THE JUDGE – Bundesstart 16.10.2014
Hank Palmer ist erfolgreicher Anwalt in Chicago, gefürchtet, im besten Alter, aber mit kriselnder Ehe. Ein wenig arrogant wirkt Hank, überheblich ist er mit Sicherheit. Eine seiner Stärken, um gegnerische Anwälte aus dem Konzept zu bringen. Doch die Fassade bröckelt, als ihn während eines Prozesses die Nachricht über den Tod seiner Mutter ereilt. Hier beginnt auch schon das Drehbuch zu bröckeln, denn dieser Prozess findet keinerlei Erwähnung mehr. Aus dem lockeren, überlegenen Hank, wird ein stummer, nervöser Mann. Den Grund dafür findet man in seinem Elternhaus in Indiana, wo Vater Josesph Palmer, Richter am hiesigen Gericht, jeden Trauergast mit Umarmung begrüßt, außer seinen eigenen Sohn. Die Differenzen in der Familie sind förmlich spürbar, aber wenigstens machen Hanks Brüder Dale und Glen ihm den Aufenthalt etwas angenehmer, wenngleich nicht entspannt. Aus für den Zuschauer noch unerfindlichen Gründen, eskaliert die Stimmung zwischen Hank und Joseph immer wieder, bis der Sohn Wut entbrannt nach Chicago zurück fliegen möchte. Doch noch unterwegs, erreicht Hank bereits die Nachricht, dass Richter Joseph Palmer wegen Körperverletzung mit Todesfolge verhaftet wurde. Natürlich macht der Sohn sofort kehrt, denn er ist davon überzeugt, dass nur er seinen Vater erfolgreich verteidigen kann.
Was das Drehbuch bis zu diesen Minuten zu bieten hatte, war weniger originell, und schon einige Male so in seiner Ausführung zu sehen. Vater-Sohn-Konflikt mit vorsichtiger Annäherung, bis gegenseitigem Verständnis. Nein, originell ist das nicht, aber was David Dobkins Film bis dahin rettet, sind ganz klar Robert Downey Jr. und Robert Duvall, hervorragend unterstützt von Vincent D’Onfrio und Jeremy Strong. Aber es ist ganz klar Downey und Duvalls Film. Weiß der Zuschauer bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht, das der Anfangs angesprochene Prozess nie wieder Erwähnung finden wird, schleichen sich nun immer mehr kleine Unzulänglichkeiten ein, die aus einem eigentlich runden Ablauf, eine eher holprige Inszenierung machen. Da ist die Verweigerung des Vaters, den rechtlichen Beistand seinen Sohnes anzunehmen, was sich leider als keine wirkliche Überraschung herausstellt. Das er trotzdem mit dem eigentlichen Anwalt Kennedy auftaucht, und den Prozess vorbereitet, dass macht dann auf der anderen Seite auch wieder keinen Sinn. Das der verlorene Sohn in seiner Heimatstadt auf seine natürlich alleinstehende Jugendliebe trifft, bemüht wieder einmal ein bereits verbrauchtes Klischee. Doch das Hank mit Samantha in eine Bar einbricht, nur weil sie dort die Atmosphäre so toll findet, passt so ganz und gar nicht zu einem erfolgreichen Anwalt, der zudem mitten in Prozessvorbereitungen steckt. Es sind immer wieder so kleine, aber auffallende Dinge, welche den RICHTER einfach nicht über einen gewissen dramaturgischen Standard bringen.
Der deutsche Zusatztitel RECHT ODER EHRE, bezieht sich auf Joseph Palmers Wunsch, dass ihm Recht gesprochen wird, er allerdings seine Integrität gewahrt sehen will. Im Rechtssystem schließt sich das immer wieder einmal aus. Sollte Hank einen Freispruch für seinen Vater erzielen, wurde Recht nach der Rechtstaatlichkeit gesprochen. Aber dem alten Hasen in diesem System geht es in erster Linie um die moralische Verantwortung. Sollte er diesen ihm zur Last gelegten Mord begangen haben, dann will sich Joseph Palmer genau dieser Verantwortung stellen. Denn ein ehrenwerter Richter, sollte sich nicht einer Strafe durch juristische Spitzfindigkeiten entziehen können. Mit Billy Bob Thornton hat Downey einen wirklich harten Konkurrenten vor dem Richtertisch. Doch Regisseur Dobkin setzt weiterhin auf die zwischenmenschliche Beziehung von Vater und Sohn, als das er die gute Chance auf ein Gerichtsdrama zu nutzen versteht. Das eiskalte Kalkül in Billy Bob Thorntons Auftritt verpufft, ohne auch nur den Ansatz von seinen Möglichkeiten zu erkennen, die der Zuschauer sofort zu erahnen beginnt.
DER RICHTER ist ein nicht sehr überzeugend geschriebenes Drama, welches sich lieber an den Standards orientiert, anstatt einen eigenständigen Schritt zu wagen. Janusz Kaminskis Bilder sind wieder einmal sehr einnehmende Szenerien, die unterstreichen, warum er zu den populärsten Kameraleuten Hollywoods gehört, aber letztendlich hebt die Bildgestaltung dann doch mehr die Klischees der Handlung hervor. Der sonnendurchflutete Gerichtssaal, als Hank das erste mal wieder in seiner Heimatstadt ist, oder die kühl stahlblauen Farben, wenn er das erste mal auf seinen Vater trifft. Dennoch bleibt DER RICHTER weit über dem Durchschnitt thematisch und dramaturgisch ähnlich gelagerter Filme, weil man Robert Downey Jr. und Robert Duvall einfach zu sehen muss, aber auch sehen will. Charakterköpfe, die nicht umsonst den Weg nach ganz oben geschafft haben.
Darsteller: Robert Downey Jr., Robert Duvall, Vera Farmiga, Billy Bob Thornton, Vincent D’Onofrio, Jeremy Strong, Leighton Meester u.a.
Regie: David Dobkin
Drehbuch: Nick Schenk, Bill Dubuque
Kamera: Janusz Kaminski
Bildschnitt: Mark Livolsi
Musik: Thomas Newman
Produktionsdesign: Mark Ricker
USA / 2014
141 Minuten