BELLE – Bundesstart 14.08.2014
Es ist 1769. Und England beheimatet den größten Markt für Sklavenhandel. Auch wenn die grundlegenden Fakten über Dido Elizabeth Belle nachvollziehbar und stimmig sind, so gibt es kaum persönliches überliefert. Was natürlich dem Drehbuch sehr entgegen kommt, und keine Schlaumeier auf den Plan ruft die Verdrehung der Tatsachen zu beschimpfen. Obwohl man dabei schon beim ersten wäre, nämlich ein inniger Kuss auf Londons offenen Straßen, und das im achtzehnten Jahrhundert. Captain Sir John Lindsay hatte einen kleinen Fehltritt, der als stolzes Ergebnis mit der kleinen Dido endete. Als ihre schwarze Mutter verstirbt, nimmt Lindsay seinen Stand als Ehrenmann sehr ernst, und bringt das kleine Mischlingskind bei seinem Onkel Lord Mansfield unter. Captain Lindsay selbst bricht nach Indien auf, und wahrt seither nicht wieder gesehen. Über seinen Verbleib schweigt der Film. In den aristokratischen Kreisen wächst Dido verhältnismäßig unbehelligt und behütet auf. In der gleichaltrigen Elizabeth, welche mit ihrer Mutter ebenfalls bei den Mansfields in Kenwood Halls residiert, findet sie ihre beste Freundin. Lord Mansfield als oberster Richter in England, hat dabei keinen leichten Stand gegenüber anderen Familien, die sich über das „ach so schwarze Kind“ mokieren. Doch der Lord ist als Edelmann über diese Dinge erhaben, und sieht sich zudem in der Pflicht gegenüber seines Enkels. Für Dido selbst, wird es erst im Jugendalter richtig auffällig, was ihre Hautfarbe in ihrer Zieh-Familie ausgelöst haben muss, und wie sich die Welt überhaupt dort draußen wirklich dreht.
Im Zuge dieser augenblicklichen Welle, die im Grunde zu begrüßen ist, Rassendiskriminierung anhand historischer Geschichten aufzuarbeiten, ist BELLE ganz gut aufgehoben. Hier wechselt der Schauplatz von Amerika auch einmal nach England, wo zu dieser Zeit Schwarze nicht nur als Sklaven gehalten wurden, sondern gleichfalls als freie Menschen in nicht schlecht bezahlten Jobs unterkamen. Ein nicht überraschender, aber der weitgehend interessanteste Aspekt in Amma Asantes Drama. Trotz THE HELP, 12 YEARS A SLAVE, THE BUTLER, aber auch LINCOLN, ist Rassendiskriminierung und Sklaverei natürlich noch lange nicht richtig aufgearbeitet. Doch BELLE ist in dieser Linie ein eher sehr gefälliger Film, leidlich spannend, und kaum überraschend. Zudem weißt er immer wieder Zeichen von Inkonsistenz auf. Es will einfach nicht einleuchten, dass sich Dido erst mit Vierzehn über ihre Andersartigkeit vollkommen bewusst werden wird. Egal wie behütet sie aufwächst.
Dafür überzeugt der Film mit ausschweifenden Dekors und Kostümen, und er geizt nicht an opulenten Sets. Simon Bowles hat als Produktionsdesigner wahrlich großartiges vollbracht. Da kommt Ben Smithards vorzügliche Kameraarbeit entgegen, der sehr klassisch, mit elegischen Bildern eine stimmige Atmosphäre produziert. Kein übertriebenes, aber ein elegant wirkungsvolles Licht-Design tut das übrige. Und mit zwei Handvoll herausragender Darsteller, kann BELLE trotz der dramaturgischen und teilweise auch inszenatorischen Schwächen, seine 104 Minuten ohne Langweile überbrücken. Mit zwei Ausnahmen. Zum einen Tom Felton, der schon während der HARRY-POTTER-Serie seine Auswahl von grimmigen Gesichtern ausgespielt hatte. Als das sinnbildliche Böse in der Geschichte, zeigt er einfach nicht Talent genug, um schauspielerisch seiner Rolle gerecht zu werden. Und dann Gugu Mbatha-Raw, die äußerlich eine ansprechende Dido sein mag. Doch hat man ihr mit dieser Rolle zu viel der Bürde auferlegt. Die eher übersichtliche Handlung zeigt nicht sehr viel Tiefgang oder besticht auch nicht mit hintersinnigen Details. Das müsste eine energischere Ausstrahlung, und ein charismatischeres Wesen ausgleichen können. Wenngleich sich Mbatha-Raw wirklich gut schlägt, wirkt sie neben Charaktere wie Wilkinson, Watson, Wilton, Richardson, aber auch Gadon, sehr eingeschränkt und weniger überzeugend.
Das Filme wie dieser wichtig sind, ist unbestritten. Eine angemessene Resonanz gegenüber Schwarzen ist in der gesamten, sogenannten westlichen Welt noch lange nicht erreicht. Durchaus könnte man den Sinn und das Ansinnen von Filmemachern wie Amma Asante in Frage stellen. Doch bleibt dieses Wachrütteln in der Gesellschaft eine konstante Notwendigkeit, gerade wegen des Selbstverständnisses, mit dem man Schwarzen gegenüber noch immer ein grundlegendes Misstrauen entgegen bringt. Keiner der vorher aufgeführten Filme, auch nicht die Klassiker RATE WER ZUM ESSEN KOMMT, LILIEN AUF DEM FELDE, oder IN DER HITZE DER NACHT haben einen wirklichen Wandel im Bewusstsein der Gesellschaft bewirkt. Nicht im Allgemeinen, aber vielleicht Stück für Stück im Geiste von Einzelnen. BELLE ist ein unterhaltsamer, aber kein sehr eindringlicher Film. Stellt man ihn McQueens 12 YEARS A SLAVE gegenüber, der dem Thema sehr viel Neues, auch Erschütterndes hinzufügen konnte, bleibt BELLE bieder und schlichtweg zu einfallslos. Aber vielleicht doch notwendig.
Darsteller: Gugu Mbatha-Raw, Tom Wilkinosn, Emily Watson, Sarah Gadon, Penelope Wilton, Sam Reid, James Norton, Tom Felton, Miranda Richardson u.a.
Regie: Amma Asante
Drehbuch: Amma Asante, Misan Sagay
Kamera: Ben Smithard
Bildschnitt: Victoria Boydell, Pia Di Ciaula
Musik: Rachel Portman
Produktionsdesign: Simon Bowles
Großbritannien / 2014
104 Minuten