der Faszination für das Kino unterwirft, der kommt dann doch nicht leichten Herzens an BOXTROLLS vorbei. Die einzelnen Szenenbilder stecken voller solch verschwenderischer Detailtreue und Einfallsreichtum, das man nicht umhin kommt den Hut zu ziehen. Egal ob einen roten oder weißen. Das Set-Design erinnert mit seinen verzerrten Häusern und Straßen immer wieder an das deutsche Kino des Expressionismus. Dabei sind die Animationen so fließend, und auch natürlich, dass man die Animation als solche sofort vergessen hat. BOXTROLLS ist also zwei Filme. Den einen sollte man sehen, den anderen kann man ignorieren. Leider, denn so schlecht nimmt sich die Prämisse um die in Verpackungsmüll gekleideten Monster gar nicht aus. Wäre sie nicht so schrecklich naiv erzählt.
Stimmen:
Eggs: Isaac Hempstead Wright / Patrick Beahr
Archibald: Ben Kingsley / Joachim Tennstedt
Lord Portley-Rind: Jared Harris
Mr. Trout: Nick Frost / Olaf Reichmann
Mr. Pickles: Richard Ayoade
Mr. Gristle: Tracy Morgan / Norman Matt
Winnie: Elle Fanning / Jodie Blank
Regie: Graham Annable, Anthony Stacchi
Drehbuch: Irena Brignull, Adam Pava, nach Alan Snows Buch „Here Be Monsters“
Bildschnitt: Edie Ichioka
Musik: Dario Marianelli
Produktionsdesign: Paul Lasaine
USA / 2014
96 Minuten